Die Affäre der Theresienstädter Maler

Die Maler des Zeichensaales des Technischen Büros in der Magdeburger Kaserne hatten im Ghetto Kontakt zu Leo Strass, einem Geschäftsmann aus Náchod. Er war leidenschaftlicher Sammler tschechischer Kunst. Seine „arische“ Familie stand mit ihm über tschechische Gendarmen in illegaler Verbindung. Oft erhielt er für irgendwelche Lebensmittel von den Malern Zeichnungen, die dann das Ghetto auf dem gleichen Wege verließen, auf dem Nahrungsmittel und Tabak hereinwanderten. Schließlich erfuhren die Maler, daß es den Verwandten von Strass gelungen wäre, eine Verbindung ins Ausland aufzunehmen, und daß ihre Zeichnungen in die Schweiz gelangt seien. Diese Nachricht begeisterte die Maler und beflügelte sie.
Vor dem angemeldeten Besuch der Kommission des Internationalen Roten Kreuzes wurde im Zeichensaal des Technischen Büros und in der Unterkunft von Leo Strass eine Durchsuchung vorgenommen, bei der auch einige inoffizielle Studien der Maler gefunden wurden. Die beschlagnahmten Zeichnungen wurden angeblich nach Berlin geschickt, und die Maler, um deren Werke es sich vor allem handelte, nutzten den einstweiligen Verzug dazu, ihre üblichen Arbeiten gründlich zu verbergen. Fritta vergrub seine Zeichnungen in einer Metallkiste auf dem Bauhof, Otto Ungar vermauerte sie in der Hannover-Kaserne und Leo Haas verbarg sie in der Mansarde in der Magdeburger Kaserne. Wo Ferdinand Bloch seine Zeichnungen versteckte, ist bis heute nicht bekannt.

Erst einige Wochen nach dem Besuch der Rote-Kreuz-Kommission machte Otto Zucker die Maler darauf aufmerksam, daß sie zum Verhör auf die SS-Kommandantur vorgeladen würden. Am 17. Juli 1944 meldeten sie sich im Büro des Gestapochefs und wurden sofort im Gefängnis im Keller der Kommandantur eingekerkert, wo schon Leo Strass und der Architekt Troller einsaßen. Nach langem Warten wurden sie zum Verhör geschleppt, an dem der Kommandant des Ghettos Theresienstadt Karl Rahm und der Lagerinspekteur Karl Bergl, der Leiter des Prager Zentralamtes für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren (früher Zentralstelle für jüdische Auswanderung), Hans Günther, Hauptsturmführer Möhs – der Verbindungsmann zwischen Prag und dem Reichssicherheitshauptamtes in Berlin – und später selbst Adolf Eichmann teilnahmen (siehe auch Bericht Leo Haas). Auf dem Tisch lagen von jedem Maler einige Zeichnungen mit Studien zu Ghettomotiven. Die Offiziere der SS identifizierten die Autoren der einzelnen Zeichnungen und wollten wissen, für wen die Maler arbeiteten und welche Verbindungen zur Außenwelt und zu illegalen Organisationen im Ghetto sie hätten. Obwohl sie nichts erfahren konnten, beschuldigten sie die Maler der Verschwörung und der „Greuelpropaganda und ihrer Verbreitung im Ausland“, die das Ziel habe, die nazistische Führung und ihre Arbeit anzuschwärzen. Weshalb auch Architekt Troller verhaftet worden war, steht bis heute nicht genau fest.

Als Architekt entwarf er Einrichtungen für private Unterkünfte und „Kabuffs“ im Ghetto und musste auch für die Kommandantur der SS arbeiten. Nach einem weiteren Verhör und langem Warten wurden die Häftlinge am Abend gemeinsam mit ihren Frauen, der siebenjährigen Zuzana Ungarová und dem dreijährigen Tommy Fritta auf einen Lastwagen geladen und in das Gestapogefängnis Kleine Festung transportiert.
In der Kleinen Festung wurde zuerst Ferdinand Bloch erschlagen und im Februar 1945 starb hier auch Frau Hansi Fritta. Ungar verstümmelte man die rechte Hand, damit er nicht mehr malen konnte. Die anderen wurden kurze Zeit danach nach Auschwitz deportiert, wo kurz nach der Ankunft Bedřich Fritta an einer Blutvergiftung ums Leben kam. Auch Leo Strass starb. Wie durch ein Wunder überlebte Leo Haas, dessen Irrfahrt über Auschwitz, Sachsenhausen, Mauthausen und Ebensee führte. Ihn rettete die Zwangsarbeit im sogenannten „Fälscherkommando“ in Sachsenhausen. Otto Ungar beendete seine „Pilgerfahrt“ auf einem Todesmarsch in Buchenwald und starb kurze Zeit nach der Befreiung im Krankenhaus in Bleikenheim bei Weimar. Frída Ungarová erlebte zusammen mit ihrer Tochter Zuzanna die Befreiung in Auschwitz. In der Theresienstädter Kleinen Festung gelang es Erna Haasová, mit ruinierter Gesundheit zu überleben. Ihr ist es zu verdanken, daß wie durch ein Wunder auch Frittas Sohn Tommy am Leben blieb.

Die ganze Affäre der Theresienstädter Maler machte erst recht deutlich, welch große Bedeutung die Faschisten ihrer Propaganda beimaßen und wie sehr sie ein der Wahrheit entsprechendes Zeugnis über die Schrecken der „Endlösung der Judenfrage“ fürchteten. Von den fünf bekannten Theresienstädter Malern kehrte nur Leo Haas zurück und holte seine und Frittas Zeichnungen aus den Verstecken. Die Zeichnungen der anderen wurden erst lange nach der Befreiung bei Hausrenovierungen entdeckt.

Quellen

  • 186
    186. Vojtěch Blodig u.a. , Kultur gegen den Tod Oswald-Verlag, , Prag 2002 , S. 55f.

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