1. Deportationen nach Theresienstadt
1.1 Deportation aus dem Protektorat Böhmen und Mähren
1.2 Deportationen aus dem Reichsgebiet
1.3. Kennzeichnung der Transporte nach Theresienstadt
2. Deportationen von Theresienstadt
3. Evakuierungstransporte nach Theresienstadt
4. Gedenkstätte für die Transporte
1. Deportationen nach Theresienstadt
Ab dem 24. November 1941 wurde mit dem Eintreffen von 342 Männern aus Prag - dem Aufbaukommando - das Lager Theresienstadt als 'Transitghetto' für die Juden aus dem Protektoratsgebiet genutzt.
Im Frühjahr 1942 endete die ausschließliche 'Protektoratsfunktion'Theresienstadts, da das Reichssicherheitshauptamt die Transporte der deutschen Juden in das 'Altersghetto' Theresienstadt nun als 'dringend' ansah.[ vgl. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle, Die 'Judendeportationen' aus dem Deutschen Reich 1941-1945, marixverlag, Wiesbaden 2005, S. 260ff ]
1.1 Deportation aus dem Protektorat Böhmen und Mähren
Im Oktober und November 1941 gingen die 'Judentransporte' aus dem Protektorat noch direkt nach Minsk und Litzmannstadt. Ab Ende November 1941 war dann Theresienstadt für die meisten der 88.105 Juden aus Böhmen und Mähren der erste Anlaufpunkt.
Am 16. Oktober 1941 wird der erste Transport aus dem Protektorat nach Łódź (Litzmannstadt) geschickt. Weitere Transporte folgen am 21. Oktober, am 26. Oktober und am 3. November 1941. Insgesamt wurden 5.000 Personen deportiert. 1942 gingen fünf Transporte aus Prag nach Łódź und ein Transport aus Brünn nach Minsk. Innerhalb weniger Tage verließen diese aus jeweils 1.000 Personen bestehenden Transporte ab dem 16. Oktober Prag und Brünn.
Von der Łódźer Gruppe gingen viele an Ort und Stelle zugrunde. Eine beträchtliche Anzahl wurde 1942 in Chelmo in den dortigen Vergasungswagen umgebracht, manche schmachteten bis Oktober 1943 in den Arbeitslagern, die man in Posen einrichtete, andere blieben in Łódź bis zur Auflösung des Ghettos im Spätsommer 1944, von wo aus sie nach Auschwitz mußten. 253 Überlebende meldeten sich nach dem Kriege. Von der Minsker Gruppe meldeten sich 11 Überlebende.
Der letzte Transport nach Polen erfolgte nach dem Attentat auf Heydrich. Man schickte einen aus 1.000 Personen bestehenden sog. 'Straftransport' nach Ujazdow bei Lublin. Ein Rückkehrer meldete sich nach dem Krieg. Alle anderen kamen ums Leben. Der Transport hatte die Bezeichnung AAh, was man als Abkürzung für „Attentat auf Heydrich“ verstand.
Bis zum letzten Transport aus dem Protektorat am 15. Mai 1945 wurden 73.608 'Protektoratsjuden' in 102 Transporten nach Theresienstadt verbracht. Davon wurden 60.382 Personen weiter in die Konzentrationslager nach Osten transportiert. Von diesen überlebten nur 3.097. In Theresienstadt selbst erlebten 6.875 die Befreiung am 9. Mai 1945. [vgl. Pavel Skorpil, Jüdische Opfer Nazi-Deutschlands aus den Böhmischen Ländern 1938-1945, Theresienstädter Studien und Dokumente 1994] und [ vgl. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle, Die 'Judendeportationen' aus dem Deutschen Reich 1941-1945, marixverlag, Wiesbaden 2005, S. 260ff ]
Die Transporte erfolgten meist mit jeweils ca. 1.000 Personen aus den wichtigsten Ortschaften des Protektorats. Die Prager Juden verbrachten vor ihrer Abfahrt drei bis vier Tage im Sammellager 'Radiomarkt'. Die Transport liefen mit der Bahn zur Station Theresienstadt-Bauschowitz, Eger (Terezin-Bohušovice nad Ohrí) die ca. 2,5 km lange Strecke vom Bahnhof ins Ghetto mußten die Menschen unter Bewachung maschieren.
Ab Juni 1943 verlief die Bahntrasse direkt bis ins Ghetto.
1.2 Deportationen aus dem Reichsgebiet
Im Mai 1942 setzten die Transporte aus dem Reichsgebiet einschließlich Österreich nach Theresienstadt ein. In den Transporten befanden sich meist ältere Menschen sowie Angehörige 'bevorzugter Gruppen'. Diese als'Prominente' bezeichneten Personen hatten sich Verdienste im Militär erworben, hatten internationale Verbindungen oder waren sog. 'Geltungsjuden'. Aus dem 'Altreich' trafen mit 417 Transporten 42.921 Personen ein. Dazu kamen ca. 17.000 Personen aus Wien.
[ vgl. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle, Die 'Judendeportationen' aus dem Deutschen Reich 1941-1945, marixverlag, Wiesbaden 2005, S. 260ff ]
Übersicht über die nach Theresienstadt deportierten deutschen Juden
Jahr |
Anzahl der Deportierten aus Deutschland
|
Prozentuales Verhältnis zur Gesamtzahl aller Deportierten
|
1942 |
33.505
|
78,06 %
|
1943 |
5.399
|
12,58 %
|
1944 |
1.906
|
4,44 %
|
1945 |
2.111
|
4,92 %
|
'Bilanz'
- Nach Theresienstadt gingen insgesamt 648 Transporte aus vielen Ländern mit ca. 140.000 Menschen. Davon starben 33.818 in Theresienstadt, 86.934 Personen wurden in andere Vernichtungslager deportiert, von diesen überlebten 3.586.
- 17.472 Personen wurden am 8.Mai 1945 in Theresienstadt befreit.
1.3 Kennzeichnung der Transporte nach Theresienstadt
Jeder Transport wurde an seinem Abgangsort mit Buchstaben gekennzeichnet. Die Transporte vorzubereiten und durchzuführen war im Protektorat weitgehend Aufgabe der Prager Jüdischen Kultusgemeinde (JKG) und ihrer „Transportabteilung“.
Die Betroffenen wurden meist durch Boten verständigt und erhielten eine „Transportnummer“, die für die Dauer ihre Aufenthaltes in Theresienstadt gleichsam zu einem Bestandteil ihres Namens wurde und im amtlichen Verkehr angegeben werden mußte. Man hatte etwa die Transportnummer W 982 oder AA 475 oder Cv 13, was besagte, daß die Person mit dem Transport W oder AA oder Cv nach Theresienstadt gekommen war und in der entsprechenden Transportliste unter der Position 982, 475 oder 13 geführt wurde. Die „Transportlisten“ wurden im Auftrag der „Zentralstelle“ von der JKG zusammengestellt, mehrfach ausgefertigt und dem Kommandanten der deutschen Begleitmannschaft nach Theresienstadt mitgegeben, wo je ein Durchschlag an das „Zentralsekretariat“ und an die „Zentralevidenz“, also an jüdische Stellen gelangte. Gewöhnlich wurden 1.000 Personen transportiert. Gelegentlich kamen auch kleinere oder größere Transporte vor. Später waren es auch kleine und kleinste Gruppen. Erst Anfang 1945, als Personen aus 'Mischehen' transportiert wurden, gab es wieder größere Transporte.
Auch die Transporte aus anderen Ländern nach Theresienstadt brachten in der Regel Verzeichnisse mit, aber ohne Bezeichnungen, die im Lager übernommen worden wären. Endgültige Listen aber wurden erst in Theresienstadt von der „Transportabteilung“ oder in der „Zentralevidenz“ angelegt. Die Transporte wurden benannt, die Deportierten bekamen ihre „Transportnummer“. Als Grundlage wählte man römische Ziffern von I bis XXVI, jede einem oder mehreren Ankunftsorten vorbehalten, die meist den einzelnen Gestapobereichen entsprachen. So besagte I Berlin, IV Wien und XXIV Holland. Den einzelnen Transporten wurde eine arabische Nummer zugesetzt, so war I/90 der neunzigste Transport aus Berlin. Die „Transportnummern“ wurden diesen Deportierten in fortlaufender Reihenfolge zugewiesen, so daß sich die individuellen Nummern, z.B. unter römisch I, nicht wiederholten und die Personalziffern bei Berlin, Wien usw. in die Tausende gingen. Für jeden Alteingesessenen war die Nummer eines jeden Insassen Hinweis auf die Herkunft und Aufenthaltsdauer in Theresienstadt.
Die Transporte aus München und Berlin brachten in der Regel 50 – 100 Personen, die ersten 13 Transporte aus Wien und einige aus Deutschland zählten 1.000.
Unter Polizeieskorte kamen „Einzelreisende“ nach Theresienstadt. Einzelreisende aus dem Protektorat wurden mit EZ bezeichnet und bekamen fortlaufende Nummern. Brachte man „Einzelreisende“ aus anderen Ländern, so wurden sie meist dem letzten Transport zugezählt, der seinem Herkunftsort entsprach.
siehe auch: Die Vorbereitung eines Transports am Beispiel Berlins
Weitere Informationen über einzelne Transporte:
Transporte aus Hamburg
Transport aus Köln
2. Deportationen von Theresienstadt
Der erste aus Theresienstadt in die Vernichtungslager des Ostens abgehende Transport verließ am 9. Januar 1942 das Ghetto. Das Ziel war Riga. Es folgten weitere 60 Transporte, in denen 87.000 Personen in die Vernichtungslager transportiert wurden. Nur 3.600 Personen überlebten diese Transporte. Am 26. Oktober 1942 verläßt der erste Transport nach Auschwitz Theresienstadt. Er umfaßte 1.866 Personen. 1.619 Personen wurden 'sonderbehandelt'(vergast), 247 (215 Männer und 32 Frauen) kamen ins Lager. Theresienstadt verlassen hatten am 26. Oktober 740 Männer und 1.126 Frauen (105 Kinder bis 14 Jahren, 667 Personen 15–45, 538 Personen 46–60, 556 über 61).
Auschwitz ist nun das Ziel aller künftigen Transporte, mit denen mehr als 44.000 Menschen deportiert werden. Der letzte von insgesamt 25 Transporten nach Auschwitz verließ am 28. Oktober 1944 das Ghetto.
Besondere Transporte aus Theresienstadt
Transport AAy vom 28. Juli 1942 |
Der Transport AAy verließ Theresienstadt am 28. Juli 1942 mit 1.000 Gefangenen. Das Ziel dieses Transportes, bei dem es keine Überlebenden gab, war lange Zeit unbekannt.
Erst Jahre nach dem Krieg konnte das Schicksal dieses Transportes geklärt werden. Heute wissen wir, daß die 1.000 Gefangenen dieses Transportes am 31. Juli 1942 in einem Wald in der Nähe von Baranowitschi in Weißrußland ermordet worden sind. Drei Jahrzehnte nach diesem Massenmord wurde in Baranowitschi ein Denkmal eingeweiht. Damals veröffentlichte das Mitteilungsblatt der Jüdischen Gemeinde in der Tschechoslowakei einen Aufruf an alle Leser, bei der Ermittlung der Identität der Ermordeten mitzuhelfen.
Ende April 1942 kam Reinhard Heydrich nach Minsk und teilte dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD), Eduard Strauch, mit, daß die Transporte aus Deutschland und anderen europäischen Ländern in das Minsker Gebiet wieder aufgenommen würden und daß alle Deportierten nach ihrer Ankunft sofort erschossen werden sollten. Entsprechend dieser Ankündigung trafen in Minsk von Mai bis Oktober 1942 insgesamt 16 Güterzüge mit insgesamt 15.002 Juden aus Wien, Königsberg, Theresienstadt und Köln am Rhein ein. Zur Erforschung der Geschichte dieser Transporte und des Transports AAy trug maßgeblich die gerichtliche Verhandlung der Strafsache gegen den Kriminaloberrat Georg Albert Wilhelm Hauser und zehn weitere Täter vor dem Schwurgericht beim Landgericht Koblenz bei.
Um die Vernichtung so vieler Menschen reibungslos abwickeln zu können, traf der von Heydrich kontaktierte Strauch umfangreiche organisatorische Vorbereitungen. Als Exekutionsgelände wählte er ein etwa 3-5 Km vom Gut Trostinec entferntes Wäldchen aus. Das Gut Trostinec, eine ehemalige Kolchose, lag etwa 15 Km südöstlich von Minsk. In diesem Wäldchen endeten auch die Theresienstädter Transporte AAx vom 14. Juli , AAz vom 4. August, Bc vom 25. August und Bn vom 22. September 1942. Der am 28. Juli 1942 in Theresienstadt abgefertigte Transport AAy sollte mit dem im Fahrplan Da 221 bezeichneten Zug auf gleichem Weg zum gleichen Ziel befördert werden. Dieser Zug kam jedoch nie in Trostinec an. Der vorher festgesetzte Fahrplan erfuhr eine Veränderung, weil der Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Minsk aufgrund einer von ihm im Ghetto Minsk geplanten Aktion anordnete, daß der Zug Da 221 mit dem Transport AAy bereits auf dem Bahnhof Baranowitschi gestoppt und ausgeladen werden sollte.
Der Judenälteste Jacob Edelstein wurde am 21. Juli 1942 auf die SS-Kommandantur befohlen, wo ihm mitgeteilt wurde, daß zum 28. Juli ein Osttransport mit 1.000 Personen vorzubereiten sei. Die obere Altersgrenze war 65, Ausnahmen bis 67 Jahren waren möglich. Edelstein erhielt eine Liste von Namen der Personen, die als Bestrafung oder als sogenannte „Weisung“ eingereiht werden sollten. Auf einer Sitzung des Ältestenrates wurden die organisatorischen Vorbereitungen für den Transport besprochen; die Teilnehmer sollten laut Anweisung der Kommandantur aus dem Protektorat kommen.
Die „Weisungsliste“ enthielt 50 Namen. Die betroffenen Personen bekamen die ersten 50 Transportnummern. Dreizehn von ihnen waren von der Prager Zentralstelle bestimmt gewesen. Zu diesen Personen kamen, so war es üblich, ihre Familienangehörigen. In den Transport Aay wurden vornehmlich Häftlinge eingereiht, die erst kurze Zeit in Theresienstadt waren, noch keine wichtigen Arbeitsstellen und keine Kontakte hatten, die ihnen Reklamationen ermöglichten.
In der definitiven Transportliste waren schließlich 966 Personen, die weniger als 1 Monat im Ghetto waren, 51 % von ihnen kamen aus Prager, mehr als 48 % aus Ölmützer Transporten. Unter 10 Jahren 21 11–15 Jahre 24 16–20 Jahre 43 21–30 Jahre 65 31–40 Jahre 118 41–50 Jahre 160 51–60 Jahre 315 61–65 Jahre 234 Über 65 Jahre 20
In den Morgenstunden des 28. Juli 1942 begann der Marsch der 1.000 Häftlinge aus Theresienstadt zur 3 Km entfernten Bahnstation Bauschowitz, was vor allem den älteren Gefangenen schwer fiel. Da nur Handgepäck befohlen war, trugen die Menschen so viel wie möglich mit sich und litten unter der Last des Gepäcks.
An der Bahnstation in Bauschowitz herrschte Chaos, wie immer bei der Abfertigung von Osttransporten. Der Zug fuhr gegen Abend ab und begab sich auf die Strecke. Es gibt keinen einzigen Zeugen, der die Fahrt nach Baranowitschi beschreiben könnte.
SS-Untersturmführer Waldemar Amelungen hatte in der Außendienststelle der Sicherheitspolizei und des SD in Baranowitschi 169 Soldaten zur Verfügung, von denen 25 zur Bewachung des Ghettos, die anderen für Sonderaktionen und Partisanenbekämpfung vorgesehen waren. Nachdem ihm aus Minsk mitgeteilt worden war, auf welche Weise mit dem Transport zu verfahren sei, entschied er, daß die Aktion in dem Wäldchen Haj beim Dorf Kolpeniza durchzuführen sei. Hier hatte die SS bereits Anfang März 1942 3.000 Juden aus dem Ghetto Baranowitschi ermordet und eingescharrt.
Die Insassen des Da 221 sollten mittels dreier Gaswagen ermordet werden, deren Chauffeure Erich Gnewuch, geb. 1903 in Berlin, Karl Gebl, geb. 1898 in Eger, Heinz Schlechte, geb. 1910 in Brünn waren. Die Gaswagen sollten in der Nähe des Bahnhofs warten, die Gefangenen aufnehmen, sie in den Wald transportieren, wo die inzwischen getöteten Personen von Soldaten in vorbereitete Gruben geworfen werden sollten. Ein Partisanenangriff auf die Bahnlinie nach Baranowitschi machte diesen Plan zunichte, weil Da 221 dadurch mit achtstündiger Verspätung auf dem Bahnhof von Baranowitschi ankam.
Überlebende Baranowitscher Juden berichteten nach dem Krieg, was am 31. Juli 1942 in Baranowitschi geschah, als der Zug um 13.10 Uhr auf dem Bahnhof ankam.
Die SS befahl 100 kräftig aussehenden Männern aus dem Transport, auf einen LKW zu steigen, der sie in das Wäldchen Haj brachte. Angeblich sollten sie Essen holen. Als sie in dem Wäldchen ankamen, die vorbereiteten Gruben und die bewaffneten Wachmannschaften sahen, erkannten sie, in welcher Situation sie sich befanden. Ein weiterer Wagen wurde mit Häftlingen vollgestopft und zu den Gruben in den Wald gebracht. Hier wurden die Abgase in das Innere geleitet. Nach 10 Minuten waren alle tot. Die SS jagte die zuvor hergebrachten Männer zum Wagen. Sie mussten die Leichen herausholen, sie in die Gruben werfen und den Wagen säubern. Aus Zeitgründen verzichtete der Befehlshaber dieser Aktion, Amelungen, darauf, die restlichen Gefangenen auch mit den Autoabgasen zu töten. Er ließ sie in die Nähe der Gruben bringen, dort ausladen und erschießen. Die Gefangenen mussten sich ausziehen und wurden dann erschossen. Wer sich weigerte, wurde mit dem Gewehrkolben erschlagen. Die Juden mussten nackt durch die Gräben laufen und wurden von den 20 am Rand stehenden Schützen erschossen. Wer nicht gleich tot war, wurde durch weitere Schüsse in den Graben hinein getötet. Unter den Schützen waren auch Angehörige der Wachmannschaft aus dem KZ Kolditschewo, die sich mit den Soldaten ablösten. In der Nähe der Grube standen Tische mit Erfrischungen für die Schützen: belegte Brote und Wodka.
Am Abend wurde eine Gruppe mit 50 Frauen aus dem Ghetto Baranowitschi herbeigebracht. Sie mussten die Bekleidung und das Schuhwerk der Ermordeten auf die LKWs laden, dann wurden sie ebenfalls erschossen. Zwei junge Mädchen konnten sich unter der Bekleidung auf dem LKW verstecken und gelangten so ins Ghetto Baranowitschi zurück. Nach Aussagen einiger Zeugen sollen die den Zug begleitenden tschechischen Eisenbahner und Gendarmen ebenfalls erschossen worden sein, um keine Zeugen zu hinterlassen. Diese Behauptung konnte nicht belegt werden, jedoch ließe sich so erklären, warum das Ziel des Transportes so lange unklar gewesen ist. Einen Tag nach dem Massenmord mussten Frauen und Männer aus dem Ghetto Baranowitschi das Gepäck der Ermordeten, ihre Kleider und Schuhe sortieren. Geld und Edelmetalle mussten sofort der SS-Kommandantur übergeben werden. Aus den vorgefundenen Gegenständen schlossen die mit dem Sortieren beschäftigten Juden, daß die Ermordeten keine Ahnung hatten, welches Schicksal sie erwartete. Im Dezember 1942 wurde das Ghetto Baranowitschi liquidiert, die letzten fünf Frauen in das KZ Kolditschewo überstellt, unter ihnen auch Luba Sluczak, die später als Zeugin aussagen sollte.
Im Juli 1944 befreite die Rote Armee Weißrußland. Die städtische Untersuchungskommission untersuchte die Verbrechen der SS in Baranowitschi und erstellte einen ausführlichen Bericht. Im Frühjahr 1945 wurden in Haj die Massengräber entdeckt, im Sommer 1945 die Grabdenkmäler aufgestellt.
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Transport Dx am 20. März 1944 |
Am 20. März 1944 verließ ein Transport mit 40 Personen (Geisteskranken), einem Arzt und vier Pflegern Theresienstadt. Die 40 Geisteskranken wurden sofort in Auschwitz vergast, die Pfleger wurden verschont. |
Maitransporte 1944 |
Im Dezember 1943 waren 5.000 Menschen nach Auschwitz deportiert worden, im Mai 1944 folgten weitere zwei Transporte mit jeweils 2.500 Gefangenen.
Bei dem letzten dieser Transporte, die Platz für die Verschönerungsaktion schaffen sollten, kam es am 15. Mai 1944 zu einem schauerlichen Schauspiel.
Als Schleuse diente die Kaserne C III, aus deren Hintertoren man den Deportationszug gleich erreichen konnte. 2.500 Gefangene, dazu noch die Reserve, füllten das Gebäude. Am letzten Nachmittag vor dem Abfahrtstag erschien Kommandant Rahm mit einigen Männern der SS-Dienststelle und Funktionären der Jüdischen Selbstverwaltung. Rahm ließ die zum Transport Versammelten wiederholt an sich vorbeidefilieren und schied in einer vielstündigen Prozedur, erst bei Tageslicht, dann beim grellen Schein der Reflektoren, 600 meist jugendliche, kräftige Personen von der Verschickung aus.
Dieser Selektion im Kasernenhof unter der Assistenz jüdischer Funktionäre schauten andere Gefangene, Verwandte und Freunde der Betroffenen, aus den offenen Laubengängen der Kaserne zu. Um 23 Uhr nachts wagte es Ing. Zucker Rahm darauf aufmerksam zu machen, daß bei so vielen Befreiungen die Anzahl der zum Transport bestimmten nicht zu erreichen wäre. Rahmbekam einen Wutausbruch, drohte Zucker mit Erschießen, wollte Zucker und Eppstein schlagen, hielt sich aber zurück und beruhigte sich langsam. Nun wurden die in einer Ecke versammelten vom Transport befreiten Menschen noch einmal gesiebt und schließlich, eine halbe Stunde nach Mitternacht, blieben 150 Gefangene übrig, die man vom Transport ausnahm. Als Rahm, die SS-Leute und die jüdischen Funktionäre das Geschehen verließen, war das böse Treiben aber noch nicht zu Ende. Es setzte sich am nächsten Tag fort und das Einwaggonieren dauerte vom frühen Morgen bis zum späten Nachmittag. Wieder griff Rahm ein und befreite diesen und jenen. Nicht wenige Häftlinge hielten sich versteckt und gegen 17 Uhr fehlten 120 „Teilnehmer“. Als eine Stunde später die Zahl immer noch nicht voll war, begab sich Rahm selbst auf Menschenjagd und trieb einige Unglückliche in den Zug, der schließlich mit seiner menschlichen Fracht aus dem Ghetto gezogen wurde. In die Maitransporte mußte man auch 1.200 Tuberkulosekranke stecken, die nicht in die „Verschönerungsaktion“ paßten.
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Schweizer Transport im Februar 1945 |
Als im Februar 1945 im Ghetto das Gerücht umging, die SS würde einen Transport in die Schweiz vorbereiten, glaubte niemand daran und der Ältestenrat hatte Probleme, den Transport voll zu bekommen. Alle dachten noch an das Schicksal der Bialystoker Kinder. Tatsächlich ging der Transport am 5. Februar 1945 ab; wenige Tage später bekamen Angehörige Post aus der Schweiz. Die Aktion gehörte zu den gegen Ende des Krieges zwischen den Nazis und Internationalen Organisationen ausgehandelten Freilassungsgeschäften, von denen angeblich auch Himmler wußte. Die Infos wurden von Kaltenbrunner an Hitler weitergebeben, der die Aktion sofort stoppte. Obersturmbannführer Franz Göring (nicht mit Hermann Göring verwandt) war von Schellenberg mit der Durchführung dieser Transporte beauftragt worden. Nur der Theresienstädter Transport kam durch. Franz Göring übernahm den Transport und begleitete ihn bis zur Grenze.
Die zum Schweizer Transport Aufgerufenen mußten zu C 1gehen, wo die Personalien erst aufgenommen wurden, wenn man direkt den Wunsch äußerte, zu fahren. Die Reisewilligen wurden in den Hof B V bestellt und der Dienststelle vorgeführt. Akademiker und Großunternehmer wurden ausgeschieden. Wer reisen durfte, bekam einen Stempel in den Personalausweis. Man sollte sich gut anziehen und herrichten, reichlich Lebensmittel wurden verteilt. Während der Fahrt wurden weitere Lebensmittel ausgegeben. Der Transport verließ am 5. Februar 1945, um 16.00 Uhr Theresienstadt. Bereits kurz nach Mitternacht des 6. Februars übernahm das Schweizer Militär den Zug. Vom Grenzort Kreuzlingen, wo es einen großartigen Empfang gab, trafen die Befreiten am 7. Februar abends in St. Gallen ein. Der Transport kam für die Schweizer Behörden unangemeldet. Es waren 1.200 Personen in dem Transport, durchweg alte Leute, einige pflegebedürftig. Sie wurden zunächst in verschiedenen Orten der Schweiz untergebracht, schließlich stellte man ihnen ein Haus in Vevey zur Verfügung.
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siehe auch: Situation in Theresienstadt nach den letzten beiden Transporten am
23. und 28. Oktober 1944
Ab dem 20. April 1945 erreichten Evakuierungstransporte aus anderen Lagern, oft nach wochenlangen Märschen und Fahrten, das Lager Theresienstadt und wurden aufgenommen. Dies war Teil einer Vereinbarung zwischen dem für Theresienstadt zuständigen Mitglied des Internationalen Roten Kreuzes (IRK) Paul Dunant und dem Minister K. H. Frank. Die KZ-Häftlinge kamen aus Bergen-Belsen (dieser Transport war geplant), Buchenwald und seinen Nebenlagern Flößberg, Gleina-Rehmsdorf, Meuselwitz, Raguhn, Schlieben und Tröglitz, aus dem Flossenbürger Nebenlagern Gröditz, Helmbrechts, Leitmeritz, Oederan, Penig, Scharfenstein, Wilischtal, Zschopau, Zwickau und Zwodau, aus dem Sachsenhausener Nebenlager Schwarzheide und wohl auch aus anderen Lagern.
Am 20. und 22. April 1945 kamen über 8.500, mindestens 4.200 weitere bis zum 1. Mai. Nach dem 1. Mai hat man keine genaue Übersicht mehr. Am 6. Mai nahm man noch einmal 2.000 Häftlinge auf, außerdem 600 Kriegsgefangene. Diese beiden Gruppen fehlen in den offiziellen Übersichten, da sie das Lager nach dem Verlassen der SS erreicht haben. Insgesamt dürften es 13.500 gewesen sein, dann noch etwa 1.500, die sich nach Kriegsende verlaufen haben und nicht registriert werden konnten. Unter diesen 13.500 waren noch etwa 1.500 Häftlinge, die vorher bereits einmal in Theresienstadt als Häftling waren, in den Osten deportiert worden waren und nun mit den Todesmärschen zurückkamen. Etwa 70 Personen kamen tot an.
Die Häftlinge der Evakuierungstransporte, unter denen sich eine kleine Anzahl nichtjüdischer Häftlinge befanden, kamen aus folgenden Staaten:
- Tschechoslowakei 690
- Deutschland 13
- Österreich 106
- Holland 115
- Polen 4.200
- Ungarn 5.376
- Belgien 50
- Frankreich 450
- Griechenland 80
- Großbritannien 20
- Italien 70
- Jugoslawien 450
- Luxemburg 30
- Rumänien 1.000
- USA 10
- UdSSR 800
- Sonstige 40
Vom 20. April 1945 an kamen in Theresienstadt die sogenannten Evakuierungstransporte an. Gemäß dem Bericht der Repatriierungskommission sollen auf diesem Wege 13.470 Personen nach Theresienstadt gekommen sein. Das Verzeichnis der Transporte enthält 12.903 Personen, davon 12.829 lebende.
Im Buch der Befreiten kommen 12.830 Namen vor, davon werden 16 zweimal aufgeführt. Wir müssen davon ausgehen, daß nach dem 3. Mai nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Gruppen von Häftlingen in Theresienstadt eingetroffen sind und daß auch noch nach dem 11. Mai Häftlinge nach dorthin kamen.
Nach einem Bericht von Weiss-Arons über Bergen-Belsen, Tröbitz 1945:
Anfang März 1945 kam Möhs ins Lager, um den Transport von 7.000 Personen nach Theresienstadt einzuleiten. Man erklärte ihm, daß 85 Prozent dieser Personen krank seien und die Gefahr bestünde, daß sich die Deutschen anstecken. Möhs willigte ein, den Abtransport um 4 Wochen zu verschieben. Aus diesen und anderen Berichten geht hervor, daß die ungefähre Anzahl Bergen-Belsen zwischen dem 5. und 9. April verließ und zwar in drei Transporten. Nach Theresienstadt gelangte nur einer, Ankunft am 21. April (1.712 Personen). Ein anderer (2.500 Personen) wurde am 13. April bei Fahrsleben unweit Magdeburgs von den Amerikanern befreit, ein dritter (2.400–2.700 Personen) am 23. April unweit von Tröbitz von den Russen.
Übersicht der Evakuierungstransporte nach Theresienstadt vom 20. April bis 11. Mai 1945
Datum
|
Nummer
|
Abgangsort |
lebend angekommen
|
20.4.
|
1
|
Birkenau |
1.467
|
20.4.
|
2
|
Niederdonau |
1.319
|
21.4.
|
3
|
Bergen-Belsen |
1.706
|
21.4.
|
4
|
Teplitz (Frauen) |
644
|
21.4.
|
5
|
Zeitz |
1.671
|
21.4.
|
6
|
Hainichen (Frauen) |
1.279
|
21.4.
|
7
|
Teplitz (Frauen) |
504
|
23.4.
|
8
|
Buchenwald (ü. Bauschowitz) |
918
|
23.4.
|
9
|
Buchenwald (ü. Litoměřice) |
205
|
24.4.
|
10
|
Aschersleben |
259
|
24.4.
|
11
|
Dresden (fortgesetzt am 25. 4.) |
235
|
25.4.
|
12
|
Riesa |
137
|
26.4.
|
13
|
Leitmeritz |
56
|
26.4.
|
14
|
Duderstadt (fortgesetzt am 27. 4.) |
719
|
27.4.
|
15
|
Satov bei Znaim |
190
|
27.4.
|
16
|
Leitmeritz (Männer) |
108
|
27.4.
|
17
|
Buchenwald (Männer) ü. Colditz |
377
|
29.4.
|
18
|
Markkleeberg (fortgesetzt 30. 4. und 2.-4. 5. |
699
|
30.4.
|
19
|
Berga (Gera) |
153
|
1.5.
|
20
|
Auschwitz - Dachau |
83
|
2.5
|
21
|
Lobositz |
55
|
4.5.
|
|
Einzelne (Männer) |
1
|
5.5.
|
|
Einzelne (Frauen) |
3
|
7.5.
|
|
Oranienburg |
4
|
7.5.
|
|
Gestapogefängnis Kleine Festung |
1
|
8.5.
|
|
Prag |
4
|
8.5.
|
|
Gestapogefängnis Kleine Festung |
1
|
9.5.
|
|
Leitmeritz |
1
|
9.5.
|
|
Prag |
3
|
9.5.
|
|
Clausthal |
1
|
10.5.
|
|
Prag |
1
|
10.5.
|
|
Leitmeritz |
1
|
11.5.
|
|
Einzelne |
18
|
11.5.
|
|
Leitmeritz |
1
|
Evakuierungstransporte nach Nationalitäten
Staat |
gesamt
|
Frauen
|
Männer
|
unbekannt
|
Belgien |
164
|
35
|
128
|
1
|
Bulgarien |
2
|
0
|
2
|
0
|
Deutsches Reich |
206
|
38
|
165
|
3
|
Frankreich |
524
|
161
|
341
|
22
|
Griechenland |
107
|
60
|
47
|
0
|
Großbritannien |
3
|
0
|
3
|
0
|
Holland |
106
|
55
|
48
|
3
|
Italien |
141
|
36
|
102
|
3
|
Jugoslawien |
322
|
174
|
141
|
7
|
Lettland |
75
|
0
|
75
|
0
|
Litauen |
43
|
1
|
42
|
0
|
Österreich |
55
|
22
|
33
|
0
|
Polen |
4.887
|
1.083
|
3.735
|
69
|
Rumänien |
940
|
625
|
307
|
8
|
Spanien |
8
|
1
|
6
|
1
|
CSR |
1.392
|
734
|
658
|
0
|
UdSSR |
683
|
4
|
662
|
17
|
Ungarn |
4.499
|
2.781
|
1.656
|
62
|
gesamt |
14.157
|
5.810
|
8.151
|
196
|
Am Beginn der Südstraße in Richtung Columbarium und Bohušovice befindet sich heute eine an einer Ziegelmauer angebrachte Gedenktafel, die daran erinnert, daß von dieser Stelle aus die Transporte in die Vernichtungslager des Ostens gingen.
Am Boden verläuft noch der Schienenstrang, eine Weiche ist zu sehen.
Die Gedenktafel hat Geschichte. Sie war ursprünglich dreiteilig, die linke Tafel fehlt. Sie ist das Werk des tschechischen Bildhauers Břetislav Brenda und zeigt die Verabschiedung von tschechischen Juden in Prag. Im Hintergrund kann man auf dieser Tafel die Silhouette der Karlsbrücke sehen. Ursprünglich sollte die Tafel an der Stelle in Prag angebracht werden, von der aus die Juden nach Theresienstadt deportiert wurden. Aber die tschechische Staatsführung verbot dies. Erst 1988, also ein Jahr vor der Wende, gelangten diese beiden Tafeln nach Theresienstadt und wurden hier angebracht.
Seit einigen Jahren finden an dieser Tafel jeweils im Oktober Veranstaltungen statt, die an die Transporte in die Vernichtungslager erinnern sollen. Blumen und Steine werden dann auf die Gleise gelegt.