Haas, Leo

15. April 1901 in Opava – 13. August 1983 in Berlin

Leo Haas studierte an der Kunstschule in Karlsruhe und dann bei Emil Orlik und Wilhelm Jäckel in Berlin. Nach Studienreisen nach Frankreich und Wien war er als Litograph und Porträtist in Opava tätig. 1939 wurde er in das Lager Nisko am San deportiert, von wo er im April 1940 zurückkehrte. Am 30. September 1942 brachte man ihn mit dem Transport Bm von Ostrava nach Theresienstadt. Im Ghetto war er im Zeichensaal des Technischen Büros beschäftigt. In einem umfangreichen Zyklus reportageartiger Dokumentationszeichnungen hielt er die unterschiedlichen Milieus des Ghettos Theresienstadt fest. Am 17. Juli 1944 wurde er wegen „Greuelpropaganda“ von der Gestapo verhaftet und in der Kleinen Festung eingekerkert. Am 26. Oktober 1944 wurde er zusammen mit Fritta nach Auschwitz deportiert. Später durchlief er die Konzentrationslager Sachsenhausen, Mauthausen und Ebensee. Nach dem Krieg betätigte er sich in Prag als Karikaturist und war als Professor an der Akademie in Berlin tätig.

Leo Haas berichtet:
„....Am Morgen des 17. Juli 1944 mußten wir in der Kanzlei der Gestapo antreten und wir wurden sogleich in den Keller geführt. Nach langem Warten stieß man uns in das Zimmer des Kommandanten Rahm hinein. Außer ihm waren hier der SS-Offizier Moes anwesend, sowie Günther und Eichmann. Sofort wußten wir, daß uns Schlimmes bevorsteht. Eichmann, der das Verhör eröffnete, tat so, als wäre er in tiefster Seele betroffen von den verleumderischen Beschuldigungen, die man seinen, die Juden betreffenden „Edlen Ideen“ hatte angedeihen lassen. Als Beweise zeigten sie uns zwei bis drei Zeichnungen von jedem von uns Vieren. Günther zeigte mir ein Blatt, auf dem Juden nach Kartoffelschalen suchen und fragte mich „Wie kamst du darauf, eine derart die Wirklichkeit verzerrende Zeichnung zu verfertigen? Glaubst du wirklich, daß im Ghetto gehungert wird? Die Leute vom Roten Kreuz sind keineswegs dieser Meinung gewesen.“

Dunkelheit herrschte im Keller als wir am Abend das Knarren der Bremsen hörten und gleich darauf das charakteristische Gebrüll der SS, die in den Keller stürmte und uns mit Knüffen und Schlägen in die verdeckten Lastautos hineintrieben. Dort fanden wir unsere Frauen, weinend aber glücklich bei unserem Anblick. Frittas Frau war da mit dem dreijährigen Sohn Tomáš, Frau Bloch, Frau Ungar und ihre fünfjährige Tochter. Meine Frau Erna, der Kunsthändler Strass und der Architekt Troller. Sie brachten uns in die Kleine Festung nach Theresienstadt. Ungar war der erste, der von hier nach Auschwitz geschickt wurde, während sie Bloch am Ort zu Tode prügelten. Troller kam nach Auschwitz und überlebte. Strass, ein alter Mann, verblieb einige Zeit in Auschwitz und wurde dann zusammen mit seiner Frau umgebracht. Frau Ungar und ihre Tochter überlebten die Hölle. Ungar selbst starb in Buchenwald gleich nach der Befreiung an Flecktyphus. In der Kleinen Festung verblieben Fritta und ich, unsere beiden Frauen und der kleine Fritta. Die Gestapo reichte gegen uns eine Beschuldigung ein. Die Anklage lautete auf „Greuelpropaganda“ und ihre Verbreitung im Ausland. Wir wurden nach Auschwitz überführt.

Fritta verstarb dort nach einer Woche an Blutvergiftung. Ich kam ins KZ Sachsenhausen, bis zur Befreiung im Mai 1945 (vorher Mauthausen und Ebensee). Auch meine Frau blieb am Leben, nachdem sie fast ein Jahr in einer Einzelzelle verbracht hatte, zusammen mit Frittas Sohn Tomáš. Hansi, Frittas Frau, verstarb hier infolge der schweren Bedingungen und wir adoptierten Tomáš.

Sogleich nach der Befreiung fuhren wir nach Theresienstadt und suchten nach den versteckten Zeichnungen. Wir fanden alle. Im Laufe der Zeit konnte ich sie den Augen der Welt zugänglich machen, zusammen mit den wunderbaren Zeichnungen Frittas, einigen von Ungars Arbeiten und den ausgezeichneten Skizzen von Dr. Fleischmann, Arzt in Theresienstadt, dem es gleichfalls gelang, seine Arbeiten zu retten, alles glaubwürdige Zeugenschaften über die von Eichmann und Globke geplante „Endlösung“.

Jürgen Winkel lernte Leo Haas im Sommer 1967 kennen, als er mit einer Freiwilligengruppe auf dem Gelände der Gedenkstätte Theresienstadt arbeitete. Er besuchte die Gruppe zusammen mit seiner Frau, führte sie durch das Gestapogefängnis, zeigte ihr seinen Platz in der jüdischen Zelle, erzählte von den schweren Bedingungen, seinem Freund Fritta, dem kleinen Tomáš, dem Transport nach Auschwitz, seiner Arbeit in der Fälscherwerkstatt des KZs Sachsenhausen. Haas war damals als Karikaturist tätig und wohnte in Berlin. Damals schenkte er Jürgen Winkel eine Sammlung von Drucken seiner Zeichnungen aus dem Ghetto. Heute, fast 40 Jahre später, nehmen sie einen besonderen Platz in seiner Sammlung von Zeitzeugnissen ein.

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