Ende 1943 kannten die Gefangenen das Wort „Stadtverschönerung“ noch gar nicht, Anfang 1944 war es in aller Munde. Die Aktion wurde Ende 1943 von der SS auf Drängen des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Roten Kreuzes angeordnet, da sich das Internationale Rote Kreuz (IRK) für Theresienstadt interessierte und die SS das Ghetto Theresienstadt propagandistisch nutzen wollte, um der im westlichen Ausland verbreiteten „Greuelpropaganda“ in Bezug auf die Massenmorde an den Juden entgegenzuwirken. Da Burger nicht die richtige Person für diese Aktion war, die Durchsetzungsvermögen aber auch Phantasie benötigte, wurde er im Februar 1944 durch Karl Rahm ersetzt, der zu einem Meister in der Herstellung von Potemkinschen Dörfern wurde.
In den Frühjahrstagen sah man überall in der Stadt ein von Petr Kien entworfenes Plakat hängen. Es zeigt einen verdrießlichen Mann und den Text: „Herr Cvok: Warum Stadtverschönerung? Ich geh doch eh in den Transport.“
Das Plakat sollte sagen, nur ein Narr könne sich der Stadtverschönerung widersetzen, doch es traf eigentlich die Wahrheit, warum Stadtverschönerung, wenn man anschließend doch in den Transport, in die Gaskammer gehen mußte.
Warum also Stadtverschönerung ? Um den Nazis zu einem Alibi zu verhelfen, damit sie die Weltöffentlichkeit täuschen und ihre Verbrechen weiterhin ausüben konnten. Das ist der wahre und das ist der einzige Grund.
Die „Verschönerung“, zu deren Hauptorganisator der neue Judenälteste Dr. Benjamin Murmelstein gemacht wurde, umfaßte ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die nach und nach vor allem im Laufe des ersten Halbjahres 1944 umgesetzt wurden. Man scheute keine Mühe, kein Geld, keine Arbeit, keine Anspornungen und Belohnungen, um dieses Werk zu vollenden:
- Alle Straßen und Plätze wurden hergerichtet, gewalzt, gesäubert und z.T. neu gestaltet.
- Der bisher für die Gefangenen gesperrte Stadtplatz, wo die Zelte für die „K-Produktion“ standen, wurde geöffnet, der Zaun abgerissen, der Boden gepflügt, ein prächtiger Rasen mit Wegen angelegt, und 1.200 Rosenstöcke wurden gepflanzt.
- Gegenüber dem „Kaffeehaus“ errichtete man einen Musikpavillon, der an einen Kurort erinnern sollte.
- Bänke aus Beton und mit hölzernen Sitzflächen wurden auf dem Platz, in anderen Parkanlagen und an anderen Stellen angebracht, so auf der Bastei hinter A II, die bisher nur Kinder und einige Bevorzugte hatten betreten dürfen, wie auch auf dem vorher unzugänglichen Dachgarten von E VII.
- Die Zäune an verschiedenen Stellen der Stadt wurden beseitigt und blieben bloß längs der zivilen Durchfahrtsstraße teilweise erhalten.
- In einer kleinen Parkanlage, neben E VI und E VII, richtete man einen Spielplatz für Kinder ein und baute aus Holz und Glas, damals in Deutschland eine unerschwingliche Kostbarkeit, einen Pavillon als Kleinkinderhort. Dieser Kinderpavillon wurde außen mit Tierbildern verziert und mit einer Küche, mit Brausen, Liegebettchen und anderen funkelnagelneuen Geräten ausgestattet.
Hinter dem Pavillon gab es einen lustigen Vergnügungspark mit einem Sandhaufen, Planschbecken, Karussell und anderen schönen Dingen.
- Im Turnsaal des alten Schulgebäudes (L 417) richtete man eine Kinderkrippe mit neuen Möbeln, Spielzeug und einer Rutschbahn ein.
- Bemalte hölzerne Wegweiser mit Blumenbehältern und heiteren geschnitzten Darstellungen, die das Ziel bildhaft ausdrückten, wurden auf den Straßen aufgestellt. Die Aufschriften wiesen zur Bank, > Post, Bibliothek, Feuerwehr, zum Kaffeehaus, Bad, Park, Kinderspielplatz usw..
- Fast alle Gebäude der Stadt sahen mit ihrem schadhaften Mauerverputz und der verblaßten Malerei schäbig aus. Jetzt mußte alles renoviert werden. Diese Arbeiten wurden auch in den verwahrlosten Innenhöfen durchgeführt, deren Trennmauern man bereits 1942 primitiv mit Spitzhacken beseitigt oder durchlöchert hatte. Mauern wurden abgerissen, an anderer Stelle neu erbaut und fein verputzt.
- Neben B V wurde eine Baracke errichtet, die als Speisehalle dienen sollte, in der man das Essen auf Tellern serviert bekam. Die Ausgabestellen der Küchen wurden verbessert.
Die Inneneinrichtung der Häuser, die von der Kommission besucht werden sollten, wurden verbessert, also vor allem die der „Prominenten“, der leitenden Funktionäre, der Dänen und Holländer. Das Krankenhaus E VI und das „Siechenheim“ L 504 kamen in den Genuß der Verbesserungen.
- Die Räume der zu ebener Erde liegenden Wohnungen, die von der Kommission zwar nicht besucht werden, aber an denen sie vorbei kommen sollten, wurden geweißt. Einfache Möbel wurden aufgestellt. An den Wänden hingen Bilder (die man zuvor Prager Juden geraubt hatte) und auf den Tischen standen Vasen. Bunt bemalte Lampenschirme tauchten auf, an den Fenstern wurden Vorhänge angebracht.
- Immer wieder kamen Kommissionen, um den Fortgang der Arbeiten zu kontrollieren, Änderungen vorzuschlagen.
- Die Bevölkerung wurde umquartiert.
- Die Bank wurde mit einem verräterischen Luxus ausgestattet, dem Direktor ein riesiger Schreibtisch und eine Klubsesselgarnitur in das Büro gestellt. Alle Geschäftsräume wurden renoviert.
- An der Post, den Geschäften, der Bücherei usw. wurden Dekorationsschilder angebracht, die von den Theresienstädter Künstlern im Technischen Büro hergestellt werden mußten.
- Die Jugendheime bekamen eine neue Einrichtung und wurden gesäubert und gestrichen.
- Die Villa, die zwischen der Stadt und den Totenhallen am großen Graben lag und die bisher vom Leiter der Landwirtschaft bewohnt worden war, wurde in ein Erholungsheim für tuberkulöse Kinder umgewandelt.
- Die Kanzleien der Leitung in B V wurden mit hübschen, im Lager gebauten Möbeln eingerichtet.
- Ein Preisausschreiben sollte Namen für einige Plätze finden, für die man bisher nur militärische Bezeichnungen hatte. Die Jury war mit dem am 9. April 1944 veröffentlichten Ergebnis nicht zufrieden, gab jedoch einige der Preise ab. Das Dach von E VII hieß nun „Egerplatz“, die Bastei hinter A II stolz „Südberg“, auf dem Sportplätze und Spazierwege angelegt wurden.
- Der Betrieb im „Zentralbad“ wurde geregelt und eine für die Paketausgabe gebaute Baracke als Garderobe eingerichtet.
- Die Bibliothek übersiedelte aus den engen Räumen in L 304 in das Haus des ehemaligen Kinos „Orel“ (L 514), wo genügend Platz zur Verfügung stand.
- Aus dem alten Kinosaal des „Orel“, der bisher für alte Menschen als Elendsquartier verwendet wurde, schuf man jetzt einen lichten Konzert- und Theatersaal, der hauptsächlich von der „Jugendfürsorge“ verwendet wurde. Damit war neben dem Rathaussaal, der schon ein Jahr zuvor umgestaltet worden war, eine zweite repräsentative Stätte geschaffen worden.
- Die Sokolhalle gegenüber den Westbaracken wurde mit erheblichen Unkosten als „Gemeinschaftshaus“ adaptiert. Bisher war es als Typhusspital und Siechenheim genutzt worden und durfte nur mit einem Durchlaßschein besucht werden. Nun wurde der Gendarmerieposten verlegt, die Sokolhalle ghettoisiert. Das dort befindliche Kino wurde in einen Saal für Konzerte, Theateraufführungen und Vorträge umgebaut, auf die Terrasse stellte man Tische und Stühle. Ein kleiner Saal wurde als Volkslesehalle mit einer Handbücherei ausgestattet.
- Selbst die Toten wurden nicht vergessen. Die Zeremonienräume der Leichenhallen sahen jetzt ordentlich aus, mit hebräischen Inschriften bemalt und mit einem schwarzen Podium für den Vorbeter. Zur Teilnahme an den Begräbnissen benötigte man keine Durchlaßscheine mehr, weil nun dieser kurze Weg am Stadtrand frei zugänglich war. Die Leichen wurden nicht mehr in einem offenen Stellwagen zur Leichenhalle gefahren: es wurde ein großer und etwas unförmiger Leichenwagen gebaut. Gegenüber der Leichenhalle wurde in den Kasematten ein Urnenhain angelegt.
- Der Name „Ghetto“ wurde abgeschafft und durch „jüdisches Siedlungsgebiet“ ersetzt, aus der Kommandantur war „SS-Dienststelle“ geworden. Aus der „Ghettowache“ wurde „Gemeindewache“, aus der „Transportnummer“ wurde die „Kennummer“. Die Gefangenen wurden nicht mehr als Belegschaft bezeichnet, sondern als „Einwohner“, der > Judenälteste war nun „Bürgermeister“, aus dem „Tagesbefehl“ wurde plötzlich die „Mitteilung der Selbstverwaltung „ (MdS)
- Am 6. März 1944 wurde die „Grußpflicht“ abgeschafft, die Ausgeherlaubnis bis 22.00 Uhr ausgedehnt.
Das Ghetto war präpariert, als am 23. Juni die > Kommission eintraf.
Rundschreiben der Abt. für innere Verwaltung und Gebäudeleitung
vom 18. bis 25. März 1944
Folgendes Rundschreiben der oben genannten Abteilung belegt die „Theresienstädter Wohnkultur“ zur Zeit der „Verschönerungsaktion“:
Brennende Müllkisten
In der letzten Zeit mehren sich die Fälle, daß die Müllkisten in Brand geraten, weil ungelöschte Asche hineingeworfen wird. Die Insassen der Häuser sind entsprechend zu belehren, daß heiße Asche erst nach Ablöschen in die Müllkisten kommen darf. bzw. daß sie den Hausältesten sofort verständigen müssen, falls aus einer Müllkippe Rauch emporsteigt.
Ablagerung von Schmutz, Müll usw.
Es wird ständig festgestellt, daß auf verschiedenen Stätten des Ghettos Müll, zerrissene Matratzen, Ziegel, Steine usw,. abgelagert werden. Es wird neuerlich darauf aufmerksam gemacht, daß es strengstens verboten ist, anderswo als auf den Ablagerungsstätten zur Verbrennung bestimmte Gegenstände abzulagern.....
Altmaterial
Nach der intensiven Altmaterialabfuhr während der Reinigungswoche dürfte es voraussichtlich nicht mehr zu Anhäufungen in den Gebäuden und Häusern kommen. Sollten wider Erwarten auf Böden, Kellern oder ähnlich entlegenen Orten neuerdings größere Mengen Altmaterial gefunden werden, sind sie – falls die vorhandenen Behälter nicht ausreichen – am Orte zu belassen und bei der nächsten Abholung der Mannschaft zu melden. Sonderabholungen werden wahrscheinlich in der nächsten Zeit nicht möglich sein. <#špatný link#>Quelle: 372)