Bank der Jüdischen Selbstverwaltung

Die Bank der Jüdischen Selbstverwaltung in Theresienstadt kann schon als Kuriosum bezeichnet werden. In keinem anderen KZ und in keinem anderen von der SS eingerichteten Ghetto gab es eine jüdische Bank und von ihr herausgegebene Geldnoten. Wie viele andere Dinge auch war die Einrichtung der Bank Teil des großen Täuschungsmanövers, mit dem die Kommission des Internationalen Roten Kreuzes und die Weltöffentlichkeit getäuscht werden sollte.

Im Herbst 1942 teilte die SS-Lagerkommandantur dem Ältestenrat mit, daß eine Bank zu errichten sei, die nach ausgearbeiteten Statuten eigenes Lagergeld ausgeben, den Notenumlauf kontrollieren und für die Geldschöpfung sorgen sollte. Eine Tabelle sollte in fünf Tarifen die Bezüge der Ghettobewohner regeln und zwar vom Judenältesten bis hinunter zum nicht arbeitenden ältesten ´Betreuten. Jeder Lagerinsasse war mit Bargeld zu versorgen. Rund der doppelte Betrag dieser monatlich auszuzahlenden Bezüge sollte einem Sparkonto ohne jegliche Entnahmemöglichkeit gut gestellt werden. Jeder Lagerinsasse war verpflichtet, die bei ihm verbleibende Sparkarte ständig bei sich zu tragen, um einem fragenden Funktionär sofort über die Höhe der auf dieses Konto gezahlten Beträge Auskunft geben zu können. Dr. Ludwig Hift aus Wien wurde mit dem Organisationsplan beauftragt. Nachdem der von ihm vorgelegte Plan von der SS-Kommandantur genehmigt worden war, wurden auf dem Marktplatz Ladengeschäfte eröffnet, deren Schilder hochtrabend „Herrenkleider“ oder „Damenkleider“ anpriesen. Dort konnten sich die Lagerinsassen nun gegen Lagergeld all die Sachen kaufen, die ihnen bei der Ankunft im Ghetto abgenommen worden waren. Bisher hatte man sie durch eine Verteilerstelle unentgeltlich bekommen. Nebenan wurde ein Kaffeehaus eröffnet. Dort konnte man ebenfalls gegen Lagergeld ein schwarzes Gesöff erwerben, das man Kaffee nannte, allerdings nur, wenn man einen Platz bekam. Für die Benutzung der Brause, die vorher ebenfalls unentgeltlich war, mußte man nun bezahlen. Bezahlen mußte man jetzt auch die Eintrittskarten zu den Kulturveranstaltungen.

Zur Bewältigung dieses Bankgeschäftes mußten 50.000 Konten eingerichtet und monatlich 50.000 Buchungen vorgenommen werden. 50.000 handschriftliche Eintragungen auf die Sparkarten waren notwendig. Ein Stab von 50–60 Mitarbeitern wurde von der SS genehmigt. Im März 1943 kamen aus Brünn die Durchschreibeplatten samt Kontokarten, aus Bohušovice die Sparkarten und im April die schweren Kisten mit den Notengeld. Die Banknoten zeigten einen Moseskopf nach dem Muster des Litzmannstädter Lagergeldes, zum anderen entsprachen sie den Entwürfen der technischen Abteilung der jüdischen Selbstverwaltung. Sie waren von der Prager Nationalbank-Druckerei hergestellt worden. Insgesamt handelte es sich um 53 Millionen Nominale Lagergeld, die als Quittung auf Kronen lauteten und deren Stückelung 1,2,5,10,20,50 und 100 Kronen betrug. Zum obersten Leiter der Bank wurde der in der ganzen Welt bekannte zionistische Funktionär und letzte Präsident der Wiener Kultusgemeinde Dr. Desider Friedmann bestellt, um die Seriösität all dessen, was in Theresienstadt geschah, vor aller Welt unter Beweis zu stellen.

Die eigentliche Geschäftsleitung bestand aus Dr. Stefan Popper (vorher Vorstandsmitglied der Böhmischen Escomptebank und Creditanstalt, Prag), dessen Stellvertreter Dr. Ludwig Hift war, Herrn Karel Waigner (früher Direktor der Legiobank Prag) und Dr. Ludwig Waller (früher Syndikus der Deutschen Bank, Berlin).

Am 12. Mai 1943 konnte die Bank im Theresienstädter Rathaus ihre Schalter öffnen. Wegen des Massenbetriebes war die Organisation ziemlich einfach und erlaubte eine rasche Ausführung der Barauszahlungen, der Konten- und Sparkartengutschreibungen. Auf jeder Kontokarte war der monatlich gutzuschreibende Betrag vermerkt. Die Blockältesten sammelten die Sparkarten ein und legten sie der Bank mit den Veränderungen im Status (vom Jugendlichen in den Arbeiterstand, vom Arbeiter zum Rentner oder Invaliden) vor. Die auszuzahlende Summe wurde kontrolliert, die Sparkarte auf den neuesten Stand gebracht und nach wenigen Tagen waren Geld und Sparkarte abholbereit und konnten wieder an die einzelnen Häftlinge verteilt werden. Die Höhe der Barbeträge bewegten sich zwischen 50 und 250 Kronen monatlich, die Gutschriften auf den Sperrkonten betrugen zwischen 50 und 400 Kronen. Daneben gab es noch „freie Einlagen“.

Besonders interessant waren die Überweisungen von Geldbeträgen von außen an die Lagerleitung zugunsten von Lagerinsassen. Sie waren nach außen hin erlaubt und haben wesentlich zur Errichtung der Bank beigetragen. Diese von der Lagerleitung bekanntgegebenen Beträge wurden den Häftlingen nicht in bar ausgezahlt, sondern dem Sperrkonto gutgeschrieben.

Es wurden Monatsbilanzen erstellt, die der Lagerleitung übergeben und dann nach Prag und Berlin weitergeleitet wurden. Wiederholt wurden die „Bankgeschäfte“ von einem Berliner Wirtschaftsprüfer kontrolliert.

Der Notenumlauf belief sich zeitweilig (Höchststand) auf rund 18 Mill. Kronen, sank dann aufgrund der verminderten ´Einwohnerzahl´ auf rund 7 Mill. im Jahre 1945.

Der Rückfluß des Geldes erfolgte nicht nur durch die ´Losungen´ (Auslösung) der Geschäfte, des Kaffeehauses und durch die Eintrittsgelder der Veranstaltungen im Kulturbereich. Jeder, der das Lager mit einem Transport verließ, mußte sein Bargeld und seine Sparkarte abliefern. Die Mitnahme von Lagergeld außerhalb des Lagers war bei strengen Strafen verboten. Deswegen wurden die außerhalb der Ghettomauern eingesetzten Arbeitsgruppen nach Lagergeld durchsucht.

Da aber die mit einem Transport Abgehenden ihren Barbesitz in vielen Fällen nicht ablieferten, sondern an Verwandte und Freunde verteilten, stieg die Kopfquote schließlich auf 700 Kronen. Von einer Kaufkraft des Geldes innerhalb des Lagers konnte - zumindest im eigentlichen volkswirtschaftlichen Sinne - keine Rede sein.

Von den Insassen wurde die Bank deswegen auch nicht ernst genommen. Sie diente der SS dem Ausland gegenüber als fadenscheiniges Argument. Dieses ´Bank-Spielen´ ging so weit, daß schließlich ein siebenköpfiger Aufsichtsrat gegründet wurde, dem der in Theresienstadt verstorbene ehemalige Präsident der Vereinigten Elektrizitätsgesellschaft Wien, Ing. Ernst Egger, der frühere geschäftsführende Direktor der Niederösterreichischen Escomptegesellschaft, Felix Stránský und der frühere französische Handelsminister und Bürgermeister von Le Havre Léon Meyer angehörten.

Die Bank spielte bei der Verschönerungsaktion und bei den Besuchen der Rote-Kreuz-Kommissionen eine wichtige Rolle. Die leitenden Herren der Bank mußten vor den Kommissionsmitgliedern einen vorgeschriebenen Vortrag über die Bedeutung der Bank und das wirtschaftliche Leben des Lagers, über den Umlauf, die Abschöpfungsquellen und über die Deckung des Geldes halten. Der Direktor der Bank mußte auch erklären, daß bei der Drucklegung des Geldes ein hoher Betrag für den „Auswanderungsfonds Böhmen und Mähren“ als Deckungsreserve zur Verfügung gestellt wurde. Der Direktor der Bank wurde übrigens während der Kommissionsbesuche mit einem Mercedes durch die Stadt gefahren. Als Fahrer fungierte der SS-Mann Haindl.

In dem unter der erzwungenen Regie Kurt Gerrons gedrehten Propagandafilm wurden mehrere Szenen in der Bank gedreht. So sah man unter anderem sich vor den Schaltern der Bank drängende Sparbuchbesitzer, einen „Goldregen“ von durcheinander wirbelnden Geldscheinen und so fort. Im Februar 1945, als auch die SS den Krieg für verloren ansah, mußten sämtliche Karteikarten (Sperrkonten und freie Konten) und sämtliche Unterlagen der verstorbenen oder abtransportierten Lagerinsassen mit dem falschen Stichtag 31. Dezember 1944 bei der Lagerkommandantur abgeliefert werden. Die Forderung nach Ablieferung der Unterlagen wurde nicht selten mit vorgehaltener Pistole erzwungen. Tagelang brannten die Feuer, in denen die wichtigen Unterlagen vernichtet wurden. So sank der Stand der Sperrguthaben von 100 Mill. auf 20 Mill. Kronen.

So war die Situation, als im Mai 1945 das Internationale Rote Kreuz das Lager übernahm. Der Leiter der Bank, Dr. Friedmann, war ebenso wie die Direktoren Dr. Popper und Dr. Walter nach Auschwitz deportiert worden, wo sie umkamen. Am 9. Mai 1945 stellte die Bank ihre Arbeit ein.

Die erst jetzt mögliche Einsicht in die Akten ergab jedoch, daß der aus beschlagnahmtem jüdischen Vermögen gebildete „Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren“ über derartig große Mittel verfügte, daß einer Auszahlung der gesperrten 20 Mill. Kronen in echten tschechoslowakischen Kronen nichts im Wege stand. Auf Antrag der Bankleitung, die nun aus Dr. Wagner und Dr. Hift bestand, wurde im Einvernehmen mit den tschechoslowakischen Behörden beschlossen, die Sperrguthaben zu 75 Prozent auszuzahlen. Die restlichen 25 Prozent sollten den Häftlingen zukommen, die Auschwitz überlebt hatten und mit deren Rückkehr man rechnete. Die wenigen hundert Personen, die sich von Mitte Mai bis Mitte August 1945 bei der Bank als Rückkehrer meldeten, ebenso wie die 10.000 im Lager verbliebenen Personen, konnten nach Identifizierung immer 1.000 bis 5.000 Kronen in Emfpang nehmen, wodurch sie von ersten materiellen Sorgen befreit waren.

Finanzierung des Ghettos

Quellen

  • 52
    52. Rudolf Iltis (Rd.) , Theresienstadt Europa-Verlag, , Wien 1968 , S. 178ff.

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