Gerron, Kurt

1897 – 1944

Gerron wurde in Berlin als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Er zählte zu den bekanntesten deutschen Schauspielern der zwanziger Jahre, wurde vor allem als Interpret agitatorischer und politischer Lieder bekannt und trat in Kabaretts auf. Sein schwammiges, unvorteilhaft wirkendes Gesicht, die übergewichtige unproportionierte Figur und seine hektischen Bewegungen ließen ihn komisch oder zwielichtig erscheinen. Vor allem Regisseure, die auf ein stimmiges Ensemble Wert legten, wußten seine Begabung für exakt skizzierte Profilgebung richtig auszunützen: E. A. Dupont („Varieté“, 1925), Richard Oswald („Dr. Bessels Verwandlung“, 1927) und Josef von Sternberg („Der blaue Engel“, 1930).

Bei der Uraufführung von Brechts „Dreigroschenoper“ im Jahre 1928, die einen Theaterskandal auslöste, spielte Gerron die Rolle des „Tiger-Brown“.

Gerrons Durchbruch zum Hauptrollenträger bahnte sich 1929 an. Im Zusammenspiel mit Siegfried Arno brillierte er als Grotestkomiker in „Aufruhr im Junggesellenheim“ (1929) und „Wir halten fest und treu zusammen“ (1929), die als erste Folgen einer Serie ("Beef and Steak") geplant waren, deren Fortsetzung aber durch das Aufkommen des Tonfilms unterblieb.

1933 mußte der jüdische Schauspieler und Regisseur Deutschland verlassen. Er flüchtete nach Paris, fand aber keinen Anschluß an die französische Filmproduktion. Auch in Österreich, wo sich inzwischen die Filmindustrie dem Diktat der deutschen Reichsfilmkammer beugte und jüdische Künstler boykottierte, stieß er nur auf Schwierigkeiten. Schließlich emigrierte er nach Holland, wo er über längere Zeit als Künstler arbeiten konnte. In den Niederlanden wurde er 1943 in Westerbork interniert. Die SS bediente sich der Lagerkunst. Der Kommandant vonn Westerbork ließ „seine Puppen tanzen“, eine Bühne bauen, eine Schneiderei einrichten und ein Orchester gründen. „Im weissen Rößl“ gab es da jeden Montag und dienstags ging der Transport ins Vernichtungslager. Am 25. Februar 1944 kam Gerron in das Ghetto Theresienstadt. Bereits in Westerbork hatte er sich als Kabarettist betätigt.

Im „Wartesaal des Todes“, im Ghetto Theresienstadt, gründete Gerron das Kabarett „Karussell“. Im Erkennungslied heißt es:“ Wir reiten auf hölzernen Pferden/ und werden im Kreise gedreht“. Das war mehr als Jokus und doch nicht mehr als die SS zuließ.

Theresienstadt war das Vorzeigeghetto der Nazis. Kurt Gerron wurde beauftragt, einen Film über das Lagerleben zu drehen. Geplanter Titel: „Theresienstadt - ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet". Häftlinge mußten Statistenrollen einnehmen und in Szenen mitwirken, die deutlich machen sollten, wie gut es den Juden in Theresienstadt doch ging. Gerron machte sich wohl Hoffnungen, über die Arbeit an diesem Film um den Transport in den Osten herumzukommen und überleben zu können. Zusammen mit allen anderen Akteuren des Films, der in Fragmenten erhalten geblieben ist, wurde er im Herbst 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Er soll zuletzt vor einem offenen Waggon in Theresienstadt gesehen worden sein: Er lag vor einem SS-Mann auf den Knien: Für ihn habe er doch den Film gemacht. Die Antwort war ein Tritt mit dem Stiefel.

Quellen

  • 686
    686. www.cine-holocaust.de/mat/fbw000812dmat.html
  • 687
    687. Rudolf Iltis (Rd.) , Theresienstadt Europa-Verlag, , Wien 1968 , S. 194ff.

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