Das Lager Westerbork wurde 1939 von den holländischen Behörden angesichts der großen Flüchtlingsströme als Auffanglager für deutsche Juden eingerichtet.
Nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande 1940 wurden auch die Juden Hollands von den Nazis verfolgt. Besonderer Verfolgung ausgesetzt waren auch die deutsch-jüdischen Emigranten, die Zuflucht in Holland gesucht hatten. Kurt Gerron z. B. war einer von ihnen. Im Jahre 1942 übernahmen die Nazis das Lager und funktionierten es um zu einem Durchgangslager für alle holländischen Juden und alle deutsch-jüdischen Emigranten. Von 1942 bis 1944 verließen 93 Transporte das Lager in Richtung Osten. Von den 107.000 Deportierten überlebten nur etwa 5.000 die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen, dem „Protektorat“ und Deutschland.
Anne Frank war zwischen dem 7. August 1944 und dem 3. September 1944 in der Strafbaracke des Lagers interniert. Sie wurde über Auschwitz Ende Oktober 1944 in das KZ Bergen-Belsen gebracht, wo sie im März 1945 kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers an Typhus starb.
Einige der das Lager in Richtung Osten verlassenden Transporte gingen nach Theresienstadt. Ich nehme an, daß von den in Theresienstadt aus Holland eintreffenden Transporten all die aus Westerbork kamen, die mit XXIV gekennzeichnet sind.
Folgende Transporte kamen zwischen 1943 und 1944 aus Holland im Ghetto Theresienstadt an :
Insgesamt sind 4.891 Personen aus Holland nach Theresienstadt deportiert worden.
Im Juli 1942 wurde das „Polizeiliche Durchgangslager Westerbork“ gegründet. Nach zwei Kommandanten, die jeweils nur kurz Dienst taten, übernahm Obersturmbannführer Konrad Albert Gemmeker das Kommando über das Lager. Gemmeker knüpfte eher Kontakte zu deutschen Juden, hegte gegenüber den holländischen Juden eine ausgesprochene Abneigung. Deutsche Juden, die z. T. schon mehr als drei Jahre im Lager waren, saßen in den führenden Positionen und sie waren den holländischen Juden nicht gerade wohlgesinnt, waren es doch die Holländer gewesen, die sie ins Lager gebracht hatten. So entschieden in der Regel die alten deutschen Lagerinsassen, wem welche Arbeit zugeteilt wurde und wer in die sogenannte „Stammliste“ eingetragen wurde und somit vor Transporten geschützt war. Durch diese Spaltung der Häftlinge gelang es den Deutschen, die holländischen Juden ohne Zwischenfälle zu deportieren. Es gab verschiedene Gruppen von Häftlingen, deren Mitglieder sich hatten „sperren“ lassen und viele Häftlinge waren nur darauf aus, eine möglichst sichere „Sperre“ (d. h. Schutz vor Transport) zu erhalten.
Die Entscheidung über Transportstärke und Bestimmungsort fiel im Amt IV B4 im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in Berlin. Sie wurde dann dem BdS in Den Haag mitgeteilt, deren Leiter, Wilhelm Zöpf, den Transport zusammenstellen musste. Dieser informierte den Kommandanten Gemmeker, der die eigentliche Zusammenstellung des meistens aus 1.000 Personen bestehenden Transportes den Häftlingen überließ. In der Regel informierte Gemmeker den „ersten Dienstleiter“ Arthur Schlesinger, der dann die Verwaltung zusammenrief, zsammen gingen sie dann zu Gemmeker und berichteten ihm von den „Sperren“. Gemmeker suchte dann aus den Häftlingsgruppen ohne Sperre eine Anzahl von Häftlingen aus. Manchmal wurden alle Ungesperrten deportiert, manchmal wurde eine Sperre auch aufgehoben und die Gesperrten kamen ebenfalls in den Transport.
Einige Häftlinge mit einer Sperre erhielten ab 1943 die Möglichkeit, mit einem Transport nach Bergen-Belsen (was ebenfalls als Vorzugslager galt) oder nach Theresienstadt zu gehen. Entschieden wurde über die Ansprüche von einer Angestellten des IVB4, einer Frau Gertrud Slottke. Nach Bergen-Belsen fuhren acht Transporte mit 3.751 Menschen, die überwiegend über Palästina-Austauschpapiere oder eine „Diamanten-Sperre“ verfügten. Die Kategorie, die für Theresienstadt in Frage kam, war breiter als die für Bergen-Belsen: Häftlinge mit Kriegsauszeichnungen, Häftlinge mit Friedensverdiensten, herausragende Persönlichkeiten. Eine besondere Rolle bildeten die jüdischen Mitglieder der holländischen Nationaal Socialistische Beweging (NSB), die es im Gegensatz zur NSDAP bis 1936 abgelehnt hatte, jüdische Mitglieder (ca. 150) auszustoßen. Dies wurde erst im Oktober 1938 und dann gegen den Willen des Vorsitzenden Mussert beschlossen. Mussert kümmerte sich auch nach der deutschen Okkupation um diese Menschen. Etwa 20 Juden wurden im Osten des Landes interniert, unter ihnen auch Jo Spier und dessen Familie, der zwar kein Mitglied des NSB war, dessen Zeichnungen aber von Mussert bewundert wurden. Die 295 Personen des ersten Transportes, zu denen auch die Mussert-Leute gehörten, wurden Anfang März mit Personenwagen II. und III. Klasse nach Theresienstadt deportiert. Unter ihnen waren auch Ehepartner nicht mehr existierender Mischehen. Dieser Transport, wie auch die nächsten, waren mit Eichmann abgesprochen. Die Nachricht verbreitete sich schnell, daß Theresienstadt eine gute „Alternative“ zu den Transporten nach Polen war und immer mehr Menschen bemühten sich um einen Platz in Theresienstadt. Mit dem zweiten Transport fuhren auch Häftlinge der von Gemmeker aufgestellten „Stammliste“, auf der sich hauptsächlich gutgediente Häftlinge befanden, die dadurch „belohnt“ werden sollten. Auf Einspruch der Gestapo musste Gemmeker die Transportliste jedoch revidieren und stattdessen ehemalige Frontsoldaten deportieren lassen. Mit dem dritten Transport fuhren dann jedoch im Wesentlichen „Altgediente“. Eine weitere Kategorie für Theresienstadt waren Kinder, deren Eltern bereits in Theresienstadt waren. Der vierte, eigentlich für Theresienstadt bestimmte Transport, wurde nach Bergen-Belsen umgeleitet (14. September 1943), weil Theresienstadt überfüllt war. Drei Monate blieben die Häftlinge in Bergen-Belsen, bevor der Transport nach Theresienstadt weitergeleitet wurde. Dabei wurden einige der aus Westerbork gekommenen Häftlingen in Bergen-Belsen belassen, andere Häftlinge in den Transport eingereiht.
Später wurden Mitglieder des Amsterdamer Joods Raads und Kinder verdienter Häftlinge (wie Ärzten) auf die Theresienstadt-Listen gesetzt. Es hat den Anschein, daß die Transporte und die Häftlingskategorien ab September 1943 nicht mehr ausschließlich von Eichmann vorgegeben, sondern von Den Haag aus dirigiert wurden. Unter Ausweitung der Kategorien wurde am 18. Januar 1944 ein weiterer Transport nach Theresienstadt geschickt. Dieser Transport ging in Personenwagen III. Klasse ab. Jetzt waren ein Großteil der Stammliste (auch „Tausenderliste“ genannt) nach Theresienstadt deportiert worden. Andere Gruppen unter den Häftlingen gewannen jetzt an Einfluss und konnten z. B. wie der Judenratsangestellte Curt Blüth dafür sorgen, daß junge Hechalutzmitglieder vorrangig nach Theresienstadt und nicht in den Osten deportiert wurden. Unklar war eine Zeitlang, was mit einer Gruppe von „portugiesischen“ Juden geschehen sollte. Während einige in den Osten deportiert wurden, gingen 308 in einen Transport nach Theresienstadt. Von ihnen wurden bei Kriegsende 23 befreit, 17 Personen waren zuvor mit dem Ew-Transport in die Schweiz entkommen.