Post im Ghetto
zu Postverkehr im Gestapogefängnis Kleine Festung
Über Jahrhunderte hinweg wurde die Post als eine Institution gesehen, die die Beförderung von schriftlichen Informationen und Mitteilungen besorgt. Somit hatte die Post als für lange Zeit einziges Kommunikationsmittel einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung unserer Zivilisation.
Die Nationalsozialisten haben während des Holocaust ihre ursprüngliche Funktion missbraucht und die Post zu einem wichtigen Instrument der Unterdrückung und der Nazipropaganda gemacht.
Die schrittweise Einschränkung im Verhältnis zur Post betraf die Juden bereits vor ihrer Deportation in die Ghettos und Vernichtungslager. Aufgrund der Regierungsverordnung über die Rechtsstellung der Juden im Protektorat vom 4. Juli 1939 durften die Juden in keiner Einrichtung des öffentlichen Rechts angestellt sein, also auch nicht bei der Post. Eine größere Anzahl von jüdischen Mitarbeitern der Post war davon betroffen. Durch einen Erlass des Finanzministeriums vom 23. Januar 1940 im Sinne des Devisengesetzes (Regierungsverordnung 155/1939) wurden die Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ausgesondert und infolgedessen auch von den Banken und Sparkassendiensten der Post ausgeschlossen. Bereits 1939 mussten sie ihre Rundfunkgeräte abliefern und von Januar 1941 an wurden sie (bis auf wenige Ausnahmen) vom Telefonbetrieb ausgeschlossen. Sie durften auch keine öffentlichen Fernsprecher benutzen. Vom 25. August 1941 an durften Juden in den Städten wie Prag nur ein kleines, meist abseits liegendes Postamt benutzen und dies auch nur nachmittags bis 17.00 Uhr. Ab Herbst 1941 begann die Protektoratsverwaltung den Postverkehr für Juden ausschließlich auf der Grundlage der Weisungen reichsdeutscher Behörden zu behandeln. Die Einschränkungen für die Protektoratspost machte sich vor allem im internationalen Verkehr bemerkbar, wo ihr keine selbständige Tätigkeit mehr gestattet war.
Nach dem Auszug der tschechischen Zivilbevölkerung aus Theresienstadt galt als postalische Adresse nur noch der deutsche Name, obwohl Theresienstadt auf Protektoratsgebiet lag und seit dem 18. September 1939 für dieses Gebiet die zweisprachige amtliche Postbezeichnung angeordnet war.
Die Postverbindungen aus dem Ghetto und ins Ghetto waren ausschließlich in der Kompetenz der Theresienstädter SS-Kommandantur und ihrer vorgesetzten Dienststellen in Prag und Berlin. Von hier ergingen alle Weisungen zur Bewilligung oder zum Verbot des schriftlichen Verkehrs mit den Häftlingen und später des Paket- und Päckchenverkehrs und diese galten nicht nur für Juden im Sinne der Nürnberger Rassegesetze, sondern für alle Bewohner des Protektorats, die über die Regeln dieses Postverkehrs mittels eines Postmerkblattes informiert worden waren.
Im Ghetto war es die jüdische Selbstverwaltung, die als Exekutivorgan die Weisungen der SS-Kommandantur ausführte und eine Postabteilung einrichtete.
Die Anzahl der in dieser Abteilung beschäftigten Häftlinge richtete sich danach, in welchem Ausmaß der Postverkehr freigegeben war. Waren es anfangs nur wenige, wuchs ihre Zahl nach Genehmigung des Brief-, Päckchen- und Paketverkehrs auf über 200 an. Zur Zeit des Aufbaus der jüdischen Selbstverwaltung war die Post als Unterabteilung in die Abteilung III der Inneren Verwaltung eingereiht, die Dr. Egon Popper leitete. Die Unterabteilung Post wurde von Dr. Karel Lagus geleitet. Diese Unterabteilung war in die Gruppe „Post“, zu der die „Postzentrale“ und die „Zensur“ gehörten, und in die „Zustellzentrale“ eingeteilt. Die Zustellzentrale war für die Lokalpost innerhalb von Theresienstadt zuständig. Nach der Erweiterung des Ghettos auf den gesamten Stadtbereich wurden in einzelnen Blocks und Gebäuden Außenstellen eingerichtet (Herbst 1942). Bis Kriegsende änderte sich die Struktur der Post mehrfach. Die Zentrale der Post für den Briefverkehr wurde in Block Q 619 eingerichtet, für den Päckchenverkehr entstand eine 2. Zentrale im Zweiten Saal des Gebäudes der ehemaligen Rüstkammer (HIV), wo Postsendungen ausgegeben wurden. Vom 26. März 1943 an wurde in der Rüstkammer auch die Briefzentrale installiert. Im Februar 1943 wurde hier zusätzlich eine Paketausgabestelle eingerichtet. Im August 1943 zog die Post in die Parkstraße 12 und im November 1943 in die Hauptstraße 14 um.
Am 15. April 1943 wurde Philipp Kozower (1894-1945), ein Jurist, der bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt im Januar 1943 Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde in Berlin und auch der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland war, zum Leiter der Post ernannt. Er kam im Herbst 1944 in Auschwitz um.
Bei der offiziellen Ernennung Benjamin Murmelsteins zum Judenältesten am 13. Dezember 1944 kam es zu der letzten bekannten Änderung auf den Stellen der einzelnen Abteilungsleiter. Die Postzuteilung unter der Bezeichnung E 3 in der Hauptstraße 14 führte Moritz Henschel (1879-1946), Jurist und letzter Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Berlin, der nach seiner Deportation nach Theresienstadt Mitglied des Theresienstädter Ältestenrats wurde. Henschels Stellvertreter war Leopold Tintner. Die Briefpost E 31 leitete Rudolf Gratum, ebenso wie die Postzensur E 3101. Die Unterabteilung E 3102-Zustelldienst leitete Kurt Tintner, die Paketpost E 32 leitete Moritz Henschel, die Unterabteilung E 3102 Mano Fischer, die Kartei- und Kontrollabteilung E 3103 Dr. Oskar Goetz. Die Post beschäftigte zu dieser Zeit 87 Häftlinge, Männer sowie Frauen, davon waren 43 in der Administrative und 44 im Betrieb angestellt.
Bereits am 25. November 1941 verhandelten die Vertreter der jüdischen Kultusgemeinde Prag mit dem zum Kommandanten ernannten SS-Hauptsturmführer Siegfried Seidl. Nun wurde ein eingeschränkter Postverkehr unter der Bedingung erlaubt, sofort eine Zensur einzuführen, die für die Unbedenklichkeit im Sinne deutscher Interessen verantwortlich sein sollte. Sie wurde bereits vom provisorischen Lagerkommandanten, Sturmbannführer Richard Skarabis eingeführt. Es war nur erlaubt, auf Postkarten und in deutscher Sprache zu schreiben. Die gleichen Regeln galten für die Postkarten ins Ghetto, die über die Jüdische Kultusgemeinde in Prag zugestellt wurden.
Am 1. Dezember 1941 wurde die Postverbindung mit Ausnahme des schriftlichen Verkehrs zwischen den Behörden untersagt. Amtliche Korrespondenzen mussten vom Judenältesten unterschrieben sein und über die Lagerkommandantur laufen. Das Verbot sollte vier Wochen gelten, wurde jedoch erst Anfang Februar widerrufen. Das Verbot erstreckte sich auch auf den inneren schriftlichen Verkehr der Häftlinge. Das Verbot ließ sich anfangs nicht einhalten, denn das Postamt in Theresienstadt war in der ersten Zeit neben den Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung auch für die Annahme der Paketsendungen für die Häftlinge zuständig und stellte sie ihnen mittels der tschechischen Gendarmen zu. Bis zum 24. Dezember wurden so den Häftlingen Sendungen zugestellt. Erst als die SS-Kommandantur einschritt, wurden die Sendungen an die Absender zurückgeschickt.
Die Vermittlung von Nachrichten war für die Theresienstädter Häftlinge fortan mit großen Risiken verbunden. Es drohte ihnen Haft in der Kleinen Festung, später Deportation in ein Vernichtungslager oder auch die Hinrichtung, wie das Schicksal der 16 am 10. Januar und 16. Februar 1942 im Ghetto hingerichteten Häftlinge zeigt.
Am 9. Januar 1942 wurde in Vorbereitung auf die Deportationen eine begrenzte Korrespondenz innerhalb des Lagers erlaubt, damit Freunde und Verwandte innerhalb des Lagers vom dem bevorstehenden Transportgang informiert werden konnten. Die Briefe mussten offen abgeliefert werden und in deutsch geschrieben sein. Die Briefe wurden an zwei aufeinander folgenden Tagen von 8.00 bis 22.00 Uhr angenommen und mussten am gleichen Tag zugestellt werden. Nach Aussiedlung der Zivilbevölkerung blieb der lokale Postverkehr auf die Zustellung amtlicher Korrespondenz zwischen den Abteilungen der jüdischen Selbstverwaltung bestimmt.
Erst Anfang 1942 wurde auf Weisung Adolf Eichmanns der Postverkehr mit dem Protektorat teilweise wieder zugelassen. In dem vom Ältestenrat herausgegebenen Tagesbefehl Nr. 46 vom 8. Februar 1942 wurden die Regeln für den Briefverkehr veröffentlicht.
Aus dem Ghetto zu schreiben, war nur auf Postkarten erlaubt, die von der jüdischen Selbstverwaltung ausgegeben wurden. Für die Ausgabe der Postkarten und ihre Annahme bei der Post wurde eine Reihenfolge festgelegt. Die Einordnung erfolgt je nach dem Transport, mit dem man nach Theresienstadt > deportiert worden war. In ihrem Anspruch auf eine Postkarte kamen alle Häftlinge nacheinander an die Reihe. Der erste ausgerufene Turnus war monatlich und jeder Häftling konnte eine auf Deutsch geschriebene Postkarte zur Abfertigung abgeben, die dreißig Worte enthalten durfte und deren Inhalt durch eine Reihe von Vorschriften eingeschränkt war. Es durfte nichts geschrieben werden über die allgemeine Lage im Ghetto, über abgehende oder ankommende Transporte, Anzahl und Arbeitseinteilung der Häftlinge und vieles anderes mehr. Dieses Verbot wurde oft übertreten, obwohl die Karten zunächst die jüdische Zensur passierten und dann die deutsche Kommandantur passieren mussten. Wenn diese etwas Unzulässiges feststellte, wurde nicht nur der Schreiber sondern auch der jüdische Zensor bestraft. Die Postkarte musste mit einem Z und der dem Zensor zugeteilten Nummer versehen sein. Der Zensor trug die Verantwortung. Der Absender musste die entsprechend den Regeln geltende Absenderadresse angeben, also Vorname, Name, Transportbezeichnung, Transportnummer des Häftlings, Bezeichnung des Gebäudes und des Zimmers.
Die Postkarten gingen von der SS-Kommandantur auf dem Kurierweg zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag, wo sie von Vertretern der Prager Jüdischen Kultusgemeinde (ab Februar 1943 „Ältestenrat“) abgeholt wurden. Von hier aus wurden sie bereits frankiert als Einzel- oder Sammelsendung abgeschickt. Ein aufgedruckter Stempel wies darauf hin, daß die Empfänger nur auf dem Weg über die Jüdische Kultusgemeinde Prag auf die Karte antworten konnten. Die Postkarten ins Ghetto mussten mit Schreibmaschine oder in Blockschrift geschrieben sein. Eine erste Zensur fand bereits bei der Kultusgemeinde statt.
Im Mai 1942 wurde der Postverkehr untersagt, weil man angeblich illegal aus dem Ghetto geschmuggelte Briefe gefunden hatte. Er wurde erst wieder am 16. September 1942 erlaubt (Tagesbefehl Nr. 205 vom 1. September 1942). Diese Erlaubnis traf jedoch nur auf die seit Juni 1942 aus dem Altreich, Österreich und dem Sudetenland eingetroffenen Häftlingen zu, denn diesen hatte man daheim Theresienstadt als einen Ort des friedlichen Zusammenlebens geschildert und ein Postverbot passte nun gar nicht in das von der SS vermittelte Bild. Um Unruhe zu vermeiden, gab man dieser Personengruppe deswegen die Schreiberlaubnis. Diese Korrespondenz wurde über die Jüdische Kultusgemeinde in Wien und die Reichsvereinigung der Juden mit Sitz in Berlin verschickt. Von dem aus dem Protektorat stammenden Häftlingen durften nur jene eine Postkarte schreiben, die vor dem 10. Dezember 1941 im Ghetto eingetroffen waren.
Ab 24. September 1942 konnte jeder Häftling einmal unter Vorlage seines Ausweises eine Postkarte beim Ältestenrat abholen. Die Beschränkung der Wortanzahl auf dreißig wurde aufgehoben, es konnte Schreibschrift verwendet werden, wenn sie denn leserlich war. Als am 1. August 1943 Straßennamen eingeführt wurden, mussten diese sofort auch bei der Adressenangabe berücksichtigt werden.
Mit der Lockerung der Regeln wurde erlaubt, den Häftlingen sogenannte Liebesgabenpakete zu schicken - eher Päckchen - bis zu einem Gewicht von 2 Kg, die von der Post als Briefsendung behandelt wurden. Die Häftlinge durften auf den Postkarten auf die Möglichkeit hinweisen, ihnen solche Päckchen zu schicken. Mit den neuen Regeln wurde der erste Turnus für die Annahme der Postkarten von der jüdischen Selbstverwaltung angekündigt. Der Turnus betraf alle Häftlinge und war in elf Etappen eingeteilt, in der alle Häftlinge nacheinander mit der Absendung einer Postkarte an die Reihe kamen. Der erste Turnus dauerte vom 26. September bis 7. Oktober 1942. Ab Mai 1943 wurde ein dreimonatiger Turnus bekannt gegeben. In dieser Zeit konnte ein Häftlinge alle drei Monate eine Postkarte absenden. Aufgrund der gestiegenen Häftlingszahl wurden die Postkarten von den Blockältesten oder Gebäudeältesten ausgegeben.
Dreimonatige Turnusse wurden bis zum 1. Juli 1944 ausgerufen, dann galt wieder der verkürzte einmonatige Turnus, der am 30. August 1944 jedoch auf acht Wochen verlängert wurde.
Die Verlängerung oder Verkürzung der Turnusse hatte weniger mit Eingriffen der SS zu tun als mit Betriebsproblemen und dem Mangel an Postkarten.
Die Jüdische Selbstverwaltung war gezwungen, eine umfangreiche Evidenz über den Postkartenverkehr der Häftlinge zu führen. Die postkartenberechtigten Häftlinge mussten ein Formular ausfüllen. Nach der Zensur bei der Jüdischen Selbstverwaltung wurden die Postkarten und die Formulare mit Hilfe der Block- und Gebäudeältesten gesammelt und der Postzentrale übergeben. Die hier arbeitenden Häftlinge fertigten genaue Verzeichnisse nach dem Bestimmungsort an. Der Leiter der Postzentrale verfasste einen Bericht, den er gemeinsam mit den Postkarten und den Verzeichnissen dem Judenältesten übergab, der all das mit einem eigenen Begleitschreiben bei seiner täglichen „Audienz“ dem Lagerkommandanten zur Billigung vorlegte. Mit diesem ungeheuren Aufwand sollte verhindert werden, daß ein Häftling unberechtigt eine Postkarte abschicken konnte.
Die Absendung einer Postkarte außerhalb des regelmäßigen Turnusses war nur ausnahmsweise möglich und musste vom Judenältesten dem Kommandanten zur Entscheidung vorgelegt werden. Ähnlich war es mit der seit dem 24. September 1942 erlaubten Korrespondenz mit dem neutralen oder befreundeten Ausland, was die amtliche Korrespondenz der Selbstverwaltung oder Prominente betraf. Im Tagesbefehl vom 24. September 1942 wurde darauf hingewiesen, daß diese Briefe nicht lang sein dürften, die Umschläge ohne Futter sein und mit Absender und Adressat offen abgegeben werden müssten. Dabei war es den Häftlingen streng verboten, Briefpapier zu besitzen. Es musste wie Geld, Wertmarken usw. abgegeben werden, und der Besitz wurde streng bestraft. Der schriftliche Verkehr zum „feindlichen“ Ausland über das Rote Kreuz wurde den Häftlingen nicht erlaubt.
Ab September 1942 lief die Postverbindung ins Ghetto über die Jüdische Kultusgemeinde, Zentralstelle für jüdische Auswanderung und Lagerkommandantur eingeschränkt aber bei wechselnden Regelungen relativ regelmäßig. Die Ankunft einer Postkarte wurde dem Häftling vom Ältestenrat auf einem Formular bekanntgegeben. Der Häftling holte sie dann bei der Postzentrale der Briefpost ab und bestätigte dort ihre Übernahme. Ähnlich wurde mit den Päckchen und später mit den Paketen verfahren.
Die kleinen Päckchensendungen konnten die Lage der unter Nahrungsmittel- und Bedarfsartikelmangel leidenden Häftlinge nicht wesentlich erleichtern, sie bedeuteten den Häftlingen trotzdem viel. Päckchen, deren Empfänger gestorben oder weiterdeportiert waren, konnten von der jüdischen Selbstverwaltung einem anderen Empfänger gegeben werden. Um Betrug und Diebstahl zu verhindern, wurden besondere Ausweise für diese Ersatzaushändigung eingeführt. Es handelte sich dabei um „Vollmachtskarten“, die nach dem Tod eines Häftlings aufgrund des Erbschaftsverfahrens ausgegeben wurden (ab 16. Oktober 1942 auch Postvollmachten). Ein auf Transport gehender Häftling konnte so seinen Anspruch auf später eingehende Postsendungen auf einen anderen Häftling übertragen.
Ab Januar 1943 war die Versendung von Paketen bis zu einem Gewicht von 20 Kg ins Ghetto erlaubt. Von April 1943 an ließ die zivile Postverwaltung des Protektorats auch die Zustellung von bestimmten Paketen aus dem Ausland zu, und das auch bei solchen, die mit Verzollung, Zoll und Nachgebühren belastet waren. Nicht immer erreichten die Pakete den Empfänger, kamen beschädigt oder nur mit reduziertem Inhalt an. Anfangs übernahm eine Gruppe von Häftlingen die Pakete auf dem Bahnhof in Bauschowitz, kontrollierte den Inhalt unter der Aufsicht von Aufsehern. Verbotene Waren wie Kaffee und Schokolade wurden konfisziert, viele Dinge gestohlen. Später wurden die Pakete in der Paketausgabestelle in Anwesenheit der Empfänger geöffnet und kontrolliert. Den Paketen musste ein Verzeichnis beiliegen. Meldete sich der Empfänger oder der Besitzer einer Postvollmacht nicht, konnte die Selbstverwaltung das Paket einem anderen Empfänger geben.
Am 10. Juli 1943 wurden für Pakete aus dem Protektorat sogenannte Zulassungsmarken eingeführt und in Zukunft war ein komplizierter Vorgang nötig, bevor ein Paket ins Lager gesendet werden konnte. Der Häftling musste um die Marke im Zuge seines Turnusses nachsuchen, in dem er ein Formular ausfüllte und es bei der Transportabteilung abgab. Der Anspruch des Häftlings auf die Zulassungsmarke wurde beglaubigt und seinem Gesuch eine Ordnungszahl zugeteilt, unter der das Gesuch in ein Verzeichnis eingetragen wurde. Der Judenälteste legte das Verzeichnis dem Lagerkommandanten vor, dann wurde es an das Zentralamt in Prag geschickt. Das Zentralamt übergab dann gemäß des Verzeichnisses eine entsprechende Anzahl von Zulassungsmarken dem Jüdischen Ältestenrat. Jeder dieser Markenausgaben (oder auch „Serien“ genannt) wurde durch einen Großbuchstaben bezeichnet. Der Ältestenrat gab nun die Marken gemeinsam mit einem Formular, auf dem neben anderen Angaben der Buchstabe der Serie und die Nummer der Marke aufgeführt waren, weiter an die Empfänger im Protektorat. Prager Empfänger mussten sich die Marken dann in der Josefstädterstr. 5 (später in der Meiselgasse 18) abholen. Der Empfänger war verpflichtet, die ausgefüllte Bestätigung umgehend an den Prager Ältestenrat zurückzuschicken. In den Außenstellen außerhalb Prags wurde ähnlich verfahren. In den Außenstellen und in Prag musste eine sogenannte Konsignation ausgefüllt werden, in der angekreuzt werden musste, ob der Empfänger die Marke erhalten habe, die Annahme verweigert hatte, wenn der Empfänger verstorben war, wenn der Empfänger seinen Wohnort nach Theresienstadt verlegt hatte, wenn der Empfänger sich in Haft befand usw..
Der Jüdische Ältestenrat arbeitete mit Hilfe aller eingelangten Formulare ein endgültiges Verzeichnis der Empfänger von Zulassungsmarken aus und gab dies weiter an das Zentralamt für die Regelung der Judenfrage.
Der hier im groben beschriebene Weg war sehr aufwendig und kompliziert und wurde von den deutschen Behörden streng kontrolliert. Nach der Einführung der Zulassungsmarken war es nicht mehr möglich, daß ein unbekannter bzw. ein von den Deutschen nicht verzeichneter Absender eine Postsendung ins Ghetto schickte (wie es vorher möglich gewesen war).
Die Zulassungsmarke klebte der Absender direkt auf das Paket, das er darüber hinaus durch Briefmarken des entsprechenden Wertes frankiert hatte. Ein Paket ohne Zulassungsmarke durfte das Postamt nicht annehmen. Nicht ausgehändigt wurde dem Häftling das Paket, wenn die Zulassungsmarke nicht mit dem Ortsstempel des annehmenden Postamtes abgestempelt war.
Da das System der Zulassungsmarken nur für das Gebiet des Protektorats galten, gab es fortan nur die Möglichkeit, Pakete aus dem besetzten Sudetenland zu schicken, was einige Male genutzt wurde.
Die Zulassungsmarken wurden durch die Banknotendruckerei in Prag in der Rosengasse auf Bestellung der Nationalbank für Böhmen und Mähren gedruckt.
Bedřich Fojtášek, ein Angestellter der Druckerei, war für die Entwürfe verantwortlich. Als Vorlage diente scheinbar das Original des Bildes des Malers Frantisek Šimbera oder seine 1930 in einer Postkartenserie veröffentlichte farbige Wiedergabe. Der Druck erfolgte zwischen Mai und Juli 1943. Die Marken wurden durch Buchdruck in grüner Farbe hergestellt, und zwar aus einer Buchdrucktafel, deren Torso sich heute noch im Archiv der staatlichen Banknotendruckerei befindet. Über die Anzahl der gedruckten und ausgegebenen Zulassungsmarken liegen keine klaren Quellen vor. Der Jahresbericht für 1944 führte die Anzahl von 530.811 angelangten Päckchen und Paketen an, ohne jedoch anzugeben, von wo sie abgeschickt worden waren. In diese Zahl waren offensichtlich die Massensendungen an Lebensmitteln inbegriffen.
Im gleichen Jahr kamen 197.112 Postkarten im Ghetto an, bei 191.631 aus dem Lager abgeschickten.
Die oben genannten Zahlen über Päckchen und Pakete scheinen viel zu hoch, denn nach Aussagen der Häftlinge selbst sind nur wenige Pakete in Theresienstadt angekommen. Es wird vermutet, daß insgesamt 75.000 – 80.000 Zulassungsmarken ausgehändigt wurden. Die Jüdische Selbstverwaltung meldete für den Monat Februar 1945 1.068 angekommene Pakete und das scheint der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen.
Die Häftlinge konnten von Zeit zu Zeit Pakete empfangen. Viele Angehörige schickten Kleidung und Lebensmittel. Die Pakete wurden jedoch in der Wachstube geöffnet, kontrolliert und vielfach ausgeraubt. Nur ein Teil der den Gefangenen geschickten Sachen kam tatsächlich an.
Die Häftlinge waren von der Außenwelt isoliert. Die einzige legale Verbindung stellte der Postverkehr dar. Auf einer Postkarte durften sie einmal im Monat einige Zeilen in deutscher Sprache abschicken. Die Postkarten unterlagen der Zensur durch die Aufsichtsbeamten. Unzensierte Nachrichten konnten nur in Form von Kassibern und dank der Mithilfe von Außenstehenden weitergegeben werden. Hier halfen viele der Einwohner Theresienstadts.