Zählung im Bohušovicer Kessel

Das Ghetto ist im Herbst 1943 nach wie vor überfüllt, obwohl im September 1943 5.007 Häftlinge in das Theresienstädter Familienlager nach Auschwitz-Birkenau abtransportiert wurden. Auf Weisung der Kommandantur durften diesem Transport nur Juden aus Böhmen und Mähren unter 65 Jahre angehören.

Burger bestimmt, daß in diesen Transport auch Mitarbeiter des Judenältesten Edelstein und Mitglieder der Ghettowache eingereiht werden. Kommandant Burger gilt als fanatischer Tschechenhasser und hat lieber mit dem Reichsdeutschen Dr. Eppstein, als mit Dr. Edelstein zu tun.

Am 6. Oktober verlassen die Bialystoker Kinder zusammen mit ihren Ärzten und Pflegern das Lager. Ihr Ziel ist Auschwitz-Birkenau. Anfang Oktober kommt ein Transport dänischer Juden nach Theresienstadt.

Am 9. November 1943 werden auf Anweisung des Kommandanten der Judenälteste Edelstein und drei Mitarbeiter der Zentralevidenz verhaftet und in den Bunker abgeführt. Man wirft ihnen vor, die Tagesmeldung über die Häftlinge gefälscht und die Flucht von 55 Personen aus dem Lager begünstigt zu haben. Edelstein wird in den nächsten Transport nach Auschwitz eingereiht und dort, zusammen mit seiner Familie, am 20. Juni 1944 ermordet.

Dann ordnete die SS für den Morgen des 11. November 1943 eine Zählung an. Über 40.000 Menschen wurden frühmorgens aus den Häusern getrieben. Es war feucht und kalt. Bis in die späten Abendstunden mußten die Menschen ohne Speise und Trank im feuchten Gras und Nieselregen auf dieser Wiese im sogenannten Bohušovicer Kessel stehen. Immer wieder wurde gezählt aber es gelingt trotzdem nicht, die genaue Zahl der Häftlinge zu ermitteln. Das ganze Tal ist von Gendarmen umstellt, überall sind Maschinengewehre installiert. Über dem Tal kreist ein Flugzeug, was die Angst der frierenden Menschen steigert.

Im Dunkeln kommt es dann zu einer Panik. Niemand gibt den Befehl zur Rückkehr in die Gebäude. Mütter versuchen, ihre Kinder vor dem Erdrücktwerden zu schützen, alte Leute brechen vor Hunger und Müdigkeit zusammen, Kranke bleiben einfach liegen. Die Menschen stolpern hin und her und versuchen verzweifelt, wieder in das Lager zu gelangen, das sie so oft verflucht haben. Um Mitternacht endlich ist der Talkessel leer, bis auf die Alten und Kranken, die hilflos auf der Erde liegen bleiben müssen, bis sich jemand findet, der sie ins Lager zurückträgt. An die dreihundert Menschen sterben an diesem Tag wegen dieser sinnlosen Zählung.

Die Zählung wird wiederholt, diesmal jedoch nur mit den Lagerausweisen. Dennoch läßt sich die genaue Zahl nicht ermitteln.

Quellen

  • 953
    953. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 159ff.

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