Familienlager Auschwitz

Am 8. März 1944 wurden in den Gaskammern die gefangenen Bewohner des „Theresienstädter Familienlagers“ ermordet. Salmen Gradowski war Angehöriger des Sonderkommandos und erlebte diesen Massenmord hautnah. Sein Bericht war Inhalt einer Flasche, die später in der Asche bei den zerstörten Krematorien gefunden wurde.

siehe auch: Bericht von Salmen Gradowsky

Am 8. September 1943 gingen zwei Transporte aus dem Ghetto Theresienstadt nach Auschwitz. Diese Transporte wurden nicht selektiert, sondern geschlossen in einen abgesonderten Teil des Birkenauer Quarantäne-Lagers geführt. Frauen, Männer und Kinder wurden zwar in getrennten Blöcken untergebracht, konnten sich im Lager aber frei bewegen und einander sehen.

Die sozialen Beziehungen unter den Häftlingen blieben erhalten. Aus diesem Grunde wurde das Lager auch „Theresienstädter Familienlager“ genannt.

Die tschechischen Juden wurden keinem Arbeitskommandos zugeteilt, konnten Pakete empfangen und hatten Schreiberlaubnis. Mehrfach wurden sie sogar aufgefordert, ihren Angehörigen zu schreiben. Trotz dieser bevorzugten Behandlung starben allein in den ersten sechs Monaten 1.140 Menschen in diesem Lagerabschnitt. Unter Leitung von Fredy Hirsch konnte ein Kinderblock eingerichtet werden. Die Häftlinge hofften, am Leben zu bleiben. Lagerältester war ein deutscher Krimineller, Arno Böhm, der als einer der größten Banditen im Lager galt.

Am 15. und 18. Dezember 1943 wurden weitere zwei Transporte mit insgesamt 5.007 Personen von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Sie kamen ebenfalls ins Familienlager. Was die Häftlinge nicht wußten: ihre Einlieferungsakten waren mit dem Vermerk „SB (Sonderbehandlung Vergasung) sechs Monate" versehen.

Bereits Anfang März machten Häftlinge des Sonderkommandos die führenden Männer des Familienlagers (darunter auch Fredy Hirsch) darauf aufmerksam, daß die Septembertransporte liquidiert werden sollten. Am Vorabend des 9. März 1944 wurden die Überlebenden der Septembertransporte isoliert und in der Nacht in den Gaskammern ermordet. Nur etwa 37 Personen wurden verschont, überlebten den Massenmord und den Krieg (darunter Zwillinge, die Mengele für seine Versuche benötigte). Die Häftlinge hatten vor dem 9. März noch Karten schreiben müssen, in dem sie den Verwandten und Bekannten im In- und Ausland von ihrem „Wohlergehen“ berichteten. Die Karten waren vordatiert. Als sie ihre Empfänger erreichten, waren die Absender bereits ermordet.

Drei Transporte im Mai brachten weitere 7.503 Menschen nach Birkenau, die ebenfalls ins Familienlager überführt wurden. Auch von diesen Menschen wurden die Kräftigsten zur Arbeit bestimmt (Helga Weissová und ihre Mutter gehörten zu ihnen). Von dieser Gruppe haben sich 385 Überlebende nach dem Krieg in der Tschechoslowakei gemeldet.

Dagmar Lieblová war Angehörige des Dezembertransportes. Sie wußte über eine Widerstandsorganisation von ihrer Sechsmonatsfrist. Sie hatte Glück. Die Deutschen benötigten Arbeitskräfte und so wurde sie in Transporte eingereiht, die ins Reich zur Zwangsarbeit gingen. Etwa 705 Menschen (rd. 13 %) der Dezembertransporte sind als Überlebende bekannt.

Das Theresienstädter Familienlager wurde am 7. Juli, nachdem auch die Dezembertransporte in einer großen Vergasungsaktion liqidiert worden waren, aufgelöst.

Die Funktion des Familienlagers bestand wohl darin, das Internationale Rote Kreuz zu täuschen. Es war eine Inszenierung der SS für die Außenwelt. Als die Täuschung (auch durch Flüchtlinge, die darüber draußen berichteten) nicht mehr aufrechtzuerhalten war, wurde es liquidiert.

Dina Babbitt, geboren als Dinah Gottliebová in Brünn, traf in Auschwitz-Birkenau Fredy Hirsch, der von ihr wußte, daß sie Kunst studiert hatte. Er bat sie, ein Bild für die Kinderbaracke zu malen. Und so zauberte sie einen weißen Berg an die graue Wand und eine grüne Wiese und ein wunderschönes Schneewittchen und sieben bunte Zwerge, so wie sie sie vor dem Krieg im Kino in Brünn gesehen hatte, wo sie sich gleich mehrmals Disneys "Snow White" angeschaut hatte. So wurde im Lager bekannt, daß sie malen konnte und sie mußte u. a. für Mengele neun Tusche-Portraits von Zigeunern anfertigen.

Dina Babitt lebt heute (2007) 83jährig in den Bergen von Santa Cruz, USA.

Quellen

  • 158
    158. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 57, 130f, 767.
  • 789
    789. Süddeutsche Zeitung vom 16 , Januar 2007 S. 3,

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