> Die Juden in den Niederlanden
1.Niederländische Juden unter deutscher Besatzung
2.Niederländische Juden in Theresienstadt
3.Demographie der Niederländischen Juden in Theresienstadt
4.Überlebende Niederländische Juden
5.Sterblichkeit 1943-1945
6. Die „Portugiesen“ unter den niederländischen Juden
Niederländische Juden unter deutscher Besatzung
Am 10. Mai 1940 begann mit dem Angriff der deutschen Truppe die Besetzung der Niederlande. Aus den Niederlanden entstand das „Reichskommissariat Niederlande“, mit dem aus Iglau (Mähren) stammenden Dr. Arthur Seyß-Inquart an der Spitze. Im Gegensatz zum Protektorat gab es eine höhere Selbstständigkeit und im Gegensatz zu Frankreich und Belgien keine Militärverwaltung. Der Okkupationsapparat bestand aus mehreren Teilen. Seyß-Inquart standen vier deutsche Generalkommissäre zur Seite. Kommissar für das Sicherheitswesen war Hans Albin Rauter, der gleichzeitig Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) war und durch die Kombination zweier Kompetenzen ungewöhnlich hohe Machtbefugnisse besaß.
Er hatte seinen Sitz in Den Haag und galt als Vertreter Heinrich Himmlers in den Niederlanden. Ebenso in Den Haag saß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (BdS), zwischen Juli 1940 und September 1941 war dies Dr. Wilhelm Harster. Der BdS verfügte über sieben Außenstellen, eine davon in Amsterdam.
Bereits im August 1940 trat eine Verordnung in Kraft, nach der keine jüdischen Beamten mehr angestellt werden durften. Im Oktober mussten alle Beamten eine „Ariererklärung“ vorlegen. Bis auf 20 Personen kam der gesamte Staatsapparat dieser Aufforderung nach. Im November 1940 wurden alle jüdischen Beamten suspendiert und im Februar 1941 entlassen. Gleichzeitig musste das jüdische Eigentum angemeldet werden, die Arisierungen wurden dann im Laufe des Jahres 1941 vollzogen.
Im Februar 1941 wurde mit der Registrierung der holländischen Juden begonnen. Zu diesem Zeitpunkt lebten etwa 140.000 Juden in den Niederlanden, davon 24.000 ausländischer Herkunft, 105 kamen aus dem Protektorat. Gegen die Entlassungen der jüdischen Professoren gab es immer wieder Proteste, etwa der Studenten in Delft und Leiden. Ende Februar 1941 streikten die Amsterdamer Arbeiter, unter anderem aus Solidarität mit ihren jüdischen Genossen. Der Streik wurde unterdrückt, die 400 gefangenen jüdischen Arbeiter nach Mauthausen deportiert. Sie kamen nicht zurück.
Anfang 1941 wurde vom Reichskommissar für die Stadt Amsterdam der „Joodse Raad“ ins Leben gerufen, dann eine „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ gegründet, die sich jedoch kaum um die Emigration jüdischer Ausreisewilliger kümmerte, stattdessen beschäftigte sie sich nur noch mit den praktischen Aspekten der Ausführung der Judenverfolgung. Ihre Tätigkeit nahm sie erst 1941 auf bei den polizeilichen Aktionen im Zuge der Verhaftungen von Juden.
Im Juni 1941 wurden weitere jüngere Männer verhaftet und nach Mauthausen deportiert, die Ausschließung der Juden aus der Öffentlichkeit setzte sich fort. Sie durften keine Büchereien, keine Parks, keine Kabaretts mehr besuchen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, ab Juli 1942 nicht einmal mehr mit dem Fahrrad fahren.
Im Oktober 1941 wurde mit der Arisierung des jüdischen Besitzes begonnen, gleichzeitig wurden jüdische Angestellte und Arbeiter entlassen.
Inzwischen hatte sich der „Joodse Raad“ zum Ansprechpartner für alle Juden entwickelt. Im April 1941 wurde eine jüdische Wochenzeitung herausgegeben, die - im Oktober verboten - in das "Joodse Weekblad" umbenannt wurde, die Zeitung diente z. T. auch der deutschen Okkupationsmacht zur Verkündung anti-jüdischer Maßnahmen. Im September 1942 befanden sich 5.000 jüdische Männer in Arbeitslagern, im Februar 1942 wurden die jüdischen Ausweise mit einem „J“ versehen, ab Ende April 1942 mussten Juden den gelben Stern tragen.
Im Mai 1942 starteten dann die ersten großen Transporte nach Westerbork. Am 1. Juli 1942 wurde Westerbork aus der Rechtshoheit des Justizministeriums dem BdS unterstellt.
Mitte Juli 1942 fuhr der erste Transport nach Auschwitz-Birkenau ab. Bis Ende August waren bereits 12.000 Juden deportiert, acht Monate nach dem Beginn der Okkupation war über die Hälfte der niederländischen Juden deportiert.
Zwischen März und Juli 1943 wurden 19 Transporte mit insgesamt 35.000 Juden nach Sobibor geschickt. In der ersten Zeit wurden vor allem junge und ausländische Personen verschickt.
Die „Portugiesen“ unter den niederländischen Juden
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts siedelten sich aus Spanien und Portugal vertriebene Marranen (Juden, die sich zum Schutz hatten taufen lassen) in den Niederlanden an. Diese blieben über die Jahrhunderte hinweg als besondere jüdische Gruppe in den Niederlanden bestehen, vermischten sich kaum mit den später sich hier ansiedelnden Aschkenasim aus Deutschland und Polen, waren grundsätzlich die wohlhabendere jüdische Bevölkerungsgruppe und spielten in Handel und Industrie eine große Rolle.
Im Oktober 1941 wurden etwa 4.300 Sephardim, wie man die portugiesischen Juden allgemein bezeichnete, in den Niederlanden gezählt. Es war einige Zeit unklar, was mit ihnen geschehen sollte. Ein niederländischer Rechtsanwalt nahm sich der Frage an und wandte sich an Dr. Hans Calmeyer aus dem Referat für Innere Verwaltung des Justizgeneralkommissariats. Calmeyer, zuständig für das Judentum der Antragsteller, ist eine einzigartige Figur in der Geschichte der niederländischen Judenverfolgung. Er half, wo er konnte, akzeptierte Fälschungen oder besorgte sogar selbst „Ariernachweise“. Calmeyer entschied, die „Portugiesen“ von Fall zu Fall zu untersuchen und übernahm lediglich Juden mit sieben oder acht jüdischen Urgroßeltern. So verkleinerte sich die Gruppe auf rund 400 Menschen. Im August 1943 legte das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) jedoch fest, daß die „Portugiesen“ als Juden zu bezeichnen seien. Im Februar wurden sie nach Westerbork gebracht. Inzwischen waren jedoch auch 15 von ihnen in den Osten > deportiert worden.
Die Portugiesen kamen zu einer Zeit nach Westerbork, als ein neuer Transport nach Theresienstadt vorbereitet wurde und der Kommandant ein Interesse daran hatte, diesen Transport auch voll zu bekommen. So wurden am 26. Februar 1944 308 „Portugiesen“ nach Theresienstadt deportiert, weitere vier Menschen mit dem Transport XXIV/5 am 5. April 1944, zwei „Portugiesen“ kamen mit dem > Transport XXIV/6 am 3. August 1944. Warum die „Portugiesen“ nicht von Westerbork aus nach Auschwitz geschickt wurden ist weiterhin nicht völlig geklärt. Einige Historiker meinen, daß sie aufgrund von tatsächlich stattgefundenen Verhandlungen zwischen Portugal und dem Deutschen Reich als „Austauschobjekte“ eine Bedeutung gehabt haben könnten.
In Theresienstadt wurden die „Portugiesen“ wie alle anderen Häftlinge behandelt. 23 portugiesische Juden wurden in Theresienstadt befreit, 17 Personen kamen mit dem Ew-Transport in die Schweiz.