Friedmann, Richard

aus dem Prominentenalbum der Jüdischen Selbstverwaltung vom 1. Januar 1944
siehe auch Prominente und Das Theresienstadt-Konvolut

RICHARD ISRAEL FRIEDMANN

Geboren am 24.6.1906 in Wien.
Staatsangehörigkeit: D.R.
Verheiratet mit Dr. Cilly geb. Spinner, geb. am 2.4.1912 in Stryi.
Kinderlos.
In Theresienstadt seit 28.1.1943

  • Handelsschule in Wien.
  • Seit 1929 Berufsbeamter der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.
  • Seit 12929 Mitarbeiter der Leitung der Jüdischen Kultusgemeinde in Prag. Mittätig an der Errichtung des Umschulungslagers Nisko a/S.
  • 1941 Beratend bei der Schaffung des Joodschen Raats in Amsterdam tätig.

Israel Richard Friedmann führte den ihm aufgezwungenen Namen „Israel“ mit Stolz und wollte nicht mehr anders heißen. Friedmann war 1911 in Wien geboren. Der junge begeisterte Zionist wurde von der Jüdischen Kultusgemeinde Wien, wo er rastlos arbeitete und vielen Juden half, zur Kultusgemeinde nach Prag in die Auswanderungsaktion versetzt.

Im Oktober 1939 gingen Friedmann und Dr. Jakub Edelstein gemeinsam in den Transport nach Nisko am San. Friedmann wurde auf der mehrtägigen Fahrt ständig von dem SS-Mann Dresel mißhandelt. Friedmann schaffte es, mit der Gestapo in Lublin zu verhandeln und diese von der Sinnlosigkeit des Plans, Juden in Nisko anzusiedeln, zu überzeugen. Im Dezember 1939 kam Friedmann nach Prag zurück, das Vorhaben wurde aufgegeben. Friedmann sah in der Jüdischen Kultusgemeinde einen Puffer, die SS sollte nicht wissen, wer dort mit welchen Arbeiten vertraut war, sie sollten außer Friedmann, Dr. Jakub Edelstein und Dr. František Weidmann niemanden kennen. Er ging, so seine Witwe, nach dem Motto vor: „ Mich kann die SS mit dem KZ nicht mehr schrecken. Das ist mein Berufsrisiko, seitdem ich mit ihr zusammen arbeite“.

Friedmann kümmerte sich um die Sozialfürsorge, um den Gesundheitsdienst und um das Schulwesen.

Im März 1941 wurden er und Edelstein damit beauftragt, nach Holland zu fahren, um den „Joodschen Rat“ bei der Errichtung einer „Zentralstelle“ behilflich zu sein. „Mein erster Urlaub seit fünf Jahren“, soll Friedmann gesagt haben. Friedmann soll anschließend noch ein zweites Mal in Holland gewesen sein.

Den Beginn der Transporte empfand Friedmann als einen Zusammenbruch seiner jahrelangen Arbeit. Er ahnte, was kommen würde, sah aber nicht die systematisch auf Tötung angelegte Maschinerie der Nazis.

Die Jüdische Kultusgemeinde Prag hatte die Möglichkeit, Menschen aus den Transporten zu reklamieren. Friedmann lehnte es grundsätzlich ab, „ einen Menschen für besser oder wertvoller als einen anderen hinzustellen“, reklamierte jedoch einige Familien mit Kindern.

Friedmann empfand es immer wieder als unheimlich, daß sich die Juden so ohne jede Gegenwehr deportieren liessen. Nach seiner Meinung hatte Jeder die Möglichkeit zu flüchten und in die Illegalität zu gehen. Zwischen Verständigung und Abgang des Transportes lagen in der Regel 3 bis 5 Tage, in der man in Ruhe alles für die Illegalität vorbereiten konnte. Kein Jude, der den Transport nicht angetreten hatte, wurde ernsthaft von der Gestapo in Prag gesucht. Die Gestapo hatte eingewilligt, daß die Jüdische Kultusgemeinde die tschechische Polizei von dem Nichterscheinen verständigen werde und daß diese den Betreffenden ausfindig zu machen habe. Die Polizei begnügte sich normalerweise mit einmaligem Erscheinen in der Wohnung des Gesuchten und meldete den Fall als unauffindbar.

Als Theresienstadt gegründet wurde, konzentrierte sich Friedmann auf die Versorgung des Lagers und führte einige tollkühne illegale Aktionen durch, in denen dringend benötigte Medikamente ins Ghetto gebracht wurden. Unter ständiger Fälschung der Budgetvorschläge erkämpfte Friedmann Geld aus dem „Auswanderungsfonds“.

Friedmann wurde dabei von einem SS-Mann Bartels unterstützt. Er bezeichnete seine Beziehung zur SS als „korrekte Feindschaft“. Friedmann beging die Unvorsichtigkeit, direkt mit Theresienstadt zu telefonieren, von seiner Wohnung oder auch von seinem Büro aus. Im Dezember 1942 wurde er von Hans Günther vorgeladen. Er leugnete alles, 140 Kniebeugen mußte er machen.

Friedmann wußte, daß sich etwas gegen ihn zusammenbraute und wollte fliehen, wurde jedoch am 28. Januar 1942 zusammen mit Dr. Franz Kahn verhaftet und nach Theresienstadt geschafft. Angehörige und Gepäck wurden tags darauf nachgesandt.

Offiziell war Friedmann ein „Prominenter“, lehnte jeden Vorzug jedoch bis auf ein Einzelzimmer ab. Dieses benötigte er aus konspirativen Gründen. Friedmann wurde einfach nicht damit fertig, daß es die Juden in Theresienstadt selbst übernommen hatten, durch die Erstellung von Transportlisten über Tod und Leben zu entscheiden. Er sah deutlich, daß die Transportabteilung eine ungeheure Macht hatte und diese auch willkürlich nutzte. Er verweigerte seine Mitarbeit Dr. Paul Eppstein gegenüber, arbeitete in der Landwirtschaft, wurde dann zur Mitarbeit in der Arbeitszentrale gezwungen. Eppstein informierte Friedmann in der Nacht vor dem letzten Maitransport 1944 , daß er sich auf den Transport vorbereiten solle. Die SS mißtraute Friedmann und brachte ihn in den Bunker und von dort unter Bewachung in die Schleuse. Er bestieg einen normalen Waggon, wurde jedoch in Bohušovice von Rudolf Haindl herausgeholt und in den Sonderwagen gebracht, in dem Haindl und drei Schupos fuhren. In Birkenau kam Friedmann ins Familienlager, wurde jedoch abgesondert und 2 Tage später, am 21. Mai 1944 in den Strafblock des Männerlagers geführt. Am nächsten Morgen wurde er bei der Arbeit von einem SS-Mann einige Schritte über die erlaubte Grenze geleitet und von hinten „auf der Flucht erschossen“.

Quellen

  • 173
    173. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 737ff.

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