“Ich verbrachte acht Monate meiner 33-monatigen KZ-Internierung in Theresienstadt. Nach Theresienstadt kam ich mit dem Transport PG 800. Meine Bahnfahrt nach Theresienstadt endete auf dem Bahnhof Bohušovice. Von dort mussten wir Häftlinge die 2,5 lange Strecke nach Theresienstadt zu Fuß zurücklegen. Nach meiner Ankunft im Ghetto musste ich zunächst in die Jägerkaserne. Dort war eine der ´Schleusen, in der die Ankommenden registriert wurden, und das ´Zollamt', in dem die SS alles einzog, was persönlich brauchbar und wertvoll oder für die Front geeignet war. Dann wurde ich in der Sudetenkaserne untergebracht, später auf dem Dachboden des Jungenheimes L 417.
Nachdem Häftlinge die Gleisanlage in das Ghetto gebaut hatten, war die wichtigste ´Schleuse' auf dem Dachboden der Magdeburger Kaserne. Unter anderem diente sie als Lager für Frauen, Holländerinnen und Mütter mit kleinen Kindern.
Zwei Tage, bevor die Deportation erfolgte, wurden die Häftlinge in dem riesigen Bodenraum versammelt. In der Nacht wurde der Zug bereitgestellt, es herrschte absolute Ausgangssperre. Vom Boden mussten die Häftlinge dann auf den Innenhof und warten. Dort saß ein SS-Beamter an einem Tisch. Er rief die Nummern der Ausgewählten auf. Der Aufgerufene musste vortreten und wurde dann einem der Güterwaggons zugewiesen. Vorher war das Restgepäck auf weitere Verwendungsmöglichkeiten untersucht worden.
Der jüdische Ältestenrat konnte diese Deportationen nicht verhindern. Auch seine Mitglieder wurden nach Auschwitz gebracht. Er konnte aber in Einzelfällen das Leiden einiger Häftlinge lindern.
Während meiner Gefangenschaft musste ich verschiedene Arbeiten verrichten.
März 1943–Oktober 1943
Ich war einer der 80 Arbeitssklaven auf Heydrichs Schloss. Viele Arbeiten kontrollierte Frau Heydrich, immer bekleidet mit einem Reitanzug und einer Reitpeitsche. So wandelten wir einen englischen Garten in einen Obst- und Gemüsegarten um und verkauften manchmal Ernteerzeugnisse an SS-Angehörige.
Wir bauten ein Schwimmbassin.
Als im September 1943 Heydrichs Sohn Klaus bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte, hob ich das Grab mit aus und bedeckte es mit Zweigen, am Tag der Bestattung hatte ich arbeitsfrei.
Kurze Zeit später, als ich einen Graben in Schlangenlinien verlegt (d.h. ausgehoben, d. Autor) hatte, wurde ich der Transportkolonne in Theresienstadt zugeordnet.
Oktober 1943 – Februar 1944
Wir empfingen die aus Deutschland ankommenden Siechentransporte, vorwiegend alte und kranke Häftlinge, und mussten sie auf Lastwagen umladen. Viele der ankommenden Menschen waren bereits tot oder starben kurz nach ihrer Ankunft.
Februar 1944 – August 1944
Mit der Aktennotiz „ RU“ (Rückkehr nach Theresienstadt unerwünscht) wurde ich in ein Nebenlager nach Strausberg bei München verlegt. Mit mir traten 222 Männer und 21 Frauen diesen Transport an.
Unsere Aufgabe war der Bau eines Außenlagers für das Reichssicherheitshauptamt. Der die Baumaßnahmen begleitende Obersturmführer schlug die Gefangenen zwar häufig, aber er erschlug niemanden.
August 1944 – Januar 1945
Mit dem Transport CK 576 gelangte ich nach Auschwitz-Birkenau in die Nähe des Familienlagers und des Lagers für die Sinti und Roma. Die erste Selektion überlebte ich.
Am 28. Oktober 1944 wurde ich der Kolonne, die die Gaskammern von Auschwitz demontieren sollte, zugewiesen.
Als dann der Leiter des Lagers Gleiwitz I, Hauptscharführer Moll, Schmiede suchte, meldete ich mich freiwillig. Ich musste folgende Prüfung bestehen: B 11517 – meine Nummer in Auschwitz – wurde aufgerufen und ich musste vortreten. Ich wurde angestoßen, wer wackelte, wurde in die Baracke zurückgeschickt, wer diese Prüfung bestand, kam nach Gleiwitz.
Dort musste ich Eisenbahnwaggons für den Osteinsatz umbauen. Dabei erlitt ich im November einen Arbeitsunfall, weil ich mit einer Hand unter einen Presshammer geriet. Ein französischer Arzt rettete die Hand, obwohl ihm weder Betäubungsmittel noch Verbandszeug zur Verfügung standen.
Januar 1945
Im Januar 1945 wurde das Lager Gleiwitz I aufgelöst. Die SS setzte das gesamte Lager, in dem noch die Kranken waren, in Brand und leitete den Häftlingszug nach Breslau. Während dieses Zuges (des Marsches, d. Autor) durch die Stadt wurden viele von uns Häftlingen von Frauen angespuckt.
Die Insassen des Lagers Gleiwitz mussten nach Heydebreck-Blechhammer umgeleitet werden. Dabei flüchteten die SS-Wachmannschaften und wir ehemaligen Gefangenen kehrten nach Gleiwitz zurück, wo wir von den Soldaten der Roten Armee versorgt und gesundgepflegt wurden.
20. Mai 1945
Ich wurde entlassen und kehrte sofort nach Theresienstadt zurück. Hier hatte ich ein holländisches Mädchen kennengelernt und auch geheiratet. Nachdem ich nach Auschwitz deportiert worden war, meldete sich auch meine Frau für den nächsten Osttransport. Nachforschungen ergaben, daß sie in Auschwitz vergast worden war. Ich erlebte in Theresienstadt meine Jugend, viel Leid, aber auch glückliche Momente. Ich hege keinen Hass gegen die deutschen Menschen.“