Hinrichtungen im Gestapogefängnis und im Ghetto

Die genaue Zahl der in der Kleinen Festung durchgeführten Hinrichtungen lässt sich nicht ermitteln, weil sie in der Regel ohne Gerichtsurteil, nur auf Anordnung der Gestapo (Sonderbehandlung) und oftmals bei Nacht und Nebel durchgeführt wurden. Es werden 250 bis 300 gewesen sein, nicht gerechnet die Anzahl von Häftlingen, die durch die Aufseher zu Tode geprügelt wurden.

Andere Hinrichtungen, wie die der Kinder von Bialystok wurden nicht registriert.

Die Hinrichtungen fanden vorwiegend auf der alten zwischen den Wällen liegenden Militärschießstätte statt. Sie wurden in der Regel von Mitgliedern der Wachmannschaften durchgeführt, doch es beteiligten sich auch Aufseher daran.

Nicht selten wurden die zum Tode verurteilten Häftlinge vor der Hinrichtung gefoltert. Mit einer Art von Besessenheit meinten die dort Dienst tuenden SS-Männer, sie müssten vor allen den jüdischen Menschen den ihnen anhaftenden Makel spüren lassen. Die zum Tode Verurteilten wurden vor einem als Kugelfang dienenden Sandhaufen vor einer Ziegelsteinmauer aufgestellt. Die Schützen des Exekutionskommandos lagen nebeneinander unter einem vor Sonne und Regen schützenden Dach. Nicht selten sahen die Angehörigen der Offiziere von einem über dem Hinrichtungsplatz emporragenden Wall (dem sogenannten „Balkon“) den Hinrichtungen zu. Nur in einem einzigen Fall wurde die Hinrichtung durch Erhängen durchgeführt. Einige Hinrichtungen fanden in Anwesenheit der anderen Häftlinge auf dem IV. Hof statt. Hierbei handelte es sich um geflohene und wieder eingefangene Häftlinge.

Die erste belegte Hinrichtung ist die Erschießung des Kommunisten František Prokob am 11. Mai 1943. Hingerichtet wurden sowohl Einzelpersonen als auch Mitglieder von Widerstandsgruppen, Mitglieder von westlichen oder östlichen Fallschirmspringergruppen und zur Bestrafung aus dem Ghetto überführte Häftlinge.

Am 4. November 1944 wurden im Zuge der Sippenhaftung neun Verwandte von J. Kužela und J. Matička hingerichtet, die versucht hatten, ein Flugzeug im Rahmen des slowakischen Volksaufstandes zu entführen. Am 28. September 1944 wurde der zweite Judenälteste des Ghettos Theresienstadt, Dr. Paul Eppstein, in der Kleinen Festung erschossen. Mehrere Personen wurden im Rahmen der Liquidierung unheilbar Kranker im > Gestapogefängnis erschossen. Wieder eingefangene Flüchtige wurden in der Regel hingerichtet oder von den Aufsehern totgeschlagen. Aussagen von Häftlingsärzten aus der Leichenkammer des Ghettos besagen, daß auch die kranken Kinder des Bialystoker Kindertransportes Anfang Oktober 1944 in der Kleinen Festung erschossen worden sind.

Die letzte Hinrichtung fand am 2. Mai 1945 auf dem Hinrichtungsplatz zwischen den Wällen im Südosten der Festung statt.

Am 2. Mai kamen zwei Beamte von der Gestapoleitstelle Prag nach Theresienstadt. Auf dem IV. Hof verlasen sie die Namen einer großen Anzahl von Häftlingen und forderten die Aufgerufenen auf, die Zellen zu verlassen und auf den Appellplatz zu kommen. Die Häftlinge waren unsicher. Auf der einen Seite misstrauten sie den Gestapobeamten, auf der anderen Seite waren sie über das nahe Kriegsende informiert und rechneten damit, entlassen zu werden. Von den Aufgerufenen meldeten sich 49 meist junge Männer, die der Widerstandsgruppe Předvoj und der illegalen KPtsch angehörten. Andere meldeten sich nicht, blieben in den überfüllten Zellen. Sie hatten Glück, denn die SS traute sich nicht in die von Flecktyphuskranken belegten Zellen. Die 49 jungen Männer wurden zusammen mit drei Frauen direkt zum Hinrichtungsplatz geführt und dort erschossen. Ihre Leichen wurden im Vorwerk der Festung verscharrt und sind später dann umgebettet worden.

Die Namen stehen auf dem zentralen Gedenkstein inmitten des Nationalfriedhofes.

  • Jiří Balabán 15. März 1927
  • Frantisek Bareš 13. November 1920
  • Karel Bartel 23. April 1925
  • Jindřich Černock 16. Januar 1910
  • Voiteh Černý 26. April 1903
  • Josef Česaný 13. Oktober 1898
  • Veronika Čiperová 16. März 1888
  • Miloš Dlouhý 16. Juli 1918
  • Jaroslav Dvořák 15. August 1925
  • Jaroslav Fabián 20. Juli 1896
  • Frantisek Hájek 11. Februar 1914
  • Boleslav Hanipejs 3. Februar 1910
  • Josef Hillebrant 5. Juni 1923
  • Bohuslav Hanuš 19. Februar 1906
  • Karel Hiršl 27. Dezember 1922
  • Vratislav Holát 3. Juli 1926
  • Miroslav Hošek 22. April 1920
  • Josef Huseny 31. Oktober 1909
  • Frantisek Janáček 25. Oktober 1907
  • Josef Janda 21. Januar 1894
  • Rudolf Jasenský 19. Dezember 1905
  • Frantisek Kohout 19. Oktober 1914
  • Jan Kordík 6. Oktober 1894
  • Ladislav Kulhánek 17. Juni 1908
  • Zdena Lachmanova 19. Mai 1920
  • Jiří Langer 10. August 1916
  • Miroslav Líva 16. August 1923
  • Jan Moyzis 16. Dezember 1920
  • Jiří Novák 13. August 1919
  • Antonín Pacovský 1. April 1920
  • Miroslav Pajer 10. Juli 1927
  • Frantisek Petrák 29. Juni 1898
  • Bohumil Plevka 24. Februar 1891
  • Emilian Romanenko 5. August 1890
  • Antonín Rách 11. Dezember 1897
  • Alzbeta Scharcowa 9. Dezember 1923
  • Jindřich Burčina 9. Dezember 1923
  • Stanislav Bobolak 30. April 1922
  • Jiří Stanék 11. März 1921
  • Cestimir Sdrouhal 12. September 1924
  • Jevgenij Sesták 23. Mai 1920
  • Frantisek Šiška 3. November 1910
  • Jiří Tichý 26. September 1924
  • Edmund Trachta 4. Januar 1902
  • Miroslav Vajar 2. August 1919
  • Sergej Vessenev 29. Mai 1916
  • Jaromír Vosejpka 20. September 1913
  • Arnošt Weidnek 27. Oktober 1914
  • Josef Zach 10. Mai 1904
  • Frantisek Zachariáš 30. September 1904
  • Josef Získá 1. Mai 1904

Hinrichtungen im Ghetto

Am Morgen des 10. Januar 1942 wurden in den Gräben der Aussiger Kaserne 9 Personen in Anwesenheit des Kommandanten Seidl, seines (betrunkenen) Stellvertreters Bergl, des Sturmbannführers Günther aus Prag und der Mitglieder des Ältestenrates gehenkt. Der Lagerkommandant liest „Über Anordnung des Befehlshabers des Sicherheitsdienstes für Böhmen und Mähren werden nachstehende Juden wegen Schmähung des Deutschen Reiches zum Tode durch den Strang verurteilt.....“ Einer der Verurteilten: „Wir fürchten uns nicht, aber den Krieg werdet ihr nicht gewinnen.“ Die Galgen mussten auf Anweisung des Lagerkommandanten von jüdischen Handwerkern gebaut werden, der Judenälteste wurde mit der Bereitstellung eines Henkers betraut.

Was war die Schmähung des Deutschen Reiches? Einer hatte einen Brief an seine Großmutter geschrieben und um etwas Essen gebeten, ein anderer hatte den Judenstern beim Kauf eines kleinen Lebkuchens abgelegt, was als Fluchtversuch ausgelegt wurde. Ein Dritter hatte auf dem Kasernenhof auf eine Arbeitsgruppe gewartet, sich umgedreht und dabei einen hinter ihm stehenden SS-Mann mit dem Ellbogen gestreift, was ihm als tätlicher Angriff ausgelegt wurde.

Am 26. Februar 1942 wurden nochmals sieben junge Männer aus ähnlichen Gründen und auf die gleiche Weise gehenkt.

Bei den am 10. Januar und am 26. Februar 1942 hingerichteten Personen handelte es sich um:

  • Jiří Grab geb. 1920 in Prag, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Josef Gross, geb. 1891 in Psely, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Jindřich Jetel, geb. 1920 in Prag, verheiratet, tschechischer Staatsbürger
  • Arnošt Levit, geb. 1889 in Pilsen, geschieden, tschechischer Staatsbürger
  • Pavel Masařek, geb. 1906 in Klatovy, verheiratet, tschechischer Staatsbürger
  • Dr. Jaroslav Stránský,geb. 1902 in Vervary, verheiratet, tschech. Staatsbürger
  • Julius Schiller, geb. 1898 in Branovice, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Salomon Teichmann, geb. 1903 in Alsoverecha, ledig, staatenlos
  • Ota Weinberg, geb. 1920 in Hranice, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Rudolf Fantl, geb. 1920 in Jindř. Hradec, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Hanuš Federer, geb. 1901 in Prag, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Pavel Freud, geb. 1922 in Trutnov, ledig, tschechischer Staatsbürger
  • Karel Klein, geb. 1913 in Teplitz-Schönau, ledig, tschech. Staatsbürger
  • Pavel Morgenstern, geb. 1921 in Hodonín, ledig, tschech. Staatsbürger
  • Preisler, František, geb. 1902 in Prag, verheiratet, tschech. Staatsbürger
  • Jindřich Winternitz, geb. 1922 in Dresden, ledig, tschech. Staatsbürger

Die SS wollte mit diesen Hinrichtungen von Beginn an klarstellen, wer Herr im Hause sei und die Menschen einschüchtern. Wenn man von den im Bunker misshandelten und erschlagenen Häftlingen absieht, hat es in Folge keine Hinrichtungen mehr im Ghetto gegeben. Die Todeskandidaten wurden in die Kleine Festung überstellt und dort hingerichtet.

Carlo Ross, der als David Rosen das Ghetto Theresienstadt erlebte und überlebte, berichtet in seinem Buch „Im Vorhof der Hölle“ (dtv Junior), daß Ende des Jahres 1944 auf Befehl der SS 20 ausgewählte Männer die im Hof der Aussiger Kaserne begrabenen Leichen der Opfer ausgraben mußten. Der Boden wurde planiert, die Leichen mit unbekanntem Ziel abtransportiert, die 20 Männer in die Kleine Festung deportiert und dort sofort erschossen.

Quellen

  • 398
    398. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 86ff.
  • 596
    596. Recherche Jürgen Winkel
  • 984
    984. Richard Feder , Jüdische Tragödie – Letzter Akt, Theresienstadt 1941 – 1945 – Bericht eines Rabbiners Verlag für Berlin Branden S. 56,
  • 1141
    1141. vergl. Carlo Ross , Im Vorhof der Hölle dtv, , München 1994 S.

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