Gestapogefängnis Kleine Festung

Gestapoleitstelle Prag Polizeigefängnis Kleine Festung

Verwaltungshof
Geschäftszimmer auf dem Verwaltungshof

Kommt man auf dem Verwaltungshof des Gestapogefängnisses, so sieht man linkerhand eine Tür mit der Aufschrift Geschäftszimmer. Nach ihrer Ankunft in der Kleinen Festung (einzeln oder in kleinen Gruppen) wurden die Häftlinge im Geschäftszimmer registriert, ihre Daten aufgenommen. Nach Berichten von überlebenden Häftlingen (wie z.B. Oberst Josef Svoboda) wurden die Häftlinge oftmals bereits hier schikaniert und misshandelt. Das Geschäftszimmer bestand aus zwei Räumen. Im ersten, durch die Tür zu betretenden Raum befand sich in der Mitte eine hölzerne Absperrung, bis zu der die Häftlinge vortreten mussten. Dahinter saßen die diensthabenden Aufseher an einem großen Schreibtisch. Rechts und links neben dem Schreibtisch befanden sich Schränke für Akten und Ablage. Ein kleiner Kanonenofen linkerhand heizte den Raum im Winter. Ein Durchgang führt in einen weiteren Raum, der ringsherum vom Boden bis zur hohen Decke mit Regalen versehen war, die Hunderte von kleinen Fächern besaßen. In diese Fächer kamen die angelegten Karteikarten und sonstigen Unterlagen der Häftlinge. Hier fanden auch die seltenen Entlassungen statt, hier wurde das Bestandsregister geführt, hier wurden die Papiere fertig gemacht, wenn ein Häftling wegen des gefällten Urteiles in ein anderes Gefängnis, Zuchthaus oder KZ überstellt werden sollte.

Wie die meisten anderen im Erdgeschoss liegenden Einrichtungen war auch das Geschäftszimmer nach der Flut von 2002 stark zerstört. Die Fußböden mussten erneuert werden, die Regale ausgeräumt.

Seit Juni 2005 sind die Räume renoviert, die historischen Möbel stehen an ihrem Platz und das Geschäftszimmer ist für die Besucher geöffnet.

I. Hof

Den I. Hof erreicht man durch das Tor „Arbeit macht frei“ vom Verwaltungshof aus. Der Hof ist in die Blöcke A und B unterteilt, in denen sich 17 Gemeinschafts– und 20 Einzelzellen befanden. Bis zu 1.500 Häftlinge waren in den Zellen des Hofes untergebracht.

In den Gemeinschaftszellen drängten sich bis zu 100 Gefangene in unerträglicher Enge. Die Zellen waren zu Österreichs Zeiten für 16 Militärgefangene konzipiert worden. In der Zelle Nr. 1 (vorne rechts) wurden sowjetische Kriegsgefangene eingekerkert, die regelmäßig zu Arbeiten in der Grube Richard in Litoměřice herangezogen wurden. In den Zellen 2 und 3 daneben wurden jüdische Häftlinge gefangengehalten, die entweder als „Politische“ inhaftiert worden waren oder wegen Verstößen gegen die Lagerordnung aus dem Ghetto in die Kleine Festung überstellt worden waren. Ihnen und den sowjetischen Gefangenen ging es am schlechtesten. Sie wurden bei der Essensausgabe benachteiligt, besonders von den Aufsehern drangsaliert, mit den schwersten Arbeiten beauftragt, ohne medizinische Hilfe gelassen, zu Tode gefoltert und geschlagen. In der Zelle 2., einer kleineren dunklen Zelle zwischen Nr. 1 und Nr. 2, wurde der Gefängnisvorsteher Jöckel während seines Prozesses in Litoměřice gefangen gehalten.

In der Sanitätsstelle nebenan wirkte der amtlich zugeteilte Polizeiarzt Dr. B. Krönert. Dieser behandelte jedoch kaum einen Häftling, sondern vorwiegend die Angehörigen der Wachmannschaften und die Aufseher.

Gegenüber der jüdischen Zelle befand sich das Büro der Hofverwaltung. Das Büro wurde anfangs von A. Neubauer, später dann von S. Rojko geleitet. Beide wurden nach dem Krieg angeklagt und verurteilt: Neubauer zum Tode, Rojko in Österreich zu lebenslänglicher Haft. In der Hofverwaltung wurden die Arbeitskommandos der Häftlinge zusammengestellt (auch die Arbeitskommandos für die Grube Richard) und die Listen der Häftlinge in den Zellen geführt. An der Ecke des Hofverwaltungsgebäudes hängt ein Klöppel, mit dessen Tönen die Häftlinge zu den Appellen gerufen wurden, die oftmals Stunden, halbe oder ganze Tage dauerten.

In den Einzelzellen wurden Häftlinge zwecks Strafverschärfung eingekerkert. Am äußeren Ende des Hofes lag die Küche, die von dem Aufseher Hohaus geleitet wurde. Hohaus benahm sich den Häftlingen gegenüber anständig, soll sogar geholfen haben. Er wurde in Litoměřice vor Gericht gestellt und 1946 freigesprochen.

Auf dem neben den Einzellen liegenden kleinen Hof wurden Häftlinge brutal mißhandelt.

In der linken Ecke des I. Hofes befanden sich die Entlausungsstation und das Krankenzimmer, in dem Häftlingsärzte sich um die Kranken kümmerten. Leo Haas berichtete 1967, daß in der jüdischen Zelle ein Mithäftling von einem dieser Ärzte ohne Narkosemittel und ausreichende Desinfektion am Blinddarm operiert worden ist.

Ebenfalls in der linken Ecke des I. Hofes befindet sich ein Gulli, in dessen Betonumrandung sich einige der Aufseher namentlich verewigt haben.

In einer Musterfriseurstube nebenan sollte 1944 demonstriert werden, wie sehr doch auf die Hygiene der Häftlinge geachtet wurde. Die Friseurstube wurde nie genutzt, man vermutet, daß die Gefängnisleitung Angst hatte, daß die Kommission des IRK den Wunsch nach einem Besuch des Gefängnisses äußerte.

1968 wurde die Jüdische Zelle des I. Hofes restauriert, dabei sind in den Holzritzen der Pritschen viele Kassiber der Häftlinge gefunden worden.

Durch das Hochwasser des Jahres 2002 schwer beschädigt, mußten in den Zellen die Holzfußböden herausgerissen werden. Sie sind inzwischen erneuert worden.

II. Hof

III. Hof

IV. Hof

Massenzellen

Auf der rechten Seite des IV. Hofes gibt es fünf Massenzellen, die von jeweils 400 bis 600 Häftlingen bewohnt wurden.

Jede dieser Gemeinschaftszellen war mit zwei längeren Tischen und einigen Bänken ausgestattet. Es ist unklar, wo Arbeitszeug und persönliches Habe abgelegt werden konnten. Die Pritschen waren dreistöckig, die oberen Etagen nur über eine an die Pritschen genagelte Holzleiter zu erreichen. Es gab nur wenig Platz zum Schlafen, die Männer mußten wie die Heringe in der Dose liegen, konnten sich kaum umdrehen, die Position verändern, ohne den Nachbarn zu stören. Auf eine Strohschüttung wurde verzichtet, sie schliefen auf den harten Holzdielen. Aufgrund von Platzmangel mußten viele auch auf dem Betonfußboden schlafen, oft in den Fäkalien der verstopften und übergelaufenen Toiletten, von denen es auf beiden Seiten des Einganges nur jeweils drei gab. Diese katastrophalen hygienischen Zustände führten im Frühjahr 1945 zu einer schnellen Verbreitung der Flecktyphusepidemie.

Die Zellen mußten von den Häftlingen in Leichtbauweise erstellt werden. Betonfußboden, gemauerte Wände, jedoch ein Teerpappendach, mit einem gläsernen Lichteinlass in der Mitte versehen. Diese Bauweise konnte die Hitze im Sommer und die Kälte im Winter nicht abhalten. Im Sommer war es, zumal bei der Überbelegung, stickig und unerträglich heiß, im Winter eisig kalt, da der kleine an der hinteren Wand stehende Kanonenofen nicht genügend Wärme für diesen Raum produzieren konnte und diese darüberhinaus wegen der fehlenden Dachisolierung entwich. Oberst Svoboda berichtete, daß dann der Kampf um die Plätze oben begann. Hier war es am wärmsten.

Herrenhaus (Pánské Dům)

Das Herrenhaus ist ein massives aus Erdgeschoss und Obergeschoß bestehendes Gebäude inmitten der Kleinen Festung. Es liegt gegenüber der SS-Kaserne, dem heutigen Museum, und ist auf einem Weg durch einen kleinen Park zu erreichen.

Dieses Gebäude diente zu K.u.K.-Zeiten dem Kommandanten der Festung und den Offizieren zusammen mit ihren Familien als Wohnunterkunft. Während der Gestapogefängniszeit wohnten hier einige der Aufseher mit ihren Frauen und Kindern. Kommandant Jöckl, seine Frau und Tochter bewohnten hier Räume, Rojko wohnte im ersten Stock des Herrenhauses. Ein Häftling Oberst Josef Svoboda) berichtete, daß die Kinder der Aufseherfamilien streng abgeschirmt im Park vor dem Herrenhaus spielten, daß das Schwimmbad und das Kino für die Bedürfnisse dieser Familien von Häftlingen gebaut werden mußten.

Heute ist im Herrenhaus die Leitung der Gedenkstätte und die Verwaltung untergebracht. Im ersten Stock befinden sich neben dem Konferenzraum das Büro des Direktors und die Finanzverwaltung, im Erdgeschoß das Archiv, die Bücherei, das Fotolabor und das Büro des Verwaltungsdirektors.

siehe auch:

Quellen

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    248. Recherche Jürgen Winkel

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