Anna Flachová, genannt Flaška, wurde am 26. November 1930 als jüngstes Kind von Leo und Elisabeth Flach in der polnisch-tschechischen Grenzstadt Polski-Tešin (heute Cieszyn) geboren. Als sie ein Jahr alt war, zog die Familie nach Ceský Tešin und bald darauf nach Ostrava/Mährisch Ostrau.
Im Februar 1937 übersiedelte die Familie nach Brünn, Adlergasse 13, wo Flaškas Vater einen Reißverschluss-Großhandel eröffnete. In Brünn erhielt Flaška ihren ersten Klavierunterricht und besuchte zusammen mit ihrer Schwester Alice die renommierte Ballettschule von Ivo Vána-Psota. 1939 nahm sie ihren ersten Gesangsunterricht bei einem Meister seines Fachs, Professor Sigmund Auspitzer, der den weltberühmten Opernstar aus Brünn, Maria Jeritza, ausgebildet hatte.
Kurz nachdem die Deutschen in Brünn einmarschiert waren, wurde das Geschäft ihres Vater unter die Aufsicht von zwei arischen „Treuhändern“ gestellt.. „Mein Vater arbeitete, während die Deutschen kontrollierten und viel Geld dafür einkassierten“, sagte Flaška später. „Wir mußten sie täglich in unserer Wohnung dulden.“
Im August 1940 gelang es ihrer Schwester Irena, sich mit der Jugend-Alija einem illegalen Schiffstransport nach Palästina anzuschließen. „Ich erwarte Dich bald hier“, schrieb Irena Anna zum Abschied ins Poesiealbum und „Vor allem: Singe fleißig, weil Deine Stimme Dein einziger Besitz ist.“
Zum Singen freilich war ihr immer weniger zumute. Ein unerfreuliches Erlebnis wechselte mit dem nächsten ab. Als sie den gelben Stern tragen mußte, blieb eine Frau vor ihr stehen und zeigte auf die weißen Filzstiefel, die sie gerade von ihrer Mutter erhalten hatte und schrie: „Du Saujude, gib die Stiefel her, so eine wie Du darf solche Stiefel doch überhaupt nicht haben.“ „Das war furchtbar, ich weiß es noch genau. Ich habe fortan immer Angst gehabt, die Stiefel zu tragen. Aber es war doch kalt und ich hatte keine anderen.“
Ein anderes Mal gingen zwei uniformierte Deutsche an ihr vorbei und sie hörte, wie der eine sagte: „ So ein schönes Mädchen. Nur schade, daß sie eine Jüdin ist.“ Das hatte Flaška sehr schockiert. „Was ist schlecht daran, eine Jüdin zu sein? Noch jetzt habe ich das starke, bittere Gefühl in mir, wenn ich daran zurückdenke. Oder wenn ich antisemitische Äußerungen höre. Das trifft mich zutiefst. Stärker als Hunger und andere Beschränkungen und Verbote war dieser Hass, der uns entgegenschlug, die ungerechtfertigte Erniedrigung, der wir ausgesetzt waren. Das bleibt ein ganzes Leben.“
Am 26. November 1941 kam mit Flaškas elftem Geburtstag auch die Aufforderung zur Einreihung in den Transport. „Das war mein Geburtstagsgeschenk! Ich sehe noch, wie meinem Vater die Tränen kamen. Es war das erste Mal, daß ich ihn weinen sah.“
Drei Tage später machte sich die Familie auf zum Sammelpunkt. Von dort ging es weiter. Es war der erste Familientransport aus Brünn, der am 2. Dezember 1941 in Theresienstadt ankam.
Flaška kam in das Mädchenheim L 410 am Marktplatz und in das Zimmer 28.
Flaška freundete sich mit den anderen Mädchen auf dem Zimmer an, half mit ihnen zusammen den alten hilflosen Menschen, begeisterte sich für die Kinderoper Brundibár. Im Februar 1942 starb Flaškas Großmutter Ottilie.
Sie nahm an der grausamen Zählung im Bohusovicer Kessel teil, erlebte die Verschönerungsaktion, den Besuch der Kommission des IRK und die Dreharbeiten zu Kurt Gerrons Film. Sie musste miterleben, wie ein Mädchen nach dem anderen auf Transport gehen musste und sich das Zimmer 28 langsam leerte.
Im späten Herbst des Jahres zog sie zu ihren Eltern in die Magdeburger Kaserne. Sie arbeitete mal in der Landwirtschaft, dann in der Glimmerproduktion, eine zeitlang als Laufmädchen in der Ordonnanz. Flaška und ihre Eltern erlebten die Befreiung am 8. Mai in Theresienstadt.
Flaška hatte Glück. Eltern und Schwester überlebten den Holocaust, viele ihrer Verwandten sah sie jedoch nicht wieder.
In Brünn begann für Anna ein neues Leben. Sie wandte sich mit größter Hingabe der Musik zu und wurde Pianistin, Sängerin und Professorin für Gesang und Klavier am Brünner Konservatorium und an der Janáček-Akademie. 1955 heiratete sie den Oboisten Vítěslav Hanuš, mit dem sie eine glänzende Musikerlaufbahn teilte. Gemeinsam gaben sie zahlreiche Gastspiele im Ausland, in den Jahren 1959-1961 in Peking, in den Jahren 1955 – 69 in Beirut und 1968/69 in Sydney. Der 1970 geborene Sohn Tomáš Hanuš ist ein international erfolgreicher Dirigent. Er gründete das Neue Tschechische Kammerorchester und ist ständiger Dirigent der Tschechischen Kammerphilharmonie und der Philharmonie in Bratislava.
Anna Flachová ist immer noch sehr engagiert in Sachen Musik, ist neben ihrer Tätigkeit als Musikpädagogin Mitglied der Brünner Abteilung der Dvořák-Gesellschaft und bis heute sehr darum bemüht, die Erinnerung an die Theresienstädter Komponisten, insbesondere an den in Brünn geborenen Pavel Haas, lebendig zu halten. Die Initiative zu vielen Musikveranstaltungen ist ihrem Bemühen zu verdanken.
Anna Flachová ist auch Mitglied in der Theresienstädter Initiative in Prag. Als Zeitzeugin ist sie häufig unterwegs, insbesondere als Gast im Rahmen von Brundibár-Aufführungen. „Ich sehe es als unsere Pflicht an, über unsere Erfahrungen im Holocaust zu sprechen. Dies um so mehr, je mehr Stimmen laut werden, die den Holocaust leugnen. Ich will nicht, daß diese Zeit vergessen oder gar verleugnet wird.“
Anna Flachová trifft sich mit den überlebenden Mädchen vom Zimmer 28 jährlich einmal im Riesengebirge.