Wolfenstein-King, Helga

Helgas Großvater war Direktor der Städtischen Bühnen in Brünn, der Vater war Rechtsanwalt. Die 20jährige Helga wird 1942 mit ihrer Mutter und ihrer Tante Julie Fleischer nach Theresienstadt deportiert und findet in der > Magdeburger Kaserne Arbeit, in dem die „Jüdische Selbstverwaltung“ nach Befehlen der SS das Lagerleben zu organisieren hat. In der Magdeburger Kaserne befindet sich auch der Zeichensaal der Technischen Kanzlei. Hier arbeiten unter Führung von Bedrich Fritta Künstler, die offizielle Aufträge erledigen müssen, ansonsten aber das Leben im Ghetto in eindrucksvollen Bildern festhalten. Dem Kreis der Künstler wird Helga Wolfenstein zugewiesen. Hier lernte sie Petr Kien kennen, einen 22 jährigen jungen Prager Maler, der 1941 von der SS nach Theresienstadt deportiert wurde. Sie wird ihm als Assistentin zugewiesen. Als er sie abends nach „Hause“ bringt, in die Hohenelber Kaserne, wo Helga zusammen mit ihrer Mutter wohnt, erhält sie von ihm den ersten Kuss. Petr Kien trennt sich von seiner Frau Ilse Stransky, die er kurz vor der Deportation in Prag geheiratet hatte. Bei Petr Kien ist die Panik groß, zu sterben, ohne gelebt zu haben.

Er zeigt ihr seine neuen Zeichnungen, liebt sie in einer Mansarde. Sie ist Modell und Geliebte zugleich. Die Mutter Helgas leidet unter der Beziehung ihrer Tochter zu einem verheirateten Mann und schreibt einen Brief, der als Anmeldung zum Transport verstanden wird. Kien gelingt es, eine Streichung Helgas, ihrer Mutter und ihrer Tante von der Transportliste zu erreichen.

Im Oktober 1944 stehen dann die Namen von Petr Kiens Eltern auf der Transportliste. Er schließt sich seinen Eltern an, ohne ihr etwas davon gesagt zu haben. Er schenkt ihr seine Skizzenbücher und mehr als 400 Zeichnungen aus der Ghettozeit in einem Koffern, er schenkt ihr Briefe, von denen sie jeden Tag einen öffnen soll.

Am 16. Oktober 1944 verläßt der Transport mit 1.500 Menschen das Ghetto, darunter Petr Kien, 25 Jahre alt, Nummer: 665/0. Petr Kien überstand in Auschwitz die Selektion auf der Rampe. Er starb Ende 1944 an einer Infektionskrankheit.

Helga Wolfenstein wird am 8. Mai 1945 im Ghetto Theresienstadt von der Roten Armee befreit. Helga ist todkrank, wie ihre Mutter an Flecktyphus erkrankt. Die Mutter stirbt. Helga kann nicht glauben, daß Petr Kien in Auschwitz ums Leben gekommen ist. Sie beginnt in Prag ein Studium an einer staatlichen Grafischen Schule. Sie beantragte ein Visum für England, wo ihre Schwester lebt, die den Nazis entkommen konnte. Den Koffer mit den Zeichnungen Kiens deponiert sie bei einer Tante in Brünn. Die Kommunisten putschen in Prag und Helga Wolfenstein kehrt nicht wieder nach Brünn zurück. 1971 erzwang das Regime die Herausgabe der Zeichnungen an die Gedenkstätte Theresienstadt. Nur wenige Sachen sind erhalten geblieben. Sie lebt heute in den USA, verheiratet mit einem Tschechen, den sie als Jugendliche in der Tanzstunde kennen gelernt hatte. Sie ist heute eine alte Frau aber sie träumt immer noch von Petr Kien. Dr. Munk, Direktor der Gedenkstätte Terezin, hat ihr einen Brief geschrieben und darum gebeten, die Zeichnungen erwerben zu dürfen. Helga Wolfenstein möchte sie zurück. Dr. Munk verweist sie auf das Kultusministerium.

Quellen

  • 1050
    1050. Süddeutsche Zeitung vom 20 , April 2002 S. VII,

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