In Deutschland durfte von „Deportation“ offiziell nicht gesprochen werden. Offiziell hieß es „Abwanderung“ oder „Evakuierung“, für Theresienstadt aber „Wohnsitzverlegung“. Personen über 65 Jahre kamen ab Juni 1942 meist nach Theresienstadt. Kriegsverletzte, dekorierte Weltkriegsteilnehmer samt Frauen und Kindern, als Geltungsjuden bezeichnete Halbjuden, jüdische Elternteile von Mischlingen, verschiedene Bevorzugte, darunter Prominente und Mitglieder der „Reichsvereinigung“. Bevor man Reichsdeutsche nach Theresienstadt zu verschicken begann, wurde auf Befehl der „Aufsichtsbehörde“ für die „Reichsvereinigung“ das „Sonderkonto H“ geschaffen. In dieses Sonderkonto bei dem Bankhaus Heinz Tecklenburg [&] Co, in Berlin dem Zugriff des Reichssicherheitshauptamtes ausgesetzt, mußten die meisten der ab 1942 nach Theresienstadt deportierten Juden ihr bewegliches Vermögen, namentlich Wertpapiere, Bankkonten und Hypotheken überführen. Dies geschah in Form eines „Heimeinkaufsvertrages“, der mit der „Reichsvereinigung“ abzuschließen war. Die so übertragenen Werte mußten veräußert und der Erlös auf das Konto des „Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren“ bei der Böhmischen Unionbank in Prag überwiesen werden.
Die zu diesen Verträgen gezwungenen Menschen verstanden dies als eine Art „Altersversorgung“ und rechneten fest damit, ihr Leben gerettet zu haben und einer Deportation nach dem Osten entkommen zu sein.
Ab Juni 1942 kamen die ersten Transporte aus Berlin, München, Köln und Wien in Theresienstadt an. Es handelte sich im wesentlichen um alte, müde, meist gebrechliche, selbst sterbenskranke Menschen. Sie kamen aus Versorgungsheimen und Sammellagern, hatten manchmal ihr Gepäck nicht richtig packen können. Die Fahrt nach Theresienstadt dauerte oft Tage und bei ihrer Ankunft waren sie häufig völlig verwahrlost, verschmutzt und halb verhungert. Manche hatten nicht einmal eine Wegzehrung mit. Es waren 70- bis 80jährige dabei, an Leib und Seele verwüstet, keines Entschlusses mehr fähig. Diese in „preußischer“ Ordnung erzogenen Menschen waren leicht zu hintergehen, denn sie merkten nicht, daß diese Ordnung schon längst entwertet war. Bei all dem, was man ihnen vorgeschwindelt hatte, schöpften sie keinen Verdacht. Man hatte ihnen vom „Kurort Theresienstadt“, einem „Reichsaltersheim“, dem „Bad Theresienstadt“ erzählt und so brachten sie Familienandenken, Gardinen, Vasen, ein paar Zigarren und Kleidung mit, die für einen Ferienaufenthalt angemessen gewesen wäre, aber nicht für das Leben im Ghetto. Es mangelte ihnen an lebenswichtigen Sachen, an Decken, warmer Kleidung, an Waschsachen, an Löffeln und Essgeschirren, Dinge, die man in Theresienstadt zum Überleben dringend benötigte.
Nun standen sie auf dem Bahnhof in Bohušovice, angebrüllt von SS, Gendarmen und Juden der Transportabteilung und mußten, völlig entkräftet, den Marsch ins Ghetto antreten. Die Ankömmlinge fragten schon auf dem Bahnhof oder später in der „Schleuse“, ob sie ein Einzel- oder Zweibettzimmer bekommen würden und ob man Aussicht auf den See hätte. Sie zeigten Bestätigungen über große Geldbeträge (bis zu 500.000 RM), mit denen sie sich einen lebenslangen Aufenthalt in Theresienstadt samt Verpflegung gekauft hatten. Nun wurden sie ihrer letzten Habe beraubt, durften manchmal vielleicht das Handgepäck behalten, und in stickige, feuchte Kasematten verteilt. Sie starben wie die Fliegen, Opfer eines großen Betrugs.