Widmayer, Heinrich

Widmayer wurde im Herbst 1944 wegen Betätigung für die Revolutionären Sozialisten von der Gestapo festgenommen. Die Namen seiner Mitstreiter hatte er trotz verschärfter Verhöre im Gestapogefängnis am Moritzplatz in Wien nicht verraten. Mit demselben Transport wie Josef Sasso wurde er nach Prag-Pankratz überstellt. Nach ständigen Verhören wurde er nach eineinhalb Wochen in die Kleine Festung Theresienstadt verbracht. Den Transport bewachten tschechische Gendarmen, die zuließen, daß ihm und den anderen Gefangenen von tschechischen Frauen am Bahnhof Lebensmittel zugesteckt wurden. Die Gendarmen erlaubten auch das Schreiben von Briefen an Angehörige während der Bahnfahrt nach Theresienstadt.

Am Schlagbaum des Festungseinganges übergaben die tschechischen Polizisten die Häftlinge an die SS. Im Laufschritt wurden sie vor die Kanzlei vor den Aufseher Stefan Rojko getrieben. Bereits auf dem Weg dahin waren zwei Männer unter Stockhieben liegengeblieben.

„All meiner Habseligkeiten beraubt, auch der zugesteckten Lebensmittel, kam ich zunächst in eine Zelle, in der außer mir nur ein etwa vierzigjähriger Grieche war, der im Sterben lag. Einige Tage später wurde ich in eine Hundert-Mann-Zelle verlegt. Schon zuvor hatte man mir aus dem Haupthaar den obligatorischen, etwa drei Zentimeter breiten Streifen vom Genick bis zur Stirn ausradiert und mich in das Sträflingsgewand gesteckt, dessen Rückenteil und Hosenbeine jeweils mit zwei senkrechten und einem waagerechten Balken aus roter Ölfarbe markiert waren“ - die Kennung der politischen Häftlinge.

Widmayer überlebte die Gestapohaft in der Kleinen Festung und wurde im Mai 1945 befreit. Er kehrte zurück nach Österreich, trat der SPÖ bei, wurde Nationalrat. In einem Brief an das Landgericht Graz schilderte er seine Erlebnisse im Gestapogefängnis Kleine Festung Theresienstadt.

Als besonders brutal schilderte Widmayer die Umstände, unter denen die Häftlinge ab März 1945 zum Aushub eines Panzergrabens entlang der Straße nach Leitmeritz eingesetzt waren. Sie hatten den etwa 400 Meter langen Graben jeweils zweieinhalb Meter breit und tief auszuheben, indem die ganz unten stehenden Häftlinge die Erde auf eine mittlere Stufe warfen, von wo eine zweite Reihe Häftlinge sie letztlich aus den Gräben beförderte. In einer Entfernung von etwa 20 Metern um die Baustelle bildeten die SS-Männer den sogenannten Kreis. Wer diesem zu nahe kam, wurde "auf der Flucht" erschossen. Nicht selten wurden neu zugegangene Häftlinge Opfer ihrer Unerfahrenheit, wenn sie meinten, den vorgeblich versteckten Gesten des Bewachungspersonals trauen zu können und eben weggeschnippte Zigarettenstummel aufzuklauben versuchten.

„Das Heraustreiben aus dem Kreis“, berichtete Widmayer, „war ein beliebter Sport der SS und der Kapos, oft jedoch das Ergebnis der unberechenbaren Brutalität Rojkos, der zur Aufsicht über die Grabungsarbeiten abgestellt war. So befahl er einmal dem Kapo Josef Wollenweber, einen angeblichen Brotdieb ‚aus dem Kreis zu treiben’. Als Wollenweber zögerte, weil sich der Häftling – für den Kapo offenbar glaubwürdig - verteidigte, forderte Rojko, außer sich vor Wut, Wollenweber nochmals auf, den Häftling hinauszutreiben. Danach sprang der Kapo in den Graben und zwang sein Opfer unter Prügeln heraus. Beteuerungen seiner Unschuld und das flehentliche Bitten, Wollenweber möge von ihm ablassen, nützten nichts. Schon hatte der > Kapo ihn über den Grabenrand hinausgeprügelt. Um den Schlägen auszuweichen, trat der Häftling jeweils einen Schritt zurück. Dem Kreis schließlich zu nahe gekommen, wurde er erschossen. Danach musste Wollenweber den Toten auf einem Karren den ganzen Graben entlang hinaus- und herunterfahren und alle zwanzig Schritt ausrufen: ‚Seht her, so wird ein Brotdieb bestraft.’“

Widmayer berichtete weitere Brutalitäten und Morde, für die Rojko verantwortlich war oder die er selbst verübte. Widmayer wurde zu einem der wichtigsten Belastungszeugen im Prozess gegen Rojko.

Quellen

  • 980
    980. Heimo Halbrainer/Thomas Kárný , Stefan Royko - Geleugnete Verantwortung Edition Geschichte der Heimat Franz Steinmaßl, , Grünbach 1996 , S. 30ff.

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