Friedmann, Dr. Hugo

Hugo Friedmann wurde am 10. April 1901 in Wien geboren und am 10. Oktober 1942 von Wien aus nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 28. September 1944 nach Auschwitz, später nach Dachau deportiert, wo er am 15. Januar 1945 starb.

Hugo Friedmann hat während seines Aufenthaltes im Ghetto Theresienstadt (so berichtet Käthe Starke in ihrem Buch „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“) kunsttopographische Vorträge gehalten und Führungen durch die Stadt unternommen. Er war als Bibliothekar in der Zentralbücherei beschäftigt. Als solcher legte er ein 26seitiges Manuskript mit dem Titel „Kunstführung durch Theresienstadt“ an, das erhalten geblieben ist. Einleitend behandelt dieses Manuskript die Bau- und Kunstgeschichte Theresienstadts. Ursprünglich waren dem Manuskript Illustrationen (von Alfred Bergel gezeichnet) beigefügt, von denen Käthe Starke viele retten konnte, sie werden heute im Rahmen der Ausstellung "Das Theresienstadt-Konvolut gezeigt.

Friedmanns vom November 1943 datierte Manuskript ist ein erstaunliches Dokument, nicht nur für die städtebauliche Würdigung, und eine ungewöhnlich sensible Beschreibung der Festungsstadt. Es demonstriert auf eindrucksvolle Weise die Fähigkeit, durch geistige Kreativität unmenschlichen Lebensbedingungen und Erniedrigungen standzuhalten. Die grausame Realität des Ghettos, von der die Hinwendung zur Stadtbaugeschichte und die künstlerische Wahrnehmung der Architektur ablenken sollen, wird nur an wenigen Stellen des Schriftstückes vermerkt, z. B. angesichts der Beschreibung eines Bürgerhauses: „Oft habe ich mich, erfüllt vom Ekel über die Härten und die Unerträglichkeit des Ghettodaseins, vor diese Rokokofassade geflüchtet und hier Ablenkung, Trost und Hoffnung geschöpft.“

Friedmanns Vortragsmanuskript ist wahrscheinlich die erste kunstgeschichtliche Würdigung der Festungsstadt überhaupt. Seine Betrachtung über Theresienstadt sowie seine Beobachtungen und Folgerungen richten sich auf das gesamte Stadtgefüge, auf die topographische, bautypologische und stilgeschichtliche Beschreibung. Da Archivalien im Ghetto nicht zugänglich waren, wurden mündliche Überlieferungen aus dem Kreis der Inhaftierten als Informationsquelle mit einbezogen. Aufschlussreiche historische und charakteristische Details kamen so zustande. So erfährt man, daß Bürgerhäuser noch Stuckdekor aufwiesen, mit Zunftzeichen geschmückt waren und eine polygame Farbgebung hatten. Friedmann weist auf „Merkwürdigkeiten“ der Festung als eine Stadt der Aufklärung hin, zum Beispiel darauf, daß alle Katholizismen fehlen. Es gibt z. B. keinen Bildstock, nicht die obligatorische Dreifaltigkeitssäule, nicht einmal eine Nepomuksäule. Kein Haus weist ein Madonnenbild auf.

Wertvolle Informationen aus dem Manuskript Friedmanns betreffen auch den Bauprozess der Festung. So seien mit der Planierung und dem Brennen von Ziegeln kaiserliche Regimenter, vorwiegend Kroaten, beschäftigt gewesen. Die Konstruktion der Fundamentierung in dem Schwemmland erfolgte nach Friedmanns Angaben durch Eichenpiloten und daraufgelegte eichene Roste, auf denen die gemauerte Baurüstung ansetzte. Die Ansiedlung der Zivilbevölkerung geschah, wie Friedmann berichtete, reglementiert und war mit vielerlei Vergünstigungen verbunden wie Steuerfreiheit, Befreiung vom Kriegsdienst oder kostenlosen Bauplänen u. a. für die brandgeschädigten Bürger von Böhmisch Laibach.

Dem Festungskonzept lagen Vorbilder aus Holland und Frankreich sowie das altrömische castrum zugrunde.

Quellen

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    239. Astrid Debold-Kritter/Gabriele Fliessbach , Theresienstadt - Terezín - Vergegenwärtigung von Stadtgeschichte Schinkelzentrum und Kartographie-Verband Schinkel-Zentrum TU Berlin, , TUB 2004 , S. 6.

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