Arbeit im Gestapogefängnis

Die Häftlinge des Gestapogefängnisses waren zur Arbeit verpflichtet. In den Jahren 1941-42 wurden sie vor allem zu Arbeiten innerhalb des Gefängnisses, also innerhalb der Kleinen Festung, herangezogen. So arbeiteten sie auf den Schanzen und in den Festungsgräben, schnitten das ewig wuchernde Rosiniengestrüpp ab, hoben Dränagegräben aus, die die Festungsgräben entwässerten. Noch 1993 waren in den Gräben im Schleusengraben am Prager Tor in die Ziegelsteine geritzte Inschriften von Häftlingen zu finden, die hier gearbeitet haben müssen. In einer Gärtnerei nordöstlich der Kleinen Festung wurden Blumen aber auch Gemüse gezogen, auf den Wällen Maulbeerbüsche gepflanzt, von denen Ableger noch heute erhalten sind.
Später wurden Außenkommandos gebildet, die vor allem in der Industrie, in der Landwirtschaft, im Verkehrswesen und in der Grube Richard bei Litoměřice eingesetzt wurden.
Das 1943 aus etwa 200 Häftlingen bestehende Baukommando wurde von dem Aufseher Soukup geleitet, der – nach Zeugenaussagen – die Häftlinge systematisch quälte. Eines der ersten Projekte dieses Kommandos war im Jahr 1942 die Errichtung eines Schwimmbeckens für die SS-Mannschaften und die Aufseher mit ihren Familien. Neben jüdischen Häftlingen waren vor allem inhaftierte Schüler aus Roudnice Mitglieder dieses Arbeitskommandos. Das unmenschliche Arbeitstempo, den Mangel an Arbeitsmaterial und Arbeitsgerät und Soukups Sadismus bezahlten viele Häftlinge mit dem Tod.

Eine weitere Arbeitsgruppe wurde nach ihrem brutalen Aufseher das „Storchenkommando“ genannt. Dieses Kommando wurde hauptsächlich in der Landwirtschaft und bei Erdarbeiten in oder in der Nähe der Kleinen Festung eingesetzt. Storch quälte und schlug vor allem jüdische Häftlinge mit Unterstützung einiger Kapos. Viele Mitglieder seines Kommandos erlitten schwere gesundheitliche Schäden oder wurden durch Schläge getötet. Miloš Bič, der aus politischen Gründen verhaftet worden war, berichtet: „Einige Zeit arbeitete ich im Baukommando des dummen und sadistischen Aufsehers Soukup. Man bereitete den Bau von neuen Massen- und Einzelzellen auf der Ostseite der Kleinen Festung vor, wo der Vierte Hof entstand..... (wir) mußten schwer arbeiten, für Gespräche blieb keine Zeit.....Nicht weit von uns arbeitete das berüchtigte Kommando des Judenhassers Storch. Die Aufgabe des Kommandos bestand darin, durch Abtragung eines Abschnitts der Befestigung das Gelände zu verbreitern und zu planieren. Eines Tages sahen wir ungefähr 15 neue jüdische Häftlinge in dem Kommando. Man hatte sie eben aus dem Ghetto eingeliefert, nachdem dort eine Affäre aufgeflogen war... Mit den Juden zusammen kam auch eine Gruppe von SS-Anwärtern, halbwüchsige, gemeine Rohlinge. Sie belustigten sich damit, die Juden im Laufschritt arbeiten zu lassen. Auf dem unebenen Terrain mit Schubkarren, die mit Erde vollgeladen waren, hin und her zu laufen, war schlimm für die Menschen, die an solche Arbeit nicht gewöhnt waren. Ich sah, wie ein junger Jude, der seinem Aussehen nach in seinem Leben nie etwas anderes als einen Federkiel gehalten hatte, sich mühte, einen hoch beladenen Schubkarren fortzubewegen. Der Schubkarren kippte um und die Lehmladung fiel heraus. Der Junge wollte seinen Fehler wieder gutmachen und beeilte sich, die Erde rasch wieder mit den Händen in den Schubkarren zurück zu schaufeln. Ein SS-Mann sprang auf ihn zu und befahl ihm, das Erdreich mit dem Mund aufzuladen. Diesem Vergnügen sahen die SS-Leute lange Zeit zu, bis sie einen anderen Juden heranriefen, der das Erdreich mit der Schaufel auflud. In der Zwischenzeit unterhielten sich andere SS-Männer damit, daß sie einen älteren Juden mitsamt seinem Schubkarren die Böschung, über die man Erdreich und Schuttbrocken ablud, hinunterwarfen. Es machte ihnen einen riesigen Spaß, zu sehen, wie der alte Mann sich mühte, samt seinem Schubkarren den Abhang wieder hinaufzukommen. Ein paar SS-Männer stellten sich an den Rand der Böschung und brachten ihn jedesmal, wenn er den Abhang fast überwunden hatte, dadurch neuerlich zum Abrutschen, daß sie ihn mit Ziegelbrocken bewarfen. Endlich gelang es ihm, den Rand zu erreichen. Nun begann aber eine neue Hetzjagd auf ihn. Die SS-Männer benutzten ihn als lebendes Ziel für ihre Steinwürfe. Sie trafen ihn immer wieder mit Ziegelbrocken und setzten ihm so zu, daß er sich schließlich in seiner Verzweiflung die Wand hinunterstürzte, an deren Fuß wir die Fundamente für die zukünftigen Zellen aushoben. Er fiel mehrere Meter tief und blieb blutüberströmt und bewußtlos vor meinen Füßen liegen. In dem Augenblick sah ich nur den Menschen, der vielleicht schwer verletzt war, ich hörte sein Röcheln. Ich verstand nicht, daß er in den Augen der SS nur ein „Stinkjude" war. Ich stellte daher meine Schaufel zur Seite und wollte ihn aufrichten. Ich war jedoch zu schwach, um den bewußtlosen Menschen aufzuheben, der zusammengekrümmt in dem ausgehobenen engen Graben lag. So drehte ich ihn um, damit er wenigstens nicht mit dem Gesicht im Erdreich lag. Und da geschah etwas Unerwartetes. Einer der SS-Leute wies einen Juden an, er möge mir helfen, den Mann aus dem Graben herauszuziehen. Es war viel Arbeit aber wir schafften es endlich und zogen ihn heraus. Dann brachten andere Häftlinge den Ärmsten mit ein paar Eimern kalten Wassers – es war Oktober und schon recht kalt – wieder zu Bewußtsein. Am nächsten Tag kam er nicht mit den anderen zur Arbeit. Ich weiß sonst nichts von ihm, da aber Juden damals kein Recht auf Behandlung im Marodenzimmer hatten, konnte er nur ... arbeitsunfähig oder tot sein. Unter den Lebenden sah ich ihn nicht".

1941 entstanden Häftlingswerkstätten, in denen Pritschen, Särge und Möbel für die SS-Kantine und Schreibstuben und für die privaten Belange der Aufseher hergestellt wurden. Leiter der Werkstätten auf dem heutigen Werkstatthof war der Aufseher J. Sternkopf, der sich den Häftlingen gegenüber anständig verhielt, sogar einige ihrer illegalen Aktivitäten tolerierte. Er wurde nie vor ein tschechoslowakisches Gericht gestellt, nie angeklagt.

In der Gefängnisdruckerei wurden Postkarten und Formulare für die Gefängnisverwaltung hergestellt. Kontakte zur Aussenwelt hatten nur die Mitglieder des Versorgungskommandos bei ihren Einkäufen und Botengängen in den benachbarten Dörfern. Einige Häftlinge arbeiteten in der Gefängnisküche, wo der Aufseher Neuhaus ihnen erträgliche Bedingungen bot. Die weiblichen Häftlinge wurden zur Landarbeit oder zur Viehbetreuung eingesetzt, halfen in der Wäscherei oder bei der Reparatur von Wäsche und Oberbekleidung.

Im Schleusengraben hatten die Häftlinge einen kleinen Stall für Schweine bauen müssen, in den Magazinen des Mitteltraktes der Kleinen Festung, der den großen Innenhof vom IV. Hof trennt, waren Unterstellplätze für das Vieh aus Lidice geschaffen worden.

Im Jahr 1941 ordnete die Prager Gestapoleitstelle den Einsatz der Theresienstädter Häftlinge außerhalb des Gefängnisses an. 55 Pfennig mußten die Arbeitgeber für eine Stunde Häftlingsarbeit bezahlen.

In den Jahren 1941–42 bereiteten 30–40 Häftlinge die Kellerräume der ehemaligen Elbschloßbrauerei für eine kriegswichtige Produktion vor, ab 1944 beteiligte sich ein anderes Kommando an der Herstellung von Flugzeugpropellern in dem neu eingerichteten Betrieb der Albiswerke.

Bis zu 300 Häftlingen arbeiteten im Kommando Reichsbahn, das für die Instandhaltung der Bahnstrecken verantwortlich war, Reparaturarbeiten durchführte, die Waggons z. B. auf dem Bahnhof in Ustí be- und entlud. Weitere Arbeitsgruppen fuhren täglich in die Schlichtfabrik nach Aussig (Ustí nad Laben), arbeiteten in der Produktion von Fetten und Schmierstoffen. Kolonnen von Häftlingen arbeiteten im Betrieb der Firma Sputh in Lobositz (Lovosice), im Benzinlager Hněvice und in den Ziegelfabriken der Umgebung.

Häftlinge aus Theresienstadt arbeiteten in den Jahren 1943–1944 in den Eisenhütten Kladnos und wurden beim Bau des Kladnoer Stadions und Polizeigefängnisses eingesetzt. Ein Arbeitskommando, vorwiegend aus jüdischen Häftlingen bestehend, wurde in Trautenau (Trutnow) bei Waldarbeiten eingesetzt. Weitere Häftlingsgruppen wurden gegen Ende des Krieges bei Befestigungsarbeiten im Raum Hradec Králové als Zwangsarbeiter beschäftigt.

Zwischen 300 und 1.000 Häftlinge der Kleinen Festung (vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene, aber auch jüdische Häftlinge) wurden ständig dem sogenannten Kommando „Richard“ zugeteilt, das beim Auffahren von unterirdischen Produktionshallen unter dem Berg Radobýl bei Litoměřice eingesetzt wurde. Sie mußten den gesprengten Abraum „wegschaffen“, bauten Verkehrswege, verlegten Gleise, errichteten einen Umschlagplatz, ein Wasserwerk, Büros und Lagerräume. Die Arbeit war schwer und gefährlich, es gab Unfälle, Schwerverletzte und Tote. Die Arbeit im Kommando „Richard“ war gefürchtet.

In den Jahren 1943/44 wurden Häftlinge des Bau- und des Storchenkommandos eingesetzt, um zwischen zwei Befestigungsringen den sogenannten IV. Hof zu errichten. In den letzten Kriegswochen wurden Häftlinge der Kleinen Festung zwischen Litoměřice und Theresienstadt beim Ausheben von Panzergräben eingesetzt. Sie wurden u. a. bewacht von Kadetten der SS-Nachrichtenschule in Litoměřice, die die Häftlinge brutal mißhandelten, prügelten, willkürlich erschossen (siehe oben und Julius Viel), wenn sie knietief im Grundwasser arbeiteten und nicht mehr weiter konnten.

<#špatný link#>*Miloš Bič studierte Theologie und Philosophie, war später Prof. an der Prager Universität und Mitglied der Böhmischen Brüdergemeinde

Quellen

  • 9
    9. Recherche Jürgen Winkel
  • 12
    12. Rudolf Iltis (Rd.) , Theresienstadt Europa-Verlag, , Wien 1968 , S. 228ff.
  • 13
    13. Miroslava Benešová u. a. , Die Kleine Festung Theresienstadt Verlag V RAJI, , Prag 1996 , S. 42f.

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