Schwarzheide

Das Lager Schwarzheide war ein Außenlager des KZs Sachsenhausen. Es gab vielfältige Verbindungen zwischen dem Ghetto Theresienstadt und Schwarzheide. Viele von Theresienstadt nach Auschwitz deportierte Häftlinge, wurden als Zwangsarbeiter nach Schwarzheide geschickt (z.B. Alfred Kantor). Gegen Ende des Krieges wurde das Lager aufgelöst und ein Todesmarsch begann in Richtung Theresienstadt.

Das Lager Schwarzheide entstand neben dem Hydrierwerk Brabag. Es befand sich etwa 50 Km nördlich von Dresden und östlich der Autobahn Dresden-Berlin. Seine Entstehung verdankte das Werk den wirtschaftlich-militärischen Vorbereitungen auf den 2. Weltkrieg.

Bereits 1934 hatten die Nazibehörden damit begonnen, Pläne zu entwickeln, wie man trotz einer möglichen Wirtschaftsblockade überleben könne. Am 26. Oktober 1934 schlossen sich der IG-Farben-Konzern und die Betriebe der Braunkohlenindustrie zusammen, um die Errichtung des Hydrierwerkes in Schwarzheide gemeinsam zu finanzieren. Mit dem Aufbau des Braunkohlenbenzinwerkes (Brabag), einer Aktiengesellschaft zur Herstellung von Benzin aus Braunkohle, wurde im August 1935 begonnen. Das Werk entstand zwischen den Dörfern Naundorf und Zschornegosda, dessen sorbischer Name in den dreißiger Jahren in „Schwarzheide“ verdeutscht wurde. Das Werk erhielt den Namen „Brabag-Ruhland“ nach dem Eisenbahnknotenpunkt „Ruhland“, einer zwei km entfernt liegenden Stadt.

Im Juli 1936 wurde in dem Werk das erste Dieselöl und zwei Monate später das erste Benzin erzeugt. Das Werk galt als ein für die Kriegsindustrie außerordentlich wichtiges Projekt und wurde von den Alliierten mehrfach bombardiert. Am 28. Mai 1944 erfolgte der erste Luftangriff, danach mußte die Produktion für zehn Tage unterbrochen werden. Am 21. Juni 1944 richtete der zweite Luftangriff so große Schäden an, daß die Produktion bis zum 12. Juli unterbrochen werden mußte.

Am 12. Juni 1944 verlangte der Konzern dann von der SS die Bereitstellung von 1.000 Häftlingen, damit das Werk wieder hergerichtet werden könne. Die Häftlinge sollten bei der Beseitigung der Trümmer, dem Entschärfen von Blindgängern, bei Hilfsarbeiten aller Art und dem Bau von Luftschutzbunkern eingesetzt werden.

Am 1. Juli 1944 wurden 7 Häftlinge aus Sachsenhausen nach Schwarzheide überführt, um die Errichtung des KZ-Außenlagers vorzubereiten. Diese Häftlinge sollten später führende Posten in der inneren Häftlingsleitung übernehmen: den Posten des Lagerältesten, des Lagerkapos, des Rapportschreibers, des Einsatzschreibers, des Sanitäters, des Magazinverwalters und des Lagerkochs. Es handelte sich durchweg um langeinsitzende KZ-Häftlinge, die wegen ihrer politischen Tätigkeit inhaftiert worden waren.

Paul Bergmann, in Königsbrück, wenige km von Schwarzheide entfernt, geboren, war seit 1922 Mitglied der KPD, wurde bereits 1932 wegen seiner politischen Tätigkeit zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt und anschließend ins KZ gesteckt. Die andere Häftlinge hatten eine ähnliche Vergangenheit. Der Sanitäter Röder und Bergmann halfen, wo sie konnten und viele Häftlinge haben ihnen ihr Leben zu verdanken.

Am 1. Juli 1944 kamen in Schwarzheide 1.000 jüdische Häftlinge aus Auschwitz im Alter zwischen 17 und 47 Jahren an. Sie erschienen in Häftlingskleidung in offenen Güterwaggons, die von Wehrmachtssoldaten bewacht wurden. Die meisten dieser Häftlinge stammten aus dem Protektorat Böhmen und Mähren. Sie waren vorher in Theresienstadt inhaftiert gewesen, dann in das Birkenauer Theresienstädter Familienlager deportiert worden, wo sie zwei bis sechs Monate lang gelebt hatten. Die Überführung dieser Häftlinge erfolgte aufgrund eines Führererlasses vom April 1944, wonach ungarische Juden beim Bau von Flugzeugwerken eingesetzt werden sollte. Später wurde dieser Erlass auch auf andere Nationalitäten ausgedehnt.

Fast alle dieser Männer verloren ihre Familienangehörigen bei der am 11. und 12. Juli 1944 erfolgten Liquidation des Theresienstädter Familienlagers in Birkenau.

Die Häftlinge wurde in einem Barackenlager dicht neben der Autobahn untergebracht. Im Oktober 1944 hatte sich der Häftlingsbestand wegen Hunger und Krankheit um 100 Personen verringert und es wurden weitere jüdische Häftlinge aus Sachsenhausen nach Schwarzheide überführt. Am 7. März 1945 kamen weitere 300 Häftlinge verschiedener Nationalitäten aus Sachsenhausen dort an.

Der Oberbefehl über das Arbeitskommando hatte der damals 36jährige SS-Unterscharführer Hermann Bleser, ein Sadist, der durch seine Brutalität Angst und Schrecken verbreitete und den Tod vieler Häftlinge verursachte.

Er trug ständig einen Stock bei sich, mit dem er wahllos auf die Häftlinge einschlug und sie im Gesicht und am Körper verletzte. Den Posten des Lagerkommandanten bekleidete der 52jährige SS-Hauptsturmführer Franz Sokol. Das Lager war von zwei Stacheldrahtzäunen umgeben, zwischen denen SS patrouillierte. Vier Wachtürme waren 24 Stunden am Tag mit Wachtposten besetzt, Scheinwerfer beleuchteten das Lager nachts, Maschinengewehre waren installiert. Unter den Wachttürmen befanden sich Einmannbunker, die der Posten bei Luftalarm aufsuchen konnte. Die Häftlinge waren hingegen in ihren Holzbaracken völlig ungeschützt. Die Posten gehörten einem SS-Bataillon aus Oranienburg an. Sie wurden noch durch vom Werk gestellte Posten verstärkt.

Die Häftlinge wurden mit Schlägen zu höherer Arbeitsleistung getrieben.

Sie wurden um 5 Uhr morgens geweckt, bekamen einen Viertelliter Ersatzkaffee. Um 6 Uhr erfolgte der Morgenappell, dann wurden sie zur Arbeit in das Werk getrieben, mußten in 20 einzelnen Kommandos Trümmer entfernen, Blindgänger entschärfen und Gruben für Luftschutzbunker ausheben. Die Häftlinge mußten bei jedem Wetter arbeiten, bei Sonne, Regen, Wind und Schnee und waren nur mit ihrer dünnen Häftlingskleidung versehen. Viele Häftlinge erkrankten an Lungenentzündung. Um 10 Uhr morgens bekamen die Häftlinge zwei dünne Scheiben Brot mit Ersatzleberpastete. Das Mittagessen, eine immer gleiche Steckrübensuppe, wurde am Arbeitsplatz verteilt. Am Sonntag bekamen die Häftlinge eine Art Eintopf mit einem kleinen Stück Fleisch und zwei Kartoffeln.

Nach der Arbeit gab es einen weiteren Appell, dann eine Scheibe Brot, ein Stückchen Margarine, ein kleines Stück Presswurst und manchmal etwas Käse.

Die Häftlinge arbeiteten nicht nur an den Werktagen, sondern auch an Sonn- und Feiertagen. Im Monat hatten sie einen arbeitsfreien Halbtag. In kurzer Zeit war 1/3 der Häftlinge aufgrund der Unterernährung und der schweren Arbeit krank.

Es wurde in Zwölf-Stunden-Schichten gearbeitet, eine Schicht tagsüber, die andere nachts. Viele Häftlinge der Nachtschicht entwickelten sich in kurzer Zeit zum „Muselman“, d.h. sie waren völlig erschöpft und zu keiner Arbeit mehr fähig. Häftlinge, die bei der Arbeit erschöpft zusammenbrachen, wurden mit Knüppeln halbtot geschlagen. Zivilarbeiter der Brabag berichteten nach dem Krieg von mehreren solcher Vorfälle.

Als die Sowjets am 23. Januar 1945 die Oder überschritten und die Front nur noch 130 km von Schwarzheide entfernt war, wurde der Befehl gegeben, Panzersperren zu bauen. Zu beiden Seiten der Autobahn wurden Gräben ausgehoben.

Die Häftlinge durften in Abständen Briefe bzw. Postkarten schreiben, die natürlich der Zensur unterlagen. Die, die Verwandte hatten, durften in Abständen Päckchen erhalten, nicht alle kamen wirklich an den Adressaten.

Am 14. Juli 1944 wurde ein Häftling umgebracht, der einen Ring gegen ein Stück Brot tauschen wollte. Von Juli bis Februar kamen 147 Häftlinge auf ähnliche Art ums Leben. Vom 7. Februar bis 28. Februar 1945 kamen weitere Häftlinge ums Leben, so daß die Gesamtzahl auf 172 Tote anstieg. Am 23. Februar wurden 320 kranke Häftlinge auf offene Güterwaggons verladen, die dann zwei Tage lang auf einem Nebengleis ohne Nahrung standen. Viele starben. Die Toten wurden in Dresden verbrannt, der überlebende Rest nach Bergen-Belsen deportiert. Im März starben 38 Häftlinge, 28 davon an den Folgen von Bombenangriffen.

Weitere Häftlinge kamen bei den Todesmärschen ums Leben.

Nach amerikanischen Angaben wurde das Werk 14 mal angegriffen. Dabei wurden vor allem Häftlinge getötet, die den Angriffen ohne jeglichen Schutz ausgeliefert waren. Flugblätter, aus den Maschinen abgeworfen, wurden von den Häftlingen per Hand weiter gegeben. So waren die Häftlinge über den Kriegsverlauf informiert.

Im Februar 1945 erreichten die Sowjets den Fluß Neiße, etwa 60 km von Schwarzheide entfernt. Die Häftlinge konnten das Artilleriefeuer hören. In der Nähe der Autobahn wurde im Februar 1945 damit begonnen, ein Gebäude zu errichten. Heute wissen wir, daß es eine Gaskammer werden sollte. Die BASF hat das Gebäude 1992 abreißen lassen. Am 18. April überquerten sowjetische Truppen die Spree. Jetzt wurde der Befehl zur Auflösung des Lagers gegeben und der Marsch nach Theresienstadt angeordnet. Gehunfähige Häftlinge sollten nach Sachsenhausen gebracht werden. Am 19. April in der Frühe standen die sowjetischen Panzerspitzen nur noch 20 km entfernt von Kamenz, wo die Häftlinge ihr Lager aufgeschlagen hatten. Um 5.00 Uhr früh begann unter der Leitung des brutalen SS-Mannes Hermann Bleser der Abmarsch. Häftlinge, die nicht mehr weiter konnten, wurden erbarmungslos niedergeschossen. Die Kolonne schleppte sich über Ruhland und Güterborn nach Bernsdorf und erreichte in den Abendstunden Thondorf, wo Nachtlager gehalten wurde. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages wurden die Häftlinge weitergetrieben. Sie erreichten Langbunkersdorf, wo sie in einer Scheune übernachteten, nachdem die SS weitere 6 Theresienstädter Häftlinge erschossen hatte.

In den Abendstunden des 21. April nahmen die Sowjets Schwarzheide ein. Die Häftlinge wurden bis Saupsdorf weiter getrieben, wo in Scheunen übernachtet wurde. Am 23. April wurden die Häftlinge dann über die böhmische Grenze nach Krasna Lind getrieben. Immer wieder kam es zwischendurch zu willkürlichen Erschießungen. Am 24. April wurden in Oberkreibitz (Chřibská) 13 Häftlinge an der Friedhofsmauer erschossen, zehn weitere starben an Erschöpfung. Die SS wußte scheinbar nicht mehr, wohin mit den Häftlingen und trieb sie nach Varnsdorf zurück, wo ein Häftling wegen Fluchtversuches gehängt wurde, wobei die anderen zuschauen mußten. In Varnsdorf wurden die Häftlinge in einer alten Baumwollspinnerei zehn Tage lang ohne Nahrung eingesperrt. Weitere 14 Männer starben an Erschöpfung, andere wurden getötet. Am 5. Mai sonderte die SS 220 nichtjüdische Häftlinge aus und trieb sie in Richtung Haisa (Nový Bor). Hier wurden sie erst am 10. Mai unweit von Langenau befreit. Rund 300 Häftlinge wurden in Varnsdorf auf offene Güterwaggons geladen und in Richtung Böhmen abtransportiert. In den Abendstunden des 7. Mai kam dieser Zug in Litoměřice an. Vom Bahnhof aus wurden die Überlebenden in Richtung Theresienstadt getrieben.

Insgesamt sind etwa 660 bis 680 Menschen auf diesen Todesmärschen ums Leben gekommen.

Quellen

  • 845
    845. Jakov Tsur , Schwarzheide - ein Aussenlager des KZs Sachsenhausen in: TheresienstädterStudien und Dokumente 2002 Academia-Verlag, , Prag , S. 202ff.

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