Kantor, Alfred

Alfred Kantor wurde am 7. November 1923 in Prag geboren. Er war gerade in die Rotter-Schule für Werbegrafik eingetreten, als die Deutschen den Ausschluß der Juden aus allen öffentlichen und privaten Schulen anordneten. So war er gezwungen, seine Studien abzubrechen. Am 1. Dezember 1941 erhielt er den Deportationsbefehl nach Theresienstadt, wo er bis 1943 blieb, dann wurde er nach Auschwitz und 1944 in das Zwangsarbeiterlager Schwarzheide deportiert. Am 18. April 1945, kurz vor der Kapitulation, wurde er befreit. Kantor lebte später in den USA im Bundesstaat Maine.

Im Juni 1945, zehn Wochen nach Beendigung der dreieinhalbjährigen Haft in den Lagern, kam der damals 22jährige Alfred Kantor nach Deggendorf in ein Lager für „displaced persons“. Dort schuf er in zwei Monaten etwa 127 mit Wasserfarben kolorierte Zeichnungen, die er in einem von einem Buchbinder eigens angefertigten Buch mit leeren Seiten eintrug.

Als Mitleidender und persönlich zutiefst Betroffener – seine Mutter und seine Freundin Eva Glauber wurden mit ihm zusammen nach Auschwitz geschickt und dort vergast - stellt dieser junge Prager Jude ohne jedes Selbstmitleid in Bildern, die objektivieren wie Fotografien, die Höllenfahrt eines jungen Menschen durch die schrecklich-makabre Wirklichkeit der Lagerhölle dar. Im Bild hält er das qualvolle Leben und Erleben in den Vernichtungsstätten des Nationalsozialismus fest. Für manche Aquarelle besaß Kantor Bleistiftzeichnungen, die er in den Lagern angefertigt hatte. In Theresienstadt, damals achtzehn Jahre alt, verschaffte sich Kantor bald Bleistift, Papier und andere Zeichenrequisiten von den Leuten, die in den Verwaltungsbüros arbeiteten. Bald besaß er auch ein Notizbuch, das er mit Skizzen des in qualvoller Enge in den spärlich erleuchteten Barackenräumen sich abspielenden Lebens anfüllte.

Als Kantor 1943 nach Auschwitz verschickt wurde, vertraute er sein Notizbuch einem Freund an, der in Theresienstadt zurückblieb und es ihm nach seiner Befreiung zurückgab. In Auschwitz war es weit schwieriger, Zeichenmaterial zu bekommen. Aber es gelang ihm doch, denn dort drängte es ihn weit stärker zu zeichnen. Er war nun entschlossen, einen zusammenhängenden Bildbericht zu verfassen, obwohl er wußte, daß es unmöglich war, diese Zeichnungen jemals aus Auschwitz herauszubringen. Er zeichnete, wo und wann immer es möglich war. „Sobald eine Szene einmal aufs Papier gebracht war, konnte sie nichts mehr aus meinem Gedächtnis löschen“, erinnert sich Kantor. Die meisten Skizzen vernichtete er, um nicht entdeckt zu werden. Die wenigen Zeichnungen aus Schwarzheide, die noch existieren, wurden von einem Freund herausgeschmuggelt. Als Kantor wieder frei war, erlaubten ihm das gerettete Material sowie die in seinem Gedächtnis tief eingeprägten Skizzen, sein Bild-Tagebuch zu vervollständigen.

Quellen

  • 481
    481. vergl. Alfred Kantor , Das Buch des Alfred Kantor Jüdischer Verlag bei Athenäum, , Frankfurt/M.1987

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