Offenes Ghetto
Ursprünglich sollte die Zivilbevölkerung Theresienstadt bis Ende April 1942 verlassen haben, doch die Räumung begann erst im Mai und zog sich bis Ende Juni hin.
Am 27. Juni 1942 wurde die nun von der Zivilbevölkerung zur Gänze geräumte Stadt der Ghettoverwaltung übergeben. Lediglich der Marktplatz mit der dort befindlichen Kommandantur, das ehemalige Hotel „Viktoria“ (nun SS-Kameradschaftsheim) mit dem dazwischen liegenden Brunnenpark und die damals noch unverlegte Verbindungsstraße =>Leitmeritz-Prag bildeten eine zusammenhängende Zone innerhalb der Stadt, die für die jüdische Bevölkerung nicht zugänglich war. Die verbotenen Zonen machten oft lange Umwege notwendig.
Am 1. Juli wurden die militärischen Kasernennamen und die zivilen Straßennamen abgeschafft und durch eine Kombination von Buchstaben und Ziffern ersetzt. Im Juni wurden dem Ghetto die ersten Zivilhäuser übergeben. Den Übergang vom „offenen“ zum „geschlossenen“ Lager kennzeichneten viele Anordnungen.
"Die Lagerkommandantur hat folgende Anordnungen zur Regelung des
Sicherheitswesens im Ghetto getroffen:
a)Die Gendarmerie wird heute
den 6. Juli 1942 um 12.30 aus den Kasernen abgezogen.
b) Die Ordnerwache übernimmt die Aufrechterhaltung
der Ordnung im Ghetto. Demzufolge wird die Ordnerwache...den Wachdienst in den Kasernen in gleicher Weise
ausüben, wie
bisher die Gendarmerie. ....
c) Die Durchlaßscheine werden nicht mehr
der Lagerkommandantur zur Unterschrift vorgelegt. Der Judenälteste...erhält
die Ermächtigung, die Durchlaßscheine selbst
zu unterfertigen. ....Die gesonderte Unterbringung...der
Männer und Frauen bleibt aufrechterhalten, jedoch
wird das Verbot des gegenseitigen Besuches aufgehoben.
Die Begleitung von Arbeitsgruppen innerhalb
der Stadt fällt
weg. .... Personen, die die Stadtgrenze überschreiten (nach
wie vor nur mit Durchlaßscheinen
von der SS), haben ihre Bürgerlegitimation in der Wachstube der
Gendarmerie an der Stadtgrenze abzugeben und
bei der Rückkehr
wieder abzuholen. ....
Der Ausgang aus den Kasernen
wird wie folgt geregelt:
1. Alte arbeitsunfähige Personen
können im Verlaufe
des ganzen Tages bis sechs Uhr in Gruppen unter Verantwortung
einer Begleitperson die Wohneinheit verlassen. ....
1. F ür
die Kinder gelten die gleichen Bestimmungen...
3. Personen
im arbeitsfähigem Alter können während
des Tages bis sechs Uhr die Wohneinheit nur
mit einem Durchlaßschein
verlassen. ...
Alle Personen, die ihrer Arbeitspflicht
entsprechen, können
in der Zeit von 18– 21 Uhr ohne Durchlaßschein
die Wohneinheit verlassen. Wer nach 21 Uhr
noch dienstlich Arbeit zu leisten hat, muß sich mit einem
Durchlaßschein
nach 21 Uhr ausweisen können. Das Verweilen auf dem Hofe
ist .. bis 22 Uhr gestattet. Um 22 Uhr ist
Nachtruhe.
4. Das Betreten fremder Wohneinheiten ist nur
jenen Personen gestattet, welche sich mit einem Durchlaßschein
ausweisen können.
Zwischen 18 und 21 Uhr ist der Zutritt .. frei.
5. Der
Zutritt in die Betriebe, wie Bauhof, Zenrtralbäckerei
und in die Schleuse ist nach wie vor nur mit
Durchlaßschein
gestattet, in dem ausdrücklich...der Name des Betriebes...angefügt
ist.... (TB vom 6. 7. 1942)
Die Gendarmerieposten an
den Kasernentoren wurden eingezogen und an den
Ausfalltoren der Stadt und in den Festungswällen
postiert. Die Kasernentore öffneten sich, und die jüdische
Bevölkerung konnte sich nun innerhalb der Stadt frei bewegen. Die
Leitung hatte alle Vorbereitungen getroffen,
um der neuen Situation gerecht zu werden.
Das bisherige
System der Durchlaßscheinausgabe wurde
abgeändert. In Hinkunft...werden nur Durchlaßscheine
gültig nach 21 Uhr ausgegeben. Die Ausgabe der Durchlaßscheine
für die übrige Tageszeit entfällt. (TB vom 4. 9.
1942)."
Im August 1942 wurde die Kommandantur vom Gebäude neben der Kirche (Haus des Divisionsstabes) in das Haus der ehemaligen Sparkasse (Q 414) verlegt.
Am 4. Oktober wurde die Sperrstunde auf 20 Uhr vorverlegt. Quelle: 618)