Otto Wolf wurde am 5. Juni 1927 in Mohelnice (Müglitz) geboren. Die Familie Wolf lebte in Olomouc (Ölmütz), wo Otto die tschechische Schule besuchte. 1940 siedelte sie nach Tršice über. Im Juni 1942 sollte sich die Familie zum Abtransport nach Theresienstadt in Olomouc einfinden. Sie gingen jedoch nicht zur Sammelstelle, sondern trennten sich in einer Toreinfahrt den Judenstern ab und kehrten nachts nach Tršice zurück, wo sie einen Platz für ihr Versteck gefunden hatten, das sie nun ausbauten. An diesem Tag begann Otto mit dem Schreiben seines Tagebuchs, in dem er sachlich Alltägliches festhält, das Wetter beschreibt, die Speisen, persönliche und familiäre Angelegenheiten.
Mehrfach musste die Familie das Versteck wechseln. Sie verbargen sich im Wald und in den Gärten von Tršice, dann direkt im Dorf und schließlich in der kleinen Gemeinde Zákřov. Mehrfach standen sie kurz vor der Entdeckung. Otto Wolf schreibt: „ 13. Oktober, Dienstag, 17. Woche. Heute findet die Jagd statt. Bereits um halb vier hören wir Schüsse. Durch einen unglücklichen Zufall landet ein angeschossener Fasan ungefähr acht Meter vor unserem Versteck. Plötzlich hören wir Geraschel, der Herr Revierförster mit einigen Jungen suchen den angeschossenen Fasan. Der Revierförster stand einen Meter von unserem Versteck entfernt, sah uns aber glücklicherweise nicht. Der Hund steckte seinen Kopf bereits in unser Versteck, zum Glück rief ihn der Revierförster zurück. Der Hund läuft an unserer Mutter vorbei, merkt aber nichts, ist ganz verstört.“
Otto Wolf schreibt über die Entwicklung der Kriegslage: „9. Juni 1944, Freitag, 103. Woche: „Die Lage ist großartig. Die Anglo-Amerikaner sind zwischen Le Havre und Cherbourg an Land gegangen, ungefähr in einer Breite von 400 km und sie halten die Stellung.“
Die Familie ist religiös. Otto Wolf schreibt: „ 1. September 1943, 67. Woche. Wir schlafen bis 9, essen Brot mit Honig. Dann beten wir, Vati mit Mutti, ich mit Lici. Die Eltern sind nach 12 fertig, wir um 2. Ich habe einen fürchterlichen Schnupfen. Nachmittags beten wir wieder.“ Eine weitere Eintragung: „29. März 1945. Donnerstag. 145. Woche. Ab 5 Uhr schläft Vati nicht mehr. Wir stehen um ½ 7 auf und frühstücken schwarzen Kaffee. Dann beten wir. Es ist chale moed.“ Otto Wolf berichtet nichts darüber, wie es seine Familie schafft, die Nöte eines Lebens im Versteck zu überwinden, den Hunger, die Isoliertheit, die ungenügenden hygienischen Bedingungen, die Abwesenheit jeglicher Tätigkeit. Diese Fragen können wohl nur von dem einzigen noch lebenden Mitglied der Familie Wolf, von der Schwester Felicitas, beantwortet werden. Sie lebt in Florida und es ist ihr Verdienst, daß das Tagebuch den Weg zu den Historikern und zur Veröffentlichung gefunden hat.
Obwohl Otto Gefühle der Vereinsamung, der Langeweile, Angst, Nervosität, Spannung und Stress erleben muss, macht er nicht den geringsten Versuch, seine subjektiven Gefühle festzuhalten, obwohl die Dramatik seiner Lage dem Bericht zu entnehmen ist. „21. Mai 1943, Freitag, 48. Woche. Wir gehen noch während völliger Dunkelheit in den Wald, essen, schlafen bis 10 Uhr. Wir essen trockenes Brot. Nachmittags schneide ich Vati die Haare, er rasiert meinen Kopf. Es tut ein wenig weh, ist aber wirklich eine Kunst. Wir sitzen herum, wir backen Brotklöße zum Spinat. Bei uns ist es kalt bis zum Gefrierpunkt.“
Eine Tagebucheintragung weist darauf hin, daß er seinen älteren Bruder Kurt vermisst, der, 1915 geboren, in Brünn Medizin studierte. Nach der Okkupation der Tschechoslowakei emigrierte er und schloss sich dem tschechoslowakischen Armeekorps in der Sowjetunion an. Am 9. März 1943 ist er bei den Kämpfen um die Ortschaft Sokolowo gefallen (wurde posthum ausgezeichnet). Die Gemeinde Zákřow wurde am 18. April 1945 von einer Kosakeneinheit unter dem Kommando der Gestapo umstellt, 23 junge Männer, unter ihnen Otto Wolf, wurden verhaftet. Zwei Tage später wurde Otto Wolf zusammen mit 18 anderen Männern erschossen, die Leichen verbrannt.