Weber, Ilse

Ilse Weber wurde 1903 in Witkowitz bei Ostrau geboren. Bereits als Kind schrieb sie Kinderbücher. Nach der Besetzung Ostraus durch die Deutschen siedelte sie mit ihren Eltern nach Prag über. Von hier aus wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und dem jüngeren Sohn Thomas am 8. Februar 1942 nach Theresienstadt deportiert. Ihrem älteren Sohn Hanuš gelang es dank einer Hilfsaktion der jüdischen Gemeinde nach England und später nach Schweden zu fliehen, wo er in der Kriegszeit lebte. Ilse Weber schrieb im Ghetto Gedichte, die populär wurden. Ihre mehr als fünfzig erhalten gebliebenen Gedichte aus dem Ghetto sind ein lyrisches Dokument von Menschen und ihren Schicksalen mit großer Authentizität und spontaner Poesie. Als ihr Mann im November 1944 in einen Transport eingereiht wurde, meldete sie sich mit ihrem Kind freiwillig. Gemeinsam mit ihrem Kind wurde sie in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.

Ich wandere durch Theresienstadt

Ich wandere durch Theresienstadt,
Das Herz so schwer wie Blei,
Bis jäh mein Weg ein Ende hat,
Dort hart an der Bastei.

Dort bleib´ ich an der Brücke stehen
Und schau ins Tal hinaus.
Ich möcht´ so gerne weiter gehen –
Ich möcht´ so gern nach Haus.

„Nach Haus“ – du wunderschönes Wort,
Du machst das Herz mir schwer.
Man nahm mir mein Zuhause fort.
Ich habe keines mehr.

Ich wende mich betrübt und matt,
So schwer wird mir dabei.
Theresienstadt, Theresienstadt,
Wann wohl das Leid ein Ende hat,
Wann sind wir wieder frei ?

Die Schafe von Lidice

Flockige, gelbweiße Schafe trotten die Straße entlang.
Zwei Hirtinnen folgen der Herde, durch die Dämmerung tönt ihr Gesang.
Es ist ein Bild voller Frieden, und doch bleibst du, Eilender, stehn
Als fühlst du den Hauch allen Todes grausig vorübergehen.

Flockige, gelbweiße Schafe, sie sind der Heimat so fern,
verbrannt sind ihre Ställe, getötet ihre Herrn.
Ach, alle Männer des Dorfes, sie starben den gleichen Tod.
Ein kleines Dorf in Böhmen, und soviel Unglück und Not.

Verschleppt die fleißigen Frauen, die sorgsam die Herde betreut,
verschollen die fröhlichen Kinder, die sich an den Lämmern erfreut.
Zerstört die kleinen Häuser, in denen der Friede gewohnt.
Ein ganzes Dorf vernichtet, das Vieh nur gnädig verschont.

Das sind die Schafe von Lidice und trefflich am Platze hier.
In der Stadt der Heimatlosen, das heimatlose Getier.
Umschlossen von einer Mauer, durch grausamen Zufall gesellt,
das gequälteste Volk der Erde und die traurigste Herde der Welt.

Die Sonne ist untergegangen, der letzte Strahl versinkt.
Und irgendwo bei den Kasernen ein jüdisch Lied erklingt.

Quellen

  • 1111
    1111. Rudolf Iltis (Rd.) , Theresienstadt Europa-Verlag, , Wien 1968 , S. 65, 154, 341.

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