Shek, Alisah und Zeev

Alisah Shek (geb. Ehrmann) wurde am 5. Mai 1927 in Prag geboren. Ihr jüdischer Vater, Rudolf Ehrmann (1877 – 1950) war ein Prager Bauingenieur, Mitglied des tschechisch-jüdischen Vereins Kapper. Ihre nichtjüdische Mutter Pavla (1899 – 1967) stammte aus Wien. Sie verweigerte das Bekenntnis zur deutschen Nationalität, indem sie es während der Protektoratszeit ablehnte, sich von ihrem jüdischen Gatten scheiden zu lassen. Die Kinder der beiden waren nach den Nürnberger Gesetzen ´Mischlinge, sie waren jedoch in die jüdische Matrik eingetragen worden. Sobald die jüngere –Alisah– sechzehn Jahre alt war, wurde sie mit ihrer um drei Jahre älteren Schwester Ruth nach Theresienstadt deportiert. Das geschah am 13. Juli 1943. Die Eltern blieben zwar in Prag, doch auch der Vater entging nicht der Verhaftung. Er wurde im Frühjahr 1944 festgenommen, zuerst einige Monate lang in der Kleinen Festung Theresienstadt festgehalten, dann nach Auschwitz deportiert. Er überlebte.

Alisah begann in Theresienstadt mit dem Schreiben eines Tagebuches, das das Schicksal der Familie Ehrmann widerspiegelt. Der Vater ist in Auschwitz, die Mutter in Prag, die Kinder sind in Theresienstadt. Die Mutter schickte nach Theresienstadt Hunderte von Paketen. Um sie überhaupt finanzieren zu können, verkaufte sie alles, was verkäuflich war.

Ruth arbeitete in Theresienstadt als Krankenschwester. Sie pflegte auch die Häftlinge, die mit den sogenannten Evakuierungstransporten kurz vor Kriegsende in Theresienstadt ankamen. Sie bekam Flecktyphus, erholte sich davon und begann nach der Befreiung in einem Prager Kinderheim zu arbeiten. Hier steckte sie sich mit Kinderlähmung an und starb im September 1945.

Zeev Shek wurde am 13. Mai 1920 geboren. Er gehörte zu den leitenden Persönlichkeiten der zionistischen Jugendbewegung Makkabi Hazair, war Mitglied des Theresienstädter Hechaluz und arbeitete in der Abteilung Jugendfürsorge, auch in der sogenannten Talmudhundertschaft. Das war eine fachmännische Gruppe, die hebräische Bücher aus liquidierten jüdischen Bibliotheken nach Theresienstadt beförderte und hier katalogisierte. Von Anfang an hatte sich Zeev vorgenommen, so viele Dokumente wie möglich über die wahre Rolle Theresienstadts zu sammeln und aufzubewahren. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft begriff Alisah diese Sammelleidenschaft Zeevs nicht, respektierte sie jedoch. Als Zeev dann nach Auschwitz deportiert werden sollte, verpflichtete er sie, diese Dokumente zu betreuen und seine Tätigkeit fortzusetzen. Der Koffer mit all diesen Dokumenten musste unbedingt aufbewahrt werden, auch wenn weder Zeev noch Alisah überleben sollten.

Alisah übernahm die Aufgabe. Jeden Tag nahm sie heimlich den Tagesbefehl des Theresienstädter Ältestenrates von der Aushängetafel und hob alle möglichen Verbote, Verordnungen und Formulare auf. Sie begann mit dem Schreiben des Tagebuches, schrieb in deutscher Sprache aber mit hebräischen Buchstaben, für den Fall, dass das Tagebuch in deutsche Hände geraten sollte. Sie schrieb über Vorkommnisse in ihrem Leben, über Gefühle und Gedanken eines siebzehnjähigen Mädchens, die sie mit der Realität des Lagers konfrontierte. Schon das ist außerordentlich wertvoll. Außerdem bewahrte sie viele wichtige authentische Informationen über die Entwicklung des Lagers – vieles waren eigene Beobachtungen, über vieles wurde sie von Jiří Vogel informiert. Vogel war ein Verwandter ihres Vaters und war von Beginn an Mitglied des jüdischen Ältestenrates.

Auf abenteuerliche Weise gelang es Alisah, den Koffer mit den Dokumenten aufzubewahren. Sie arbeitete in der Landwirtschaft, später im Geflügelhof – beides bedeutete etwas mehr Bewegungsfreiheit. Den Koffer versteckte sie im Labyrinth der Gänge der Theresienstädter Festung. Nach dem Krieg holte sie ihn von dort, übergab ihn in Prag Zeev, der sowohl Auschwitz als auch das Dachauer Außenlager Kaufering überlebt hatte und nach seiner Rückkehr nach Prag Leiter der von der Jewish Agency organisierten Dokumentationsaktion wurde.

In Jahr 1947 erhielt Zeev die Genehmigung für die Auswanderung nach Palästina. Dort studierte er an der hebräischen Universität in Jerusalem. Noch im selben Jahr kam er mit einer Delegation zum Jugendkongreß nach Prag und heiratet Alisah. Beide fahren im Juli 1948 nach Israel und Zeev Shek tritt in den diplomatischen Dienst ein. In den Jahren 1950– 1953 ist er erster Sekretär der israelischen Botschaft in Prag, 1956–1960 in London. 1960–1963 Rat in Paris, 1967–1971 Botschafter in Wien, 1977–1978 in Rom, wo er am 2. Oktober 1978 stirbt.

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Quellen

  • 863
    863. Alisah Shek , Tagebuch (Oktober 1944 - Mai 1945) , in: Theresienstädter Studien und Dokumente 1994 Academia-Verlag, , Prag , S. 169ff.

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