Flecktyphusepidemie

Im Ghetto

Typhus abdominalis trat erstmalig 1942 im Ghetto auf. Es wurde ermittelt, daß Gefangene aus Kölner und Wiener Transporten die Erkrankung mitbrachten.

Bis zum 20. April 1945 kam diese Erkrankung insgesamt 1.300 mal vor. Höhepunkt der Epidemie war im Februar 1943. Die Verbreitung erfolgte vorwiegend durch Kontaktinfektion. Die Sterblichkeit betrug 13 v. H.. Die Bekämpfung erfolgte durch sofortige Isolation, umfassende Durchimpfung, Reihenuntersuchung sämtlicher in Lebensmittelbetrieben arbeitenden Häftlinge, gesonderte Unterbringung der als geheilt Entlassenen. Später wurde festgestellt, daß viele Infektionen auch über die Schutzimpfung erfolgten. Besonders betroffen waren die an Tuberkulose erkrankten Gefangenen.

Typhus exanthematicus (Flecktyphus) blieb dem Lager trotz starker Verlausung lange Zeit erspart. Im Jahr 1944 wurde ein Fall aus Berlin eingeschleppt, der tödlich verlief. Durch Isolierung wurde jede weitere Ansteckung vermieden.

Ab 20. April 1945 trafen Tausende von völlig erschöpften, ausgemergelten und kranken Häftlingen aus aufgelösten Lagern im Osten in Theresienstadt ein.

Sie brachten bereits über 400 Tote in den Waggons mit. Am 24. April wurde erstmals Flecktyphus diagnostiziert. Bald wurden hunderte von Fällen erkannt, schließlich weit über zweitausend. Auch die „Einheimischen“ blieben nicht verschont, etwa 200 der Helfer, Ärzte und Schwestern steckten sich an.

2.500 Personen erkrankten insgesamt. Es gelang, die Todesrate auf unter 25 Prozent zu drücken. Bis Ende Juni 1945 starben rund 500 Menschen am Flecktyphus.

Am 4. Mai 1945 kam eine Gruppe tschechischer Ärzte aus Prag und Roudnice nach Theresienstadt. Diese Ärzte kümmerten sich jedoch vorwiegend um die Häftlinge der Kleinen Festung. Den Juden im Ghetto gegenüber verhielten sie sich, wenn es sich nicht um Tschechoslowaken handelte, nicht gerade freundlich, ja, manchmal nicht einmal korrekt. Am 5. Mai ging die Gewalt im sanitären Sektor auf die tschechische Ärztekommission über, die sich der Mitarbeit des jüdischen Fleckfieberfachmannes Dr. Vedder versicherte. Am 8. Mai wurde das Ghetto von Truppen der Roten Armee befreit, am 11. Mai traf sowjetisches Sanitätspersonal ein, am 14. Mai wurde die Quarantäne über ganz Theresienstadt verhängt.

Am 13. Mai arbeiten 52 russische Ärzte und 340 Krankenschwestern in fünf Hospitälern. 3.500 Patienten werden in diesen Krankenhäusern betreut. 15.000 Menschen wurden in knapp zwei Wochen entlaust. Anfangs gab es 200 – 300 Neuerkrankungen täglich, dann ging die Zahl auf täglich 10 – 15 zurück.

Im Gestapogefängnis Kleine Festung

Im April/Mai 1945 war das Gestapogefängnis in der Kleinen Festung mit 5.500 Häftlingen überfüllt. Immer wieder hatte das Gefängnis seit Januar d.J. Häftlinge aufgenommen, die aus sogenannten Todestransporten aus aufgelösten Lagern des Ostens gekommen waren. Es wird vermutet, daß sie oder die im Lager „Richard“ arbeitenden Häftlinge die Flecktyphusepidemie mitbrachten, die im Frühjahr 1945 ausbrach und sich schnell auf den Höfen ausbreitete. Aufgrund der in den Massenzellen bestehenden Überbelegung war der IV. Hof besonders betroffen. Die unterernährten und vielfach an Mangelkrankheiten leidenden Häftlinge hatten dem Typhus nichts entgegenzusetzen. Die völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen förderten die Ansteckung. Es gab keine Medikamente. Erst am 4. Mai 1945 kamen Ärzte aus Roudnice und Prag nach Theresienstadt. Sie waren vom Tschechischen Nationalrat, dem obersten Organ des tschechischen Widerstandes. Als am nächsten Tag der Aufstand in Prag losbrach, flüchteten die Aufseher und Wachmannschaften. Die Häftlinge übernahmen gemeinsam mit dem aus Prag eingetroffenen Sanitätspersonal das Gefängnis. Am 5. Mai traf erste Hilfe aus den umliegenden Dörfern ein. In mehreren Objekten der Kleinen Festung wurden behelfsmäßige Lazarette eingerichtet, ein Objekt neben der Gärtnerei zur Quarantänestation erklärt.

Am 8. Mai wurden Ghetto und Gestapogefängnis von der Roten Armee befreit, am 11. Mai traf sowjetisches Sanitätspersonal in Theresienstadt ein. Am 14. Mai 1945 wurde über ganz Theresienstadt die Quarantäne verhängt. Die Typhusepidemie, die erst Ende Mai 1945 endgültig besiegt war, forderte allein in der Kleinen Festung über 1.000 Tote.

Typhus

Typhus ist eine schwere, meldepflichtige Infektionskrankheit, deren Erreger (Salmonella Typhi) erstmals von Karl Josef Eberth (1835–1926) beschrieben wurde. Inkubationszeit: 7 bis 14 Tage, dann grippeähnliche Symptome, dreiwöchige Fieberphase mit typisch treppenförmigen Fieberanstieg, verlangsamter Puls, fleckiger Hautausschlag auf der Bauchhaut, bluthaltige Durchfälle aufgrund von Darmgeschwüren, Bewußtseinstrübungen, Delirium. Zahlreiche Komplikationen können hinzukommen. Tritt wegen der modernen Hygiene heute selten auf. Jahrelange Immunität anschließend. Behandlung mit Antibiotika, Schutzimpfung möglich.

Quellen

  • 226
    226. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 212f, 216, 520, 846.
  • 227
    227. Miroslava Benešová u. a. , Die Kleine Festung Theresienstadt 1940 - 1945 Gedenkstätte Theresienstadt 1996, , Verlag V RÁJI , S. 55.

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