Ruth Klüger stammt aus Wien, ist 1931 dort geboren. „Freudlos war sie halt (die Kindheit). Freudlos und bis ins Mark hinein judenkinderfeindlich“. Die ersten elf Lebensjahre hat Ruth Klüger dort verbracht, in diesem „Urschleim“. Sie erinnert: „Man trat auf die Straße und war in Feindesland“. Wien ist die Stadt, in der sich Ruth Klüger „schon mit sieben auf keine Parkbank setzen und sich dafür zum auserwählten Volk zählen durfte.“ In Wien hat sie sprechen und lesen gelernt. „An judenfeindlichen Schildern habe ich die ersten Leseübungen und die ersten Überlegenheitsgefühle geübt.“ Sie hätte den Judenstern nicht ungern getragen. „Wenn schon, denn schon“.
Mit elf Jahren, im September 1942, wurde Ruth Klüger mit ihrer Mutter nach Theresienstadt deportiert. „Ich habe Theresienstadt irgendwie geliebt“, schreibt sie – die Kontakte, Freundschaften und Gespräche im Lager hätten ein soziales Wesen aus ihr gemacht. „Ich habe Theresienstadt gehasst“, schreibt sie – das Lager sei ein Sumpf gewesen, eine Jauche, ein Ameisenhaufen, der zertreten wurde.
Zwei Jahre später, inzwischen 13 Jahre alt, war sie in Auschwitz–Birkenau. Daß sie in diesem Todeslager nicht umkam, war eher einem Zufall zu verdanken. Sie war bei der entscheidenden Selektion bereits auf die Todesseite geschickt worden, als sie sich noch einmal in die Reihe schmuggeln konnte und als fünfzehnjährige mit Hilfe einer völlig fremden Frau, die ihre Angaben bestätigte, den Lebenden zugeordnet wurde.
Ruth Klüger wanderte in die Vereinigten Saaten aus, heiratete, zog zwei Söhne groß. 1962 begann sie mit dem Germanistikstudium und irgendwann begann sie damit, alles aufzuschreiben.