Vernichtungslager in Polen, in das ab März 1942 auch viele Häftlinge aus Theresienstadt deportiert wurden.
Belzec war eine kleine Stadt im südöstlichen Teil des Distriktes Lublin, an der Eisenbahnlinie Lublin-Lemberg gelegen. Im Mai 1940 richtete die SS dort einen Lagerkomplex für jüdische Zwangsarbeiter ein, die zum Bau von Festungsanlagen und Panzergräben an der Demarkationslinie zwischen dem deutsch und sowjetisch besetzten Polen eingesetzt wurden. Ende 1940 wurden die Lager geschlossen.
Am 1. November 1941 begann die SS mit dem Bau eines Vernichtungslagers bei Belzec. Sie wählte einen Ort nahe dem Bahnhof Belzec, etwa 500 Meter entfernt von einem Nebengleis. Die dort gelegenen Panzergräben dienten später als Massengräber für die ermordeten Juden.
Ursprünglich wurden die Bauarbeiten von Polen aus Belzec durchgeführt, aber diese ersetzte man später durch Juden aus den Ghettos der benachbarten Städte. Die meisten Deutschen, die den Bau und den Betrieb des Lagers leiteten, hatten am Euthanasieprogramm teilgenommen, darunter auch der erste Kommandant des Lagers, Polizeihauptmann und SS–Hauptsturmführer Christian Wirth. Etwa 20-30 Deutsche beaufsichtigten den Vernichtungsprozeß, darüber hinaus etwa 120 Trawniki-Männer, vorwiegend Ukrainer und sowjetische Volksdeutsche, die sich in Kriegsgefangenschaft freiwillig zu den Deutschen gemeldet hatten. Das deutsche Personal hatte seine Quartiere außerhalb, die Trawniki-Männer innerhalb des Lagers.
In der ersten Phase hatte das Lager Belzec drei Gaskammern in einer 8 x 12 m großen Baracke. Der Bau hatte doppelte Wände, deren Zwischenraum zur Isolierung mit Sand aufgefüllt war, und war in drei Räume aufgeteilt, jeder 4 x 8 m groß. Die Türen besaßen zur Abdichtung Gummistreifen an den Seiten, sie bestanden aus Hartholz, um dem Druck aus dem Innern der Kammern standhalten zu können und waren hermetisch zu verschließen. Jede Gaskammer hatte eine zusätzliche Öffnung zur Entfernung der Leichen. Das Gas wurde mittels eines Röhrensystems in die Kammern gepumpt. Ende Januar 1942 wurde mit einer Gruppe von Juden aus Lubicza Królewska und jüdischen Zwangsarbeitern aus Belzec ein Probelauf durchgeführt. Sie wurden in den Kammern ermordet. Ein Dieselmotor mit 250 PS produzierte das notwendige Kohlenmonoxyd. Diese Methode des Mordens wurde beibehalten solange das Lager existierte.
Das Lager Belzec war klein, der Form nach quadratisch. Jede Seite maß 270 m, Büsche und Bäume schirmten es nach außen ab. Die Züge fuhren durch das Tor im Norden in den Lagerbereich ein. Im Lager 1 waren der Verwaltungsbereich, die Personalquartiere und die Eisenbahnrampe für 12 – 15 Güterwagen. Die aus den Waggons aussteigenden Juden wurden zunächst auf ein nahegelegenes Gelände getrieben. In der einen dort stehenden Baracke mussten sich die Juden entkleiden, die andere diente als Lagerraum.
Im östlichen Teil, dem Lager 2, befanden sich die Gaskammern und die Panzergräben. Dieser Bereich war vom übrigen Lager durch einen Zaun getrennt. Von der Entkleidebaracke führte ein umzäunter Weg in die Gaskammern. Der Weg war als „Schlauch“ bekannt, zwei Meter breit und mehrere Dutzend Meter lang. Auf diesem Pfad mussten die Juden nackt in die Gaskammern gehen. Am 15. März 1942 waren die wichtigsten Anlagen fertiggestellt und nach der Erprobung begann das Massenvernichtungsprogramm.
Nur wenige der im Lager ankommenden Menschen, meist junge Männer, wurden zur Arbeit eingesetzt und überlebten die anderen um wenige Tage oder Wochen. Später wurden Gruppen von 700–1.000 Männern zur längerfristigen Arbeit im Lager 2 gezwungen. Sie mussten die furchtbare Arbeit der Arbeitskommandos verrichten.
Eine der Gruppen wurde auf der Rampe eingesetzt, musste die Güterwaggons reinigen, die gehunfähigen Personen heraustragen und die Leichen derer entfernen, die während des Transportes gestorben waren. Eine andere Gruppe musste die Kleider und anderen Gegenstände der Opfer einsammeln, sie sortieren, die Judensterne abtrennen und nach Wertsachen suchen. Später übernahm eine Gruppe von Häftlingen das Entfernen der Haare bei den Frauen, bevor sie vergast wurden. Zusammen mit einer Gruppe von Handwerkern waren diese Gefangenen im Lager 1 untergebracht. Mehrere Hundert jüdische Gefangene mussten die Leichen aus den Gaskammern entfernen und sie in Gruben verscharren. Eine besondere Gruppe mit der Bezeichnung ‚Zahnärzte’ hatte die Aufgabe, den Gefangenen die Goldzähne herauszubrechen.
Die Angehörigen der Arbeitsgruppen lebten unter unmenschlichen Bedingungen und waren den Schikanen der Deutschen und der Trawniki-Männer ausgesetzt, wurden immer wieder selektiert, hingerichtet, erschlagen. Nur wenige dieser Gefangenen überlebten. Von Mitte März bis Ende April 1942 wurden 80.000 Juden im Lager Belzec ermordet, 30.000 aus dem Ghetto Lublin, 15.000 aus Lemberg und 35.000 aus anderen Ghettos des Distriktes und aus dem Reich.
Die Vernichtungsmaschinerie, von Christian Wirth entworfen, funktionierte:
Ein Zug kam mit 40 bis 60 Güterwagen am Bahnhof in Belzec an. Die Gefangenen waren viele Stunden, oftmals mehrere Tage unterwegs gewesen. 130 bis 150 Personen waren in einem Waggon zusammengepfercht worden - ohne Nahrung, ohne Toiletten, ohne Wasser. Viele waren bereits während der Fahrt gestorben.
Wenn der Zug anhielt, wurden 12 – 15 Waggons mit etwa 1.200 bis 1.500 Personen abgekoppelt und von einer Lokomotive ins Lager geschleppt. Dann mussten die Gefangenen aussteigen. Ein deutscher Offizier teilte ihnen mit, sie wären in einem Durchgangslager und würden in ein Arbeitslager deportiert. Sie würden desinfiziert, müßten alles Geld und alle Wertgegenstände abgeben. Die Männer wurden von den Frauen und Kindern getrennt, beide Gruppe erhielten den Befehl zum Ausziehen. Unter Schlägen wurden die Juden dann in die Gaskammern getrieben. Der Tod trat nach 20 bis 30 Minuten ein. Anfangs dauerte es mehrere Stunden, bis die Leichen aus den Gaskammern entfernt waren, später nur noch 60 bis 90 Minuten.
Während die ersten 12 – 15 Güterwaggons gereinigt wurden, nahmen die nächsten ihren Platz ein. Das ganze System war darauf aufgebaut, die Gefangenen bis zum letzten Moment im Unklaren über ihr tatsächliches Schicksal zu lassen.
Mitte April stellte das Lager für einen Monat den Betrieb ein, im Mai 1942 kamen neue Transporte aus dem Ghetto und dem Distrikt Krakau und der Massenmord ging weiter. Im Juni 1942 wurden die Transporte wiederum unterbrochen, weil die Lagerleitung neue und größere Gaskammern bauen lassen wollte. Die neuen Gaskammern, die 1.000 bis 1.200 Personen fassten, waren in einem Gebäude aus Beton und Ziegeln untergebracht. Über ihrem Eingang hing das Schild „Duschen und Desinfektionsräume“. Die Vergasungen wurden in der zweiten Juliwoche wieder aufgenommen und liefen bis Anfang Dezember 1942. Von Juli bis Oktober 1942 wurden etwa 130.000 Juden aus dem Distrikt Krakau in das Lager gebracht, etwa 225.000 aus der Gegend von Lemberg, weitere aus den Kreisen Lublin und Radom. Es kamen außerdem Transporte mit deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden, die schon vorher in polnische Ghettos gebracht worden waren.
Die Gesamtzahl der Opfer des Massenmordes in Belzec wird auf 600.000 geschätzt, fast alles Juden, einige Zigeuner und Polen.
Im Dezember 1942 wurden die Transporte nach Belzec und die Morde eingestellt. Zu dieser Zeit waren die meisten Juden des Generalgouvernements bereits getötet worden und die Leitung der Aktion Reinhardt schloß das Lager. Sobibor und Treblinka, zwei nach Belzec gebaute Lager, blieben weiter in Betrieb, ebenso die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Majdanek.
Zwischen Dezember 1942 und Frühjahr 1943 wurden die Massengräber geöffnet und die Leichen verbrannt. Später wurde das Lager abgerissen, alle sichtbaren Spuren des Massenmordes wurden entfernt. Etwa 500 für diese Arbeiten in Belzec zurückgelassene Gefangene wurden nach Sobibor deportiert und dort ermordet. Ab August 1942 war SS-Hauptsturmführer Gottlieb Hering Lagerführer. Später wurde das Gelände gerodet und erneut bepflanzt.
Heute ist auf dem Gelände eine Gedenkstätte.
Über das Vernichtungslager Belzec gibt es nur wenig erhalten gebliebene Quellen. Rudolf Reder war einer der wenigen Gefangenen, die entkommen konnten. Auf seine Berichte stützt sich der Bericht vorwiegend. Josef Oberhauser, Adjutant Wirths, wurde 1963 vom Landgericht München I zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.