Lederer, Vitezslav

Vitezslav Lederer gelang die erste Flucht aus dem Theresienstädter Familienlager in Auschwitz. Er floh am 5. April 1944, verkleidet in einer SS-Uniform, zusammen mit einem Aufseher aus dem Familienlager (SS-Rottenführer Victor Pestek, der sich in ein jüdisches Mädchen verliebt hatte).

Er erzählt über diese Flucht:
„An dem vereinbarten Tag blinkte im Fenster der SS-Wachstube beim Tor zum Familienlager dreimal ein rotes Licht auf. In diesem Augenblick öffnete ich die Tür des Waschraumblocks und bestieg, verkleidet in die Uniform eines SS-Scharführers und versehen mit der Silberschnur der „Sonderdienste“, das bereitgestellte Fahrrad. Den Arm zum Hitlergruß erhoben, fuhr ich durch das eiserne Tor des Familienlagers. Mein „Kollege“ SS-Rottenführer Viktor Pestek, der damals Dienst hatte, hatte mir das Tor geöffnet. Seinem Nachfolger, der ihn vom Nachtdienst ablöste, meldete er, daß er seinen Urlaub antrete. In Pesteks Begleitung ging ich durch die Postenkette. Die Losung „Tintenfaß“ öffnete uns die Schranken. Als Pestek und ich um 20.30 Uhr zur unweit gelegenen Bahnstation Auschwitz kamen, konnten wir gerade noch auf den anfahrenden Eilzug aufspringen.“

Lederer und Pestek kamen unbehelligt über die Grenze und waren schon in Prag, als in Auschwitz die Flucht bemerkt wurde. Sie fuhren weiter nach Pilsen, wo sie ein erstes Versteck fanden.

Lederer nahm sofort Kontakt zu den Häftlingen in Theresienstadt auf. Dank der Unterstützung seines Freunde Veselák aus Travčic gelang es ihm dreimal, unbemerkt ins Ghetto zu gelangen (er war selbst Häftling in Theresienstadt gewesen) und sich mit einer Gruppe von Freunden zu treffen. Es waren u. a. Leo Holzer (Kommandant der Feuerwehr), Jirka Petschauer (Ghettowache) und Otto Schliesser (Mitglied des Ältestenrates). Er informierte sie über die Liquidierung des Theresienstädter Familienlagers in Auschwitz und über die in Birkenau begangenen Massenmorde. Während seine Freunde ihm glaubten, klangen seine Berichte für die Mehrheit der Häftlinge im Ghetto jedoch unglaubwürdig. Sie hatten ja noch (falsch datierte) Postkarten aus dem Familienlager erhalten. Lederer wiederholte seinen Besuch, brachte den Häftlingen Waffen und Bestandteile für den Bau eines Radios. Er fertigte einen Bericht über die Vorgänge in Auschwitz an und es gelang ihm dank der Hilfe eines Bootsbesitzers in Konstanz diesen Bericht an das Internationale Rote Kreuz in Genf weiter zu leiten.

Victor Pestek kam bei dem Versuch, seine Freundin (eine Renée Neumannová) aus Auschwitz-Birkenau zu befreien, ums Leben. Lederer konnte erneut fliehen und verbarg sich bei seinen Freunden im Ghetto. Er konnte die Häftlinge im Ghetto nicht von der Notwendigkeit eines bewaffneten Aufstandes überzeugen und als er Gefahr lief, entdeckt zu werden, verließ er das Ghetto und schloß sich den Partisanen in der Slowakei an. Nach der Niederwerfung des Slowakischen Aufstandes ging er nach Zbraslav, wo er bis Kriegsende bei einer Partisanengruppe tätig war.

Quellen

  • 685
    685. Rudolf Iltis (Rd.) , Theresienstadt Europa-Verlag, , Wien 1968 , S. 205ff.

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