Konzentrationslager Grube Richard

Die „Grube Richard“ unter dem Radobýl bei Litoměřice (etwa 4 Km von Theresienstadt entfernt, auf der andere Elbseite) war eine Außenstelle des Konzentrationslagers Flossenbürg. Das KZ wurde in den letzten Kriegsjahren eingerichtet, als es der deutschen Führung darum ging, die Produktion von Rüstungsgütern aufgrund der alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte und Rüstungsanlagen in sicheren unterirdischen Anlagen zu organisieren (siehe auch das Projekt Dora in Nordhausen, wo V1- und V2-Waffen von Häftlingen in unterirdischen Anlagen produziert werden mußten). Überall im Reichsgebiet und in den besetzten Gebieten wurden bestehende Bergwerke genutzt und neue abgeteuft, um eine störungsfreie Produktion von Munition und Waffen sicherzustellen.

Für diese Arbeiten wurden vor allem Zwangsarbeiter aus den von der Wehrmacht besetzten europäischen Ländern und KZ-Häftlinge eingesetzt. In Litoměřice nutzte man das bestehende Kalksteinwerk unter dem Radobýl, wo in Bauabschnitten unterirdische Produktionshallen errichtet werden sollten. Die Decknamen waren „Richard I“, „Richard II“ und „Richard III“.

Anfang 1944 wurde mit den Arbeiten begonnen. Die Produktionshallen waren bis zu sechs Meter hoch, 20–30 Meter breit und bis zu 100 Meter lang. Neben den KZ-Häftlingen und sowjetischen Kriegsgefangenen aus der Kleinen Festung Theresienstadt arbeiteten etwa 1.200 Angestellte ziviler Firmen in „Richard“, die vielfach zwangsverpflichtet waren.

Die erste Gruppe der in „Richard“ arbeitenden Häftlinge waren Jugoslawen. Sie waren am 26. März 1944 aus Dachau gekommen und zunächst in der Kleinen Festung untergebracht worden. Später kamen Häftlingsgruppen aus Flossenbürg dazu. Zusammen mit dem Arbeitskommando aus der Kleinen Festung begannen sie die Arbeit untertage. Später wurden die Häftlinge in Ställen, Schuppen und Scheunen der ehemaligen Artilleriekaserne in Litoměřice untergebracht. Das KZ wurde zunächst von einer Luftwaffeneinheit bewacht, ab 1. September 1944 von einer Einheit der Waffen-SS. Im Juli 1944 befanden sich 1.600 Häftlinge im Lager, darunter Jugoslawen, Holländer, Belgier, Franzosen, Deutsche und andere Nationalitäten. Im November waren es bereits 5.000 Häftlinge, im Februar 1945 arbeiteten 7.000 Häftlinge untertage in „Richard“.

Die Gruppe „Richard“ gehörte zum Produktionsprogramm der Deutschen Autounion Dresden, in deren Auftrag Teile für Panzermotoren produziert wurden. In „Richard II“ sollte die Produktion von Molybdän-Drähten im Auftrag der Firma Osram aufgenommen werden. Dazu kam es dann nicht mehr.

Am 8. Mai 1945 wurde das Ghetto Theresienstadt, das Gestapogefängnis Kleine Festung und das KZ „Grube Richard“ von der Roten Armee befreit.

Von den 18.000 Häftlingen, die ab März 1944 unter unmenschlichen Bedingungen in der „Grube Richard“ arbeiten mußten, kamen (innerhalb dieser kurzen Zeit) etwa 5.000 ums Leben. Die Leichen wurden zum Teil nach Theresienstadt geschafft und im dortigen Krematorium verbrannt, immer wieder aber auch in Massengräbern verscharrt.

Dann wurde neben dem Litomericer Friedhof am Rand des Radobyls ein Krematorium gebaut, in dem die Leichen fortan verbrannt wurden.

Nach dem Krieg wurden die unterirdischen Produktionsstätten geschlossen, Maschinen und Werkzeuge entfernt und die Eingänge zugemauert. 1967 unternahm eine Gruppe der Theresienstädter Garnison einen Erkundungsgang, Anfang der neunziger Jahre unternahm eine Gruppe von Historikern der Gedenkstätte Terezín einen weiteren Erkundungsgang und fotografierte die alten Hallen, in denen die Häftlinge arbeiten mußten. Auf dem im Archiv der Gedenkstätte lagernden Film kann man die Radonzeichen auf denen in Nischen gelagerten Fässern mit radioaktiven Abfall sehen. Es war kaum jemandem bewußt, welch hochbrisanter Stoff da völlig ungesichert lagerte.

Quellen

  • 275
    275. Veröffentlichungen Gedenkstätte Theresienstadt
  • 276
    276. Recherche Jürgen Winkel

zurück zur Übersicht