Das „Handgepäck“ mußte von den mit den Transporten ankommenden „Neulingen“ mit in die Schleuse gebracht werden. Das „Mitgepäck“ kam in die Magazine und wurde von der „Transportleitung“ zimmerweise aufgerufen und ausgefolgt. Es war ein Glück, wenn das erst nach der Gepäckkontrolle durch die Gendarmerie geschah, die sich nicht um die Sachen in den Magazinen kümmerte. Anfänglich war das Verhalten des jüdischen Personals meist einwandfrei und oft sogar hilfreich. Leider änderte sich das bald, namentlich seit der Ankunft der vielen Transporte aus Deutschland und Österreich ab Juni 1942. Dann kam es kaum noch vor, daß jemand Gepäck und verbotene Sachen selbstlos aufbewahrte und nach der Durchsuchung zurückerstattete. Helfer verschwanden mit dem entlockten Gut auf Nimmerwiedersehen. Zigaretten, Lebensmittel und Geld wurden erbettelt und erpreßt. Einzelne und organisierte Gruppen stahlen Gepäck in großen Mengen, und sogar Raub kam vor. Seit dem 10. Juli 1942 wurde das „Mitgepäck“ von der SS beschlagnahmt, das „Handgepäck“ aber wurde von den Gendarmen und unredlichen Gefangenen geplündert.
Das von Tschechischen Gendarmen in den ersten zwei Jahren beschlagnahmte Gepäck wurde nach „Konterbande“ durchsucht, also nach verbotenen Sachen. Das Verzeichnis der verbotenen Dinge änderte sich im Laufe der Zeit nur wenig:
Medikamente, Werkzeuge, Instrumente aller Art, Tabak, Konserven und dauerhaft verpackte Lebensmittel, elektrische Geräte wie Kocher, Heizkissen, Taschenlampen, Batterien, Kerzen, Zündhölzer, Feuerzeuge , Geld, Schmuck und Wertgegenstände aller Art, Chemikalien, kosmetische Stoffe, Seifen, Zahnpasta, Rasierklingen und aller Rasierbedarf, Spirituskocher, Hartspiritus, Gummiwaren wie Schläuche, Wärmflaschen, Irrigatoren, Präservative, Thermosflaschen, Spirituosen, Schokolade, Tee, Kakao, Zeitungen, in der ersten Zeit auch Schreibbedarf, besonders Papier, Toilettenpapier.
Die Mehrzahl der Gendarmen verhielt sich wohlwollend aber zu viele waren auf ihren Vorteil bedacht und plünderten. Transporte aus dem „Protektorat“ wurden in der Regel glimpflicher behandelt. Manche Gendarmen übersahen geflissentlich verbotene Sachen, nahmen auch scheinbar weg, und die übergebenen Sachen wurden den Eigentümern gleich wieder ausgefolgt. Auch Bitten wurden öfters erhört, nur Zigaretten und Spirituosen nahmen die Gendarmen stets. Manchmal blieb ein Transport zur Hälfte undurchsucht. Während sich die Gendarmen in einem Raum aufhielten, wurde er streng bewacht, und niemand durfte hinein oder heraus. Beschlagnahmtes wurde von den Ghettowachen-Männern, später von der „Transporthundertschaft“ unter der Aufsicht von Gendarmen in deren Kaserne geschafft, dort weiter geplündert und dann der SS zugestellt. Bei einem Transport von 1.000 Mann wurden durchschnittlich 5–6 Kisten zu je 100 Kg beschlagnahmt. Ein Arbeiter der „Transporthundertschaft“ berichtet:
Da jeder der Neuankömmlinge die Arbeit würdigte, die wir tagelang und nächtelang leisteten, des weiteren die Leute sahen, daß das Essen hier nur sehr wenig ausgibt, und schließlich jedermann froh war, seinen Koffer und Rucksack aus den Zehntausenden von Gepäckstücken herauszubekommen, entstand dann die schöne Sitte, mit mitgebrachten Esswaren zu belohnen, welche Zubuße uns selbstverständlich sehr willkommen war. Dies um so mehr als die Bemühungen unseres Hundertschaftsführers, für unsere Schwerarbeit auch etwas mehr Essen zu fassen, lange Zeit seitens der Verwaltung nicht berücksichtigt worden sind.
Die Arbeit war tatsächlich sehr schwer, aber sie lohnte sich für die Transportleute auch. Das zulässige Gewicht von 50 Kg wurde überschritten. Nachdem sich dies in Prag herumgesprochen hatte, kamen Leute mit 100 Kg und mehr, dann aber wurde sich wieder an die 50 Kg-Obergrenze gehalten. Die SS kassierte das Überzählige ein.
Der Bericht fährt fort:
Auf dem Weg (in die Gendarmeriekaserne) wurden oft wieder von der beschlagnahmten Ware seitens der Gendarmen oder der Ghettowachenleute in .. Einvernehmen Gegenstände entwendet, was ja schließlich nicht unmoralisch war, da dies ehemals jüdische Eigentum .. Nazi-Eigentum geworden war, und durch Zurückstellen der Naziraub kleiner wurde. Abgesehen davon wurden die Gendarmen damit freundschaftlicher gegen die Juden gestimmt und übten ihren Dienst mit geringerer Schärfe aus. Mit der Zeit stand fast jeder Gendarm mit einer größeren Anzahl von Ghettowachleuten – resp. später mit Mitgliedern der Transporthundertschaft in Geschäftsverbindungen, (die dazu verwendet wurden), die Gendarmerie beim Hereinpaschen...von draußen ins Ghetto gefügig und wohlwollend zu machen.
Die verwerfliche Praxis wird deutlich und man rechtfertigt sie auch noch. Zwar wurde die SS um einen Teil ihres Raubes gebracht, aber sie schaute nicht zu, wie man ihren Raub schmälerte, sondern beschlagnahmte das ganze „Mitgepäck“, das dann in die Magazine kam und dort unter der Aufsicht der SS sortiert wurde. Viele der vor allen hilflosen älteren und kranken Gefangenen, die auf Hilfe beim Transport ihres Gepäcks angewiesen waren, wurden so beraubt.
* Mit Konterbande wird der Schleichhandel bzw. der Schmuggel auf dem Seeweg bezeichnet, wobei die geschmuggelten Güter vorwiegend für den Krieg von Nutzen sind und an eine der kriegsführenden Parteien geliefert werden. Auch die geschmuggelten Güter selbst werden so bezeichnet.
Die Herkunft des Wortes wird aus dem mittellateinischen contra bannum, über das italienische Wort contrabando und später über das französische Wort contrebande abgeleitet.