Jaegermann, Judith (Lala Pincovska)

Judith erfährt schon als siebenjähriges Mädchen 1937 in Karlsbad (CSR) die ersten antisemitischen Ausschreitungen. Als sie ihren Vater fragt: „Warum werfen die Leute Steine auf uns ?“, kann der Vater nur leise antworten: „Weil wir Juden sind!“. Die fünfköpfige Familie, ihre Eltern und zwei Schwestern, flüchtet 1939 nach Prag. Die Erniedrigung der jüdischen Bevölkerung nimmt unter der deutschen Besatzung schnell ungeheure Ausmaße an. Judith erinnert sich besonders an die Aufschrift auf den Prager Straßenbahnen: „Für Hunde und Juden verboten“. Während die älteste Schwester mit anderen Juden zusammen nach Palästina flüchten kann, werden die übrigen Familienmitglieder im Sommer 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Nach 16 Monaten Aufenthalt im Ghetto von Theresienstadt wird die Familie nach Auschwitz deportiert, wo der Transport mit 2.491 jüdischen tschechischen Männern, Frauen und Kindern am 16. Dezember 1943 ankommt. Judith erlebt die für Frauen besonders demütigende Prozedur des Entkleidens, Rasierens und Tätowierens der Häftlingsnummern. Sie erhält die Nummer 71.502. Mit der Mutter und der älteren Schwester Ruth kommt sie ohne Selektion in das Theresienstädter Familienlager BIIb in Birkenau. Judith erlebt die stundenlangen Appelle im Winter, als ihre Füße erfroren, die Frostbeulen sich entzündeten, eitrig wurden, hat ein Zusammentreffen mit Mengele, der in ihrem Block nach Zwillingen suchte.

„Sind hier Zwillinge unter Euch?“, fragte er. Zwei Freundinnen von ihr, die Zwillinge waren, meldeten sich: „Ja, wir sind Zwillinge!“. Mengele kam näher, winkte sie runter von der Pritsche, bis sie vor ihm standen. Er sah sie genau an. Sie sahen sich sehr ähnlich und hatten Sommersprossen. Mengele sagte nur: „Na, kommt mal mit. Abends seid ihr wieder hier.“ Ich habe, so berichtet Judith Jaegermann, meine beiden Freundinnen nie wieder gesehen.

Im Juli 1944 führte man die Frauen nach einer Selektion durch das Frauenlager zur Bahn. Auf dem Weg durch das Frauenkonzentrationslager sah Judith geisteskrank gewordene Frauen: „Sie wiegten sich mit leeren Händen, so als hätten sie ihre Kleinkinder im Arm, die man ihnen bei der Ankunft in Auschwitz weggenommen hatte.“

Judith Jaegermanns Transport (wahrscheinlich der, mit dem auch Dagmar Lieblová deportiert wurde) ging nach Hamburg, in die Nebenlager von Neuengamme „Dessauer Ufer“ und „Neugraben“. Die Frauen wurden zu Aufräumarbeiten in der zerbombten Stadt eingesetzt. Sie beschreibt die Lebensbedingungen in Hamburg aufgrund der schweren Arbeit, der täglichen Mißhandlungen und der Kälte des Winters als noch katastrophaler als in Birkenau. Nach 9 Monaten wurde das Lager evakuiert. Sie wurden nach Celle gebracht und mußten die lange Strecke zum KZ Bergen-Belsen zu Fuß zurücklegen.

Die Zurückbleibenden wurden erschossen.

Ein großer Berg nackter Leichen war ihr erster Eindruck von Bergen-Belsen. Zwei Wochen lang lebte sie mit anderen Frauen zusammengepfercht in einer Baracke. Es gab nichts zu essen. Die Menschen starben. Sie fielen einfach um. Judith Jaegermann erlebte, wie die zurückbleibenden ukrainischen Wachen aus Langeweile auf die am Boden kriechenden Frauen schossen.

Als die ersten britischen Truppen das Lager erreichten, waren die Insassen so apathisch, daß sich niemand rührte und kaum jemand die Kraft hatte, sich zu freuen. Judith überlebte mit ihrer Schwester und der Mutter die anschließende Typhusepidemie. Der Vater war in Buchenwald ums Leben gekommen. Als 16jähriges Mädchen kam sie dann schließlich nach Palästina.

Quellen

  • 406
    406. http://holocaust.juden-in-europa.de/zeitzeugen/jaegermann.htm

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