Internierungslager für Deutsche 1945–1947 in der Kleinen Festung

Die von der Gedenkstätte in Theresienstadt 1995 eingesetzte und von Marek Poloncarz geleitete Historikerkommission hat erste Ergebnisse über das Internierungslager Kleine Festung veröffentlicht. Dies ist ein Verdienst der Gedenkstättenleiter Blodig und Munk, die schon Jahre vor der Veröffentlichung meinten, die Sache müsse offen und ehrlich aufgearbeitet werden.

  • Das Gestapogefängnis Kleine Festung Theresienstadt wurde von 32.000 vorwiegend tschechischen Patrioten durchlaufen.
  • 2.500 Häftlinge fanden hier den Tod, 5.500 überlebten die Folgelager nicht.
  • Am 2. Mai 1945 wurde Theresienstadt vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes übernommen.
  • Am 14. Mai 1945 wurde wegen der grassierenden Flecktyphusseuche die Quarantäne verhängt.
  • Der Seuchenherd in der Kleinen Festung war der IV. Hof, der von den Deutschen abgesperrt wurde, die Häftlinge blieben sich selbst überlassen.
  • Am 1. Mai 1945 hatten die Deutschen noch 200 tuberkulosekranke Häftlinge entlassen.
  • In der Anlage befanden sich zu dieser Zeit 4.800 Männer, die desinfiziert, gewaschen, gepflegt und verpflegt werden mußten. Sie wurden größtenteils in Krankenhäusern der Stadt untergebracht.
  • Nach dem 8. Mai 1945 (Einzug der sowjetischen Truppen) blieben noch etwa 700 Häftlinge in der Kleinen Festung, die bis Ende Mai auf die Krankenhäuser verteilt oder entlassen wurden. Etwa 2.000 Todesopfer forderte die Epidemie noch nach der Befreiung.
  • Die Entwicklung der Kleinen Festung vom Gestapogefängnis zum Internierungslager läßt sich nicht mehr lückenlos rekonstruieren.
  • Es scheint begonnen zu haben, indem man ehemalige Wehrmachtsangehörige als Arbeitskräfte anforderte.
  • Am 28. Mai 1945 beantragte die Generaldirektion der Polizei in Prag die Errichtung eines Internierungslagers in der Kleinen Festung. Personen, die sich dem tschechischen Volk gegenüber schuldig gemacht hatten, sollten hier interniert werden.
  • Nach der Flucht des deutschen Wachpersonals am 5. Mai 1945 wurde von den Häftlingen ein Revolutionärer Nationalausschuß gebildet, dessen Leiter Stanislaw Franc wurde. Werner Würfel wurde erster Häftling des Internierungslagers.
  • Am 10. Mai 1945 wurden 43 deutsche Soldaten, die im Lazarett der Stadt behandelt worden waren, in die Kleine Festung und in Einzelzellen des IV. Hofes untergebracht. Am nächsten Tag folgten 13 weitere Personen.
  • Im Verlauf des Monats Mai wurden 180 Personen aus dem Verwaltungsbezirk Litoměřice, 35 aus Usti nad Labem, 32 aus Teplitz und 9 aus Louny eingeliefert.
  • Im Juni häuften sich die Transporte. 342 Männer und 304 Frauen kommen aus Prag hinzu. Am 6. Juni kamen 236 Frauen und 68 Männer, dazu immer wieder Einlieferungen aus der nächsten Umgebung. Mitte Juni befanden sich bereits 1.335 Personen, hiervon 624 Frauen in der Kleinen Festung.
  • In dieser Periode der „wilden Vertreibung“ war die Staatsmacht durch Vertreter nicht präsent. Die Sterblichkeit war hoch (114, davon 111 Männer).
  • Am 2. Juli übernahm Otokar Kálal im Auftrag des Prager Innenministeriums die Leitung des Internierungslagers.
  • Am 1. August 1945 sollen mit einem aus 3 Autos bestehenden Transport auch 23 Leichen nach Theresienstadt gebracht worden sein, die dann im Ghettokrematorium verbrannt worden sind.
  • Am 11. August 1945 kam ein Transport aus dem Prager Masaryk-Stadion in Theresienstadt an (629 Frauen und 519 Männer). Mehrere Internierte starben während des Transportes (Ursache unbekannt), andere bis August 1945. Weitere Neuzugänge kamen aufgrund von in Litoměřice verhängten Gerichtsurteilen nach Theresienstadt.
  • Am 26. Januar 1946 wurde der ehemalige Kommandant des Gestapogefängnisses Jöckel eingeliefert. Er wurde in eine Einzelzelle des 2. Hofes gelegt und in Litoměřice vor Gericht gestellt.
  • Immer wieder kam es zu Fluchtversuchen, meistens aus den Arbeitskommandos heraus. Die Sterblichkeit nahm Anfang 1946 ab.
  • Insgesamt haben 3.725 Personen das Internierungslager passiert. Nur einige von diesen konnten als Kriegsverbrecher eingestuft werden. Etliche wurden den Gerichten übergeben, andere freigelassen, die Masse jedoch in Sammeltransporte nach Deutschland gesteckt.
  • In der Kleinen Festung inhaftiert waren auch einige der SS-Aufseher vom Wachpersonal derselben, aus dem Ghetto und aus der Grube Richard.
  • Die Unterbringung der Internierten unterschied sich kaum von der Situation während der Nazizeit. In einer Massenzelle des IV. Hofes waren zeitweilig 514, in anderen Zellen des Außenringes 43 Personen untergebracht. In Zelle 41 waren im Juli 1945 255 Frauen untergebracht.
  • Die Internierten mußten arbeiten. Zum Teil erledigten sie Renovierungsarbeiten in der Stadt, die ab Mitte 1946 wieder von der Zivilbevölkerung bezogen wurde oder bei der Sowjetarmee. Dem Bericht zufolge arbeiteten Internierte auch bei Bohumil Procházka, einem Metzgermeister in Theresienstadt.
  • Die Verpflegung und ärztliche Versorgung waren mangelhaft. Dies wurde immer wieder von der Kommission des Internationalen Roten Kreuzes aber auch von tschechischen Ärzten bemängelt. Insgesamt gab es 548 Sterbefälle. Davon sind viele auf das hohe Alter zurückzuführen, aber der Bericht macht auch klar, daß mangelnde Hygiene, die unzureichende Verpflegung bei der harten Arbeit usw. eine Rolle spielte. 68 Sterbefälle sind unklar. Es fehlen die Totenscheine, die Todesursache konnte nicht festgestellt werden. Bei vielen anderen wird, was sonderbar ist, immer Herzversagen (?) oder Lungenentzündung (?) angegeben.
  • Der Bericht vermutet, daß in mehreren Fällen die tatsächliche Todesursache verschleiert werden sollte.
  • Mehrfach wurden Personen des Aufsichtpersonals ausgewechselt und angeklagt, weil sie sich bereichert haben sollten. Andere wurden abgelöst, weil man ihnen Gewalttätigkeiten nachgewiesen hatte.
  • Einige Tötungsdelikte gehen auf die Weisung der Lagerleitung zurück. Etwa 30 Deutsche sollen mittels einer Injektion getötet worden sein.
  • Auffällig ist auch, daß Personen, die auf den Transportlisten nach Theresienstadt aufgeführt werden, in der Lagerkartei nicht mehr zu finden waren.
  • Ehemalige Kapos und andere Zeugen behaupten, daß besonders Männer aus den Pankrác-Transporten (Pankrác Polizeigefängnis in Prag) vom Aufsichtspersonal geschlagen worden sind. 25–90 sollen den Verletzungen erlegen sein.
  • Der Bericht stützte sich auf das vorhandene bisher gefundene Material, das im Kreisarchiv Litoměřice unter Verschluss aufbewahrt worden war. Viele Vorgänge sind scheinbar nicht festgehalten worden.
  • Es steht fest, daß es Gewaltdelikte, Tötungen und Misshandlungen im Internierungslager Kleine Festung gegeben hat, daß die Kleine Festung kein Lager nur für Kriegsverbrecher war, wie von tschechischer Seite bis 1989 immer wieder behauptet worden war. Theresienstadt war jedoch auch nicht die Mordanstalt für Deutsche, wie es in den Berichten der Vertriebenenverbände immer wieder behauptet wird. Diese mutige Arbeit ist ein erster Schritt bei der Aufklärung dessen, was tatsächlich nach der Befreiung in der Kleinen Festung geschehen ist.

„ Die Befreiung von Theresienstadt hat das Elend an diesem Ort nicht beendet. Nein, nicht allein für die ehemaligen Gefangenen, deren Leiden mit dem Wiedergewinn der äußeren Freiheit gewiß nicht abgeschlossen war, sondern auch für neue Gefangene, deren Elend jetzt erst begann. In die Kleine Festung wurden Deutsche des Landes und reichsdeutsche Flüchtlinge eingeliefert. Bestimmt gab es unter ihnen welche, die sich während der Besetzungsjahre manches hatten zuschulden kommen lassen, aber die Mehrzahl, darunter viele Kinder und Halbwüchsige, wurden bloß eingesperrt, weil sie Deutsche waren. Nur weil sie Deutsche waren....? Der Satz klingt erschreckend bekannt, man hatte bloß das Wort ´Juden´ mit ´Deutsche´ vertauscht. Die Fetzen, in die man die Deutschen hüllte, waren mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Menschen wurden elend ernährt, mißhandelt und es ist ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deutschen Konzentrationslagern her gewohnt war. Der Unterschied bestand lediglich darin, daß der herzlosen Rache, die hier am Werke war, das von der SS zugrunde gelegte großzügige Vernichtungssystem fehlte. Das Lager stand in tschechischer Verwaltung, doch wurde von ihr nicht verhindert, daß Russen gefangene Frauen vergewaltigten. Zu Ehre der Theresienstädter Juden sei gesagt, daß sich an diesen Gefangenen, die zum Straßenkehren und anderen niederen Arbeiten, aber auch zur Pflege von Flecktyphuskranken in die Stadt kommandiert wurden, keiner der alten Gefangenen vergriff, obwohl Russen und Tschechen dazu aufforderten. Die Anzahl der Häftlinge wechselte und dürfte 3.000 kaum einmal überstiegen haben. Nur wenige wurden eines Verbrechens überführt und abgeurteilt, viele wurden erschlagen oder gingen im Lager zugrunde, manche wurden nach mühevollen Interventionen anständiger Tschechen entlassen, und dem mutigen tschechischen Menschenfreunde Přemysl Pitter gelang es, viele Kinder zu retten. Die meisten Gefangenen wurden im Rahmen der Massenausweisung Deutscher aus der Tschechoslowakei nach Deutschland deportiert.“

Quellen

  • 338
    338. Hans Günther Adler , Theresienstadt 1941 - 1945, Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft Mohr - Verlag, , Tübingen, 2. Aufl. 1960 , S. 218f.
  • 404
    404. Marek Poloncarz , Ein unterlassenes Kapitel der Theresienstädter Geschichte. Das Internierungslager für Deutsche 1945-1948 , in: Theresienstädter Studien und Dokumente 1997 Academia-Verlag, , Prag , S. 315ff.

zurück zur Übersicht