Eine vornehme zarte Frau sitzt in ihrer Londoner Wohnung am Klavier und spielt Chopin. Alice Sommer hat fast das ganze 20. Jahrhundert erlebt - sie ist 1903 geboren. Im deutsch-jüdischen Elternhaus in Prag verkehrten Schriftsteller, Wissenschaftler, Musiker und Schauspieler, Freud und Kafka. Alice lernt mehrere Sprachen, studiert Musik und ist zu Beginn der dreißiger Jahre eine bekannte Pianistin. Als die deutschen Truppen 1938 die Tschechoslowakei besetzen, beginnt auch hier die Verfolgung der Juden.
Alice bekommt Auftrittsverbot, spielt nur noch zu Hause.
1942 wird ihre Mutter deportiert; den Schock darüber kann sie nur am Klavier bewältigen. Sie setzt sich in den Kopf, die 24 Etüden von Chopin einzustudieren, mit das Schwierigste, das die Klavierliteratur zu bieten hat. Keine Musikerin vor ihr hatte diese schwierigen Etüden beherrscht. 1943 trifft es Alice Sommer selbst. Mit ihrem Mann und dem 1937 geborenen Sohn Raphael wird sie ins Konzentrationslager Theresienstadt abtransportiert. Auch hier hilft ihr die Musik, die Situation überlebbar zu machen. Sie wird die 'Pianistin von Theresienstadt', die in gelegentlichen Konzerten den Mithäftlingen Mut machen will - und ihren kleinen Sohn vor den abgründigen Schrecken des Lagers bewahren kann. Ihr Mann wird im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert, sein dringender Rat rettet Frau und Kind das Leben.
Alice Sommer und ihr Sohn ziehen 1947 nach Israel. 1984 siedelt sie nach London um und gilt wenig später unter Musikexperten als verstorben. Doch Totgesagte leben länger: Bis heute trifft sich Alice Sommer mit Freundinnen, darunter Holocaust-Überlebende wie sie, unterhält sich mit ihnen in sieben Sprachen, spielt täglich drei Stunden Klavier. Wenn sie über ihr Leben und ihr Schicksal spricht, dann tut sie das heiter und gelassen, voller Vitalität und Lebensfreude - sie findet: 'Das Leben ist schön - trotz allem!'