Neben dem Hunger, den ungenügenden hygienischen Bedingungen, der fürchterlichen, manchmal kaum ertragbaren Enge in den Quartieren war das Ungeziefer eine von fast allen Überlebenden ausführlich geschilderte unangenehme Plage, der trotz aller Versuche nicht Herr zu werden war.
Der Historiker Hans Günther Adler berichtet:
„Am lästigsten war der Schmutz, gegen den man vergeblich kämpfte. Zwei, drei Tage nach einem Großreinemachen war alles wieder wie es vorher war. Ungeziefer gab es in unvorstellbaren Mengen, und selbst die besten Quartiere waren kaum je frei von Wanzen und Flöhen. Desinfizierte man endlich ein ganzes Gebäude, so nistete sich die Plage schnell wieder ein. Aus seinen Brutstätten in den Holzverschlägen und aus den verstaubten Matratzen ließ sich das Ungeziefer nicht vertreiben. Man griff zu allen möglichen, aber untauglichen Mitteln der Selbsthilfe, steckte Nussblätter unter die Decken, zerlegte die genagelten Gestelle, brannte sie mit Kerzen ab und verstopfte mit dem Stearin die Lücken. In den Quartieren der Gebrechlichen war es am unerträglichsten. Kaum wurde das Licht gelöscht, so wurden die armen Menschen überfallen und konnten nicht schlafen, mochten sie auch in einer Nacht Hunderte Wanzen töten.“
Käthe Starke berichtete, daß sie bereits in der ersten Nacht nach ihrer Ankunft von Wanzen und Flöhen völlig zerbissen und voller roter Flecken am Körper gewesen sei. Wenig später wurde sie einer Arbeitsgruppe zugeteilt, die in den Gebäuden nach der Desinfektion (nach der „Entwesung“) zum Saubermachen eingesetzt wurde: „Der Kampf gegen das Ungeziefer wurde mit Giftgas geführt. Spezialtrupps dichteten die Räume an Türen und Fenstern mit Papierstreifen ab, wenn ihre Insassen sie mitsamt ihrer Habe verlassen hatten. Mit Gasmasken geschützt öffneten die gleichen Kommandos Türen und Fenster nach einer angemessenen Zeit wieder. Aber danach hatten wir ohne Atemschutz in einer Luft zu arbeiten, die heftig in die Lungen stach, und der Leim, mit der das Papier verklebt wurde, war beste Qualität und mit kalten Wasser kaum zu lösen. Nachdem wir solcherart dort mühevoll gewirkt und uns sämtliche Fingernägel abgebrochen hatten, kam eine neue Belegschaft in die ungenügend belüfteten Räume und während sie die Nächte noch durchhustete, installierte sich das im Gepäck aus der alten Ubikation mitgebrachte Ungeziefer am neuem Platz. So ging das ad infinitum .“
Hannelore Brenner-Wonschick lässt „Die Mädchen vom Zimmer 28“ über die Ungezieferplage berichten: „Unerwünschte Mitbewohner krochen aus ihren Verstecken und vermehrten sich unendlich. Wanzen, Läuse, Flöhe. Vor allem Wanzen. Auf Matratzen, Holzbalken, Fußböden, Wänden, in Koffern und Schuhen – plötzlich waren überall die stinkigen kleinen schwarzen Biester zu sehen, zu riechen und zu hören tap, tap, tap.
Melanie Oppenhejm berichtet:
„Aber wie sollte man sich von all den Flöhen freihalten. Die ganze Strohmatratze und alle Bodenritzen waren voller Flöhe. Wir saßen, ohne uns zu genieren, beisammen und hoben unsere Röcke hoch, und die Männer wühlten in ihren Hosen und versuchten, die Flöhe zu zerquetschen. Aber das gelang ziemlich selten. Das Schlimmste aber – das waren die Wanzen. (.....) Wanzen beißen nicht nur, sie haben auch einen widerlichen Geruch. Wir hatten nichts, rein gar nichts, was wir versprühen konnten, und jeden Abend, sobald es dunkel wurde, kamen die Wanzen und mit ihnen die Flöhe. (.....) Man war stets todmüde, konnte aber keine Nacht richtig schlafen, trotzdem man am nächsten Morgen aufstehen musste und zur Arbeit gezwungen wurde.“