Reichsarbeitsdienst (RAD)

Organisation und Aufgaben des Reichsarbeitsdienstes (RAD) in Stichworten

Zahlen

  • 1933 gegründet in Nachfolge des FAD (Freiwilliger Arbeitsdienst in der Weimarer Republik) unter Reichsarbeitsführer Konstantin Hierl
  • 1935 allgemeine Arbeitsdienstpflichtverpflichtung für alle 18- bis 25-Jährigen
  • Dienstdauer 6 Monate, mit Beginn des Krieges bis zu 18 Monate
  • 1935 in 1.260 Lagern untergebracht, 1939: ca. 1.700 Lager
  • 1933 bis 1945 durchliefen 3 Mio. Männer den RAD
  • Frauen wurden nur bedingt eingezogen: bis 1937 jährlich ca. 10.000 Frauen, danach jährlich etwa 25.000 Frauen, die während des Krieges überwiegend in Rüstungsbetrieben eingesetzt wurden

Organisation

  • militärische Organisation
  • pro Abteilung 216 Mann inkl. 20 Führer und Amtswalter
  • Unterbringung in Holzbaracken fernab von Dörfern und Städten (auch KZs und Vernichtungslager waren mit Baracken des RAD-Typs bestückt)
  • autoritär geführtes Lagersystem mit umfassenden Kontrollmöglichkeiten
  • Primat der Erziehung, RAD als einzige Erziehungsformation des Nationalsozialismus, die die totale Erfassung der Jugend für einen längeren Zeitraum für sich beanspruchen konnte
  • ca. 4 bis 5 Stunden werktäglich wurde praktisch gearbeitet

Erziehungsziele

  • körperliche Ertüchtigung (Männlichkeitsideal)
  • „Charakterschulung“
  • politische Indoktrination
  • „militärisch straffe Zucht und Unterordnung“ (Hierl)
  • Überwindung von Klassenschran-ken, Marxismus und Parlamen-tarismus
  • „Körperliche und sittliche Ertüchtigung für die Aufgabe des Vaterlandverteidigers“ (Hierl)
  • Disziplinierung unter dem Leitbild des Führerprinzips (Hierl: „...unbedingte Unterordnung des eigenen Willens unter die Gesetze einer Gemeinschaft und die Anordnungen ihrer Führer“)
  • Entwicklung von Führernaturen

Unterricht

  • Staatspolitik auf der Grundlage von Hitlers „Mein Kampf“ und Tagespolitik
  • Geschichtsunterricht unter rassepolitischen Gesichtspunkten
  • Volkskunde inkl. Familienkunde, Rassenlehre, Erbgesundheitslehre
  • während des Krieges entfielen zivile Projekte und Erziehung weitgehend
  • Mannschaftskampfspiele
  • Ordnungsübungen, d. h. Exerzieren mit und ohne Spaten
  • Feierabend als Lernkontrolle: u. a. häufig Inszenierungen von Kasperletheater zur politischen Indoktrination innerhalb und außerhalb des Lagers.

Ziele

  • „Verschmelzung von den drei Grundelementen: des Soldatentums, Bauerntums und Arbeitertums“ (Hierl), d. h. Schaffung des neuen nationalsozialistischen Menschen
  • ab 1942 Eindeutschungsinstitution unter rassepolitischen Gesichtspunkten

Wirtschaftliche Bedeutung

  • Instrument völkischer Sozialpolitik, weniger der Wirtschaftspolitik
  • „Umschichtung unseres Volkes aus den Großstädten auf das Land“
  • Erdarbeiten, Sicherung der Ernährungsgrundlage, Hochwasserschutz
  • Ernteeinsätze insbesondere nach dem Überfall auf Polen (Wegfall der polnischen Erntearbeiter)
  • wirtschaftliche Leistungfähigkeit lag durchschnittlich unter 50 % im Vergleich zur privaten Wirtschaft und dem Einsatz von Zwangsarbeitern und Strafgefangenen

Einsatzorte

  • 1933 Bau des KZ Dachau
  • 1933 Bewachung von KZ-Häftlingen im KZ Nohra/Thüringen
  • Emslandkultivierung
  • Westwalleinsatz ab Sommer 1938, d. h. bei einem unmittelbar kriegs-wichtigen Projekt (Westwall: 639 km lange Befestigungslinie von Basel bis Aachen aus Betonhöckern, Bunkern und befestigten Un-terständen), während dieses Ein- satzes Ausbildung an Waffen durch die Wehrmacht, um die Befestigungsabschnitte für beschränkte Zeit verteidigen zu können
  • Ernteeinsätze
  • 1939: 25.000 Arbeitsmänner beim Bau der Ostbefestigungen
  • zum Kriegsbeginn Bildung von Baubataillonen, die der Wehrmacht unterstellt waren und für diese Straßen und Verkehrsnetze baute sowie Trümmer beseitigte. Bataillione folgten der Wehrmacht bis zu den Kriegsschauplätzen
  • vor dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 wieder unmittelbarer Einsatz bei den Truppen, von der Bautruppe der Wehrmacht zu einer von dieser abhängigen Kampftruppe mit den Aufgaben
    • Bewachung von Kriegsgefangenen
    • Kampf gegen Partisanen
    • Zerstörung jüdischer Friedhöfe zwecks Beschaffung von Baumaterial inkl. Zwangs-verpflichtung von Juden
    • Besiedlung jüdischer Ghettos
  • Ende 1941 gingen von 929 RAD-Abteilungen nur noch 184 zivilen Tätigkeiten nach
  • 1942 war knapp die Hälfte der RAD- Abteilungen im Ostfeldzug ein-gesetzt, wurden aber 1943 wegen zu großer Belastung der z. T. erst 17-jährigen Männer versetzt zur Luftverteidigung an Flak-Geschützen in den Städten des „Reichs“

Verhältnis RAD/Wehrmacht

  • ab 1935 Dienstpflicht für Arbeitsdienst und Wehrmacht, Wehrdienst mußte unmittelbar nach Ableistung des Arbeitsdienstes angetreten werden
  • zu Kriegsbeginn wurden 60% des RAD-Stammpersonals in den Wehrdienst einberufen
  • ab Dezember 1938 wurden alle Arbeitsmänner an Infanteriewaffen ausgebildet

Wer mußte nicht zum RAD?

Ausgeschlossen waren Schwerverbrecher, geistig Behinderte, körperlich Behinderte teilweise, Nicht-Arier und Zwangssterilisierte.
Mit Heirat oder Eintritt in die Reichswehr konnte man den RAD umgehen. Befreiung vom RAD war möglich für die, die vom NS-Staat an anderer Stelle dringender gebraucht wurden, z. B. in Landwirtschaft oder Rüstungsbetrieben.
‚Drückebergern’ war der Zugang zur Universität und zu einigen Berufen sowie zum Wehrdienst völlig verwehrt und zu vielen Berufen erschwert.

Nach 1945

  • Hierl wurde in den Nürnberger Prozessen nur als Zeuge vernommen
  • eine spätere Verurteilung zu 5 Jahren Arbeitslager wurde ihm erlassen aufgrund der Fürsprache des evangelischen Landesbischofs Wurm
  • 1955 Veröffentlichung der Memoiren Hierls mit dem Titel: ‚Im Dienst für Deutschland’.

siehe auch:

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