Pollak, Handa

Handa Pollak wurde am 4. November 1931 in Prag geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit in Olbramovice, einem kleinen Dorf etwa 60 Km südlich von Prag, wo ihre Familie einen großen Gutshof besaß. Als Handa vier Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern. Alice Pollakova war nicht für ein Leben auf dem Land geschaffen (sie war eine Cousine des bekannten Prager Kapellmeisters Karel Ančerl).

So wuchs Handa in der Obhut ihres Vaters heran, der dabei vom Kindermädchen Jitka unterstützt wurde. Jüdische Tradition wurde in der Familie nicht gepflegt, so daß Handa von ihrer jüdischen Religion erstmals in der Schule erfuhr. In ihrem ersten Zeugnis stand unter dem Stichwort Religion „mosaisch“. Sie weinte damals sehr und fragte den Vater, warum bei ihr etwas ganz anderes stand als bei den Mitschülerinnen. „Ja, wir sind Juden“, hat der Vater geantwortet. „Aber das ist gar nicht so wichtig. Wir sind Tschechen wie alle anderen auch.“

Am 15. März 1939 marschierte die Wehrmacht in die „Resttschechei“ ein. Ein endloser Zug deutscher Soldaten fuhr durch Olbramovice in Richtung Prag. Dann begannen die Einschränkungen für die Tschechen und vor allem für die Juden. Am Eingangstor des Gutshofes prangte in großen Lettern „Zidi ven“ (Juden raus). Karel Pollak und seine Tochter suchten Unterschlupf bei Verwandten in Prag. Mal wohnte Handa bei einer Schwester ihres Vaters, mal bei einem Bruder, dann für eine Weile bei ihrer Mutter in Prag-Dejvice. Schließlich kam Handa wieder zu ihrem Vater, in die Wohnung von dessen Schwester Hanička in Prag-Smichow.

Im Herbst 1941 wurde Karel Pollak zusammen mit anderen jungen Männern dem „Aufbaukommando“ nach Theresienstadt zugeteilt. 342 junge Männer trafen am 24. November 1941 in Theresienstadt ein. Es waren Handwerker und Arbeiter, die die Aufgabe hatten, alles für das Ghetto vorzubereiten. „Man sagte uns, daß wir jedes Wochenende nach Hause fahren könnten“, erzählte Karel Pollak, “aber das war eine Lüge.“ Etwa ein halbes Jahr lang war Handa ohne ihren Vater. Im Juni 1942 wurde sie zusammen mit ihrer Tante Hanička ins Ghetto nach Theresienstadt deportiert. Sie kam ins Kinderheim L 410 und traf im Zimmer 28 auf all die anderen Mädchen, auch auf Helga Pollak, mit der sie sich anfreundete.

Über zwei Jahre lebte Handa im Zimmer 28 des Kinderheimes L 410, dann kam sie zusammen mit anderen Mädchen des Zimmers am 23. Oktober 1944 in den Transport nach Auschwitz. Etwa eine Woche lang blieb sie in dem Lager. Nackt und mit erhobenen Händen mußte sie an Mengele vorbeilaufen. Da sie relativ groß und entwickelt war, wurde sie einer Gruppe von jungen Jüdinnen zugeteilt, die von Auschwitz aus nach Oederan in Sachsen deportiert wurden, um hier in einer Chemie- und Munitionsfabrik zu arbeiten. Das Unternehmen „Agricola GmbH-Werk K, Deutsche Kühl- und Kraftmaschinen GmbH“ war ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Als die Front näherrückte, sollten die Häftlinge in ein anderes KZ überführt werden. Da jedoch überall Chaos herrschte, fuhren sie im offenen Viehwaggon wochenlang von einem Ort zum anderen. Mit einem der Elendstransporte kam Handa gegen Ende April 1945 nach Theresienstadt zurück und wurde hier befreit. Am 12. Mai kehrte Handa zusammen mit ihrer Freundin Tella nach Prag zurück. Hier wartete sie vergebens auf die Rückkehr ihres Vaters. Schließlich verbrachte Handa einige Wochen in Olbramovice bei einer befreundeten Familie. Hier erfuhr sie vom Tod ihres Vaters. Karel Pollak war am 9. März 1945 in einem der Außenlager des Konzentrationslagers Dachau gestorben. Er war an Typhus erkrankt und völlig entkräftet, hatte jeden Mut zum Leben verloren.

Handa hatte als einzige von den 31 Verwandten, die deportiert worden waren, überlebt. Sie ging in Prag aufs Gymnasium, lernte Klavierspiel en, wurde von ihrer Freundin Tella unterstützt, ebenso von ihrem Onkel Karel Ančerl. Sie schloß sich immer mehr dem Kreis um Hanka Wertheimer an, der die Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Im Frühjahr 1949 gelangte sie mit einer Jugend-Alija-Gruppe nach Israel. Tella folgte ihr kurz darauf. Im Kibbuz Hachotrim fand sie eine neue Heimat. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und zwei Adoptivsöhne.

Quellen

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    648. vergl. Hannelore Brenner-Wonschick , Das Mädchen von Zimmer 28 Droemer-Verlag, , München 2004 , S. 82.

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