Hauptstraße L 410 - L 414 - L 415 - L 417

L 410

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Mädchenheim für 8- bis 16jährige Mädchen. Hier wurde viel (heimlich) unterrichtet. Auch ältere Mädchen vertieften nach der Rückkehr von der Arbeit ihre Kenntnisse. Die Zeichenstunden leitete Friedl Dicker-Brandeis. Im Keller des Gebäudes wurden Musikwerke einstudiert.

L 414

Bis August 1942 war hier die SS-Kommandantur untergebracht. Später wurden im Erdgeschoß die Post und weitere Ämter eingerichtet. Die übrigen Räumlichkeiten dienten als Unterkunft für die Jugend, besonders aus den deutschen Transporten. Im Heim der tschechischen Mädchen wurde die Zeitschrift Bonako herausgegeben. Danach zog die Kommandantur in das Gebäude schräg gegenüber auf dem zentralen Platz (Q414, 416).

L 415

In diesem Haus wurde (während der Verschönerungsaktion) ein Geschäft für Wäsche und Bekleidung eingerichtet. Die zum Verkauf angebotenen Sachen kamen meistens aus dem nach der Ankunft der Transporte beschlagnahmten oder gestohlenen Gepäck der Häftlinge. Sie konnten sich also hier die Sachen kaufen, die man ihnen vorher abgenommen hatte. Weitere Geschäfte mit verschiedenen minderwertigen Waren befanden sich vor allem in den Straße L 4 und L 3.

L 417

Dies ist das Gebäude der ehemaligen Theresienstädter Schule. Hier wurde 1942 ein Heim für 10- bis 15jährige Knaben eingerichtet. Auf dem Dachboden wurden die Kinder heimlich unterrichtet, in der Turnhalle Kulturveranstaltungen durchgeführt (u.a. eine Aufführung der "Verkauften Braut"). In diesem Heim Nr. 1 bildeten die Jungen auf Anregung ihres Betreuers eine Selbstverwaltung, die sogenannte Republik Skid. Im Geheimen wurden die Zeitschrift Vedem herausgegeben.

Kurt Jiří Kotouč berichtet in Ist meine Heimat der Ghettowall? (Hanau 1995) später über den Tagesablauf in diesem Heim Nr. 1:

Täglich mußten ungefähr 40 Jungen zu verschiedenen Arbeiten im Ghetto gehen. (...) Um sechs oder sieben Uhr gab es den Weckruf, dann Waschen unter einem eiskalten Wasserstrahl, Aufräumen der Pritschen, Aufteilung der Tagesdienste – Aufsicht und Aufräumen in den Räumlichkeiten und auf den Korridoren, dem WC, dem Hof. Dann Frühstück und Antritt zum „Appell“. Alle Heime mußten im Treppenhaus antreten, und der Leiter des L 417 Ota Klein trug eine Art „Tagesbefehl“ vor. Dann erst begann der Unterricht. Aus Raummangel auch in den Heimen, aber vor allem auf dem Dachboden, wo keine so große Gefahr eines Einfalls der SS bestand. Wo immer unterrichtet wurde, hatte je ein Junge Wachdienst. Jede Klasse konnte im Falle einer Kontrolle der SS irgendeine andere Tätigkeit vortäuschen, etwa Aufräumen. (...) Von den acht oder zehn Lehrern waren nur zwei oder drei professionelle Pädagogen. Es gab keine Schulhilfsmittel. (...) Unterrichtet wurde etwa drei bis vier Stunden täglich. (...) Wie alle Kinder waren wir auch manchmal sehr ausgelassen, akzeptierten aber dennoch die Losung unserer Lehrer, daß wir hinter den Schulen in der Freiheit nicht zurück bleiben dürfen. (...) Seiner Wirksamkeit (des Unterrichts) wurde ich mir nach der Rückkehr aus dem Lager bewußt, als ich wieder in eine normale Schule kam. Tatsächlich war ich nur ganz unwesentlich zurückgeblieben.

Nach der Expedition mit dem Eßnapf um das Mittagessen, für das man (...) Schlange stehen mußte, folgte noch die Wiederholung des durchgenommenen Stoffes, allerdings schon ohne die Anwesenheit der Lehrer. Es konnte aber auch eine andere Beschäftigung sein, am liebsten war uns Körpererziehung in Form von Fußballwettspielen auf dem Hof oder es gab das unangenehme „große Reinemachen“. Wirkliche Freizeit gab es erst am späten Nachmittag vor dem Abendessen, ungefähr zwischen 16 und 18 Uhr. Etliche Kinder hatten noch ihre Eltern in Theresienstadt oder wenigstens irgendwelche Verwandte und besuchten sie in dieser Zeit in den verschiedenen Kasernen. Nach dem Abendessen wurden die Heime mehr oder weniger zu abgeschlossenen Welten, in denen sich die Kinder vor dem Schlafen (...) unterhielten. In den Heimen für Jüngere begann die Nachtruhe übrigens sehr bald, aber wir Älteren „bummelten“. Wir haben auch die berühmten Theresienstädter Dachbodenvorstellungen gesehen: Kabarette, Theaterstücke, Rezitationen, Konzerte. Ich erinnere mich auch an Expeditionen, bei denen wir in der Dunkelheit Kohle stehlen gingen (...). Auf den Pritschen wurde dann nach der 22 Uhr verkündeten Nachtruhe in der Dunkelheit noch lange gequatscht...“

Quellen

  • 495
    495. Ludmila Chládková , Der Jüdische Friedhof in Theresienstadt Oswald-Verlag, , Prag 1999 , S. 19.
  • 496
    496. Ludmila Chládková , Der Jüdische Friedhof in Theresienstadt Oswald-Verlag, , Prag 1999 , S.18f.
  • 497
    497. Ludmila Chládková , Der Jüdische Friedhof in Theresienstadt Oswald-Verlag, , Prag 1999 , S. 19.
  • 498
    498. Ludmila Chládková , Der Jüdische Friedhof in Theresienstadt Oswald-Verlag, , Prag 1999 , S. 18.
  • 499
    499. Křížková/Kotouč/Ornest (Hg.) , Ist meine Heimat der Ghettowall? Gedichte, Prosa und Zeichnungen der Kinder von Theresienstadt Dausien-Verlag, , Hanau 1995 , S. 39f.

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