Hachenburg, Hanuš

1929 – 1944

Über die Kindheit von Hanuš Hachenburg ist wenig bekannt. Er lebte mit seiner Mutter in Prag, den Vater kannte er nicht. Wahrscheinlich wurde er 1941 in das jüdische Waisenhaus in der Belgická-Straße aufgenommen. Dort wurde improvisierter Unterricht gegeben, der anderen jüdischen Kindern nicht zugänglich war. Der Direktor des Waisenhauses Ota Dr. Freudenfeld lud zu den Kindern Persönlichkeiten ein, wie z. B. den Übersetzer Erik A. Saudek, den Dichter Jiří Orten, die bildenden Künstler František Zelenka, Adolf Hoffmeister, den Dirigenten Rafael Schächter, die Komponisten Hans Krása und Gideon Klein, die Hachenburgs Interesse an der eigenen schöpferischen Aussage vertieften.

Am 24. Oktober 1942 wurde Hachenburg nach Theresienstadt verschleppt. Dort erkannte Valtr Eisinger sein Talent und überführte ihn ins Heim 1 in L 417. Dieser blasse, in sich gekehrte Junge von asthenischem Aussehen mit den großen Augen stand scheinbar abseits der anderen. Ihn beachtete niemand besonders. Erst an den Freitagabenden, beim Vorlesen von „Vedem“ trat eine wunderbare Verwandlung ein. Hanuš las den erstaunten und verstummten Knaben seine Gedichte vor. Alle ahnten, daß dies keine einfache Kinderreimerei mehr war, sondern wirkliche Poesie. Hanuš unterwarf bei seinem Schaffen alles dem dichterischen Gedanken: Wo es notwendig war, verwarf er den dichterischen Reim und die Regeln der Grammatik. In seinen Versen vermischten sich die Wirklichkeit mit dem Traum, das reife Urteil mit kindlichem Weinen. Hier wurde etwas Wesentliches von dem ausgedrückt, was auch andere erlebten, jedoch nicht aussprechen konnten. In „Vedem“ sind auch Hanuš Prosaversuche erhalten geblieben, beispielsweise das Puppenspiel Hledame strasidlo (Wir suchen ein Gespenst). Es erreicht wahrscheinlich nicht das Niveau seiner Gedichte, aber mit dichterischer Vorstellungskraft legt es die Wahrheit über das System der Vernichtungslager bloß, die die Theresienstädter Gefangenen zu dieser Zeit noch nicht kannten.

Am 18. Dezember 1943 wurde Hanuš Hachenburg mit seiner Mutter in das Familienlager der Theresienstädter Gefangenen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort verliert sich seine Spur. Einige Mithäftlinge erinnern sich an Hanuš Hachenburgs Auschwitzer Gedicht Gong. Es geht auf ein alltägliches Erlebnis zurück, wenn Häftlinge durch Schläge auf das aufgehängte Stück einer Eisenbahnschiene geweckt und in den neuen Tag geschickt wurden. Dieses Gedicht war offenbar der Abschied des vierzehnjährigen Dichters vom literarischen Leben.

Was bin ich?
Zu welchem Volk gehöre ich?
Ich, auf ziellosen Irrwegen ein Kind.
Ist meine Heimat der Ghettowall
oder ist sie das Land mit den
Knospen so lind,
vorwärts stürmend, lieblich und klein

Will Böhmen, will die Welt
meine Heimat sein?
Ich stehe hier mit meiner Seele ein
und sage:
Bin ein Mensch dieser Welt, nun
vorwärts denn!

Quellen

  • 290
    290. Vojtěch Blodig u.a. , Kultur gegen den Tod Oswald-Verlag, , Prag 2002 , S. 180.

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