Cossmann, Paul Nikolaus

Paul Nikolaus Cossmann war Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte“. Cossman war national eingestellt, hatte in mehreren Ausgaben der Monatshefte die Behauptung aufgestellt, daß die deutsche Front im Jahre 1918 von hinten 'erdolcht' worden sei, anderenfalls hätte sie trotz der Niederlagen noch weiter aushalten können. Urheber dieses Dolchstoßes seien die Sozialdemokraten gewesen. Mit dem Chefredakteur einer sozialdemokratischen Zeitungen wurden über diese Frage mehrere Prozesse zivilrechtlicher Art geführt. Prominente Zeitzeugen wie Noske, Wilhelm Groener, Otto Wels usw. wurden gehört. Cossmann erreichte mit diesem Prozess den von ihm beabsichtigten propagandistischen Zwecke, die 'Novemberverbrecher' anzuprangern.

Cossmanns Jugend verlief in ruhigen bürgerlichen Bahnen. Als Sohn des bekannten Cellosolisten Bernhard Cossmann wurde er 1869 in Baden-Baden geboren, wo der Vater Lehrer am Konservatorium war. Seine Schulzeit verbrachte er in Baden Baden und Frankfurt/Main. Zu seinen Jugendfreunden zählte der Komponist Hans Pfitzner. Cossmann war Jude, wenn auch 1905 zum Katholizismus konvertiert.

Cossmann, der selbst ein guter Cellospieler war, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. 1904 wurde er Mitbegründer und später alleiniger Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte“. Die Zeitschrift war konservativ eingestellt, sollte ein Gegengewicht darstellen zu den norddeutschen und Berliner Gazetten. Prominente Autoren schrieben hier: Josef Hofmiller, Hans Thoma, Thomas Mann usw.. Ein literarisches Niveau war durchaus vorhanden. Er unterstützte seinen Freund Pfitzner finanziell und mit Kampagnen.

Mit Kriegsbeginn 1914 änderte sich der Tenor der Zeitung, sie wurde vom nationalen Pathos geprägt, das alle rationalen Argumente überwucherte und mündete schließlich nach der Novemberrevolution in einem Untergangsszenario. In Themenheften widmete sich Cossmann dem Kriegsgeschehen und versuchte den Alldeutschen und Weltschwärmern damit den Rücken freizuhalten. Das Kriegsende und die Ablösung der Monarchie führten in den „Süddeutschen Monatsheften“ zu einem Haß auf alles, was mit Revolution, Demokratie und Umsturz zusammenhing. Cossmanns „Süddeutsche Monatshefte“ hatten eine Vorreiterrolle in dem Bestreben, die sog.Kriegsschuldlüge zu entlarven, den Versailler Vertrag zu bekämpfen und damit die Grundfesten der Weimarer Republik zu erschüttern. Cossmann unterstützte damit eindeutig die von der NSDAP radikal vorgetragene Politik. Ob ihm bewusst gewesen ist, daß die Nazis keinen Unterschied zwischen 'Rassejuden' und 'christlichen Juden' machen, bleibt unklar. Cossmanns Einfluß wuchs indessen, da er Mittelsmann zwischen dem Knorr [&] Hirth-Verlag und der Redaktion der Münchner Neuesten Nachrichten wurde, zur grauen Eminenz dieses Renommierblattes. Cossmann wird in dieser Zeit als einsam, zurückhaltend und düster beschrieben. Thomas Mann nennt ihn einmal den „düsteren Helden". Aber das war schon 1928, als Mann zu einem entschiedenen Befürworter der Republik geworden war. Inzwischen gewann Oswald Spengler („Der Untergang des Abendlandes“), der ebenfalls als Berater von Industriellen tätig war, Einfluss in den „Süddeutschen Monatsblättern“. Cossmann war es, der einen losen Zusammenschluss zwischen Großindustriellen, deutschnationalen Publizisten und konservativen Adeligen zustande brachte, deren Ziel es war, die Kriegsschuldfrage und den Bolschewismus zu bekämpfen und nationale, rechte politische Kreise zu unterstützen.

Die Koordination der finanziellen Unterstützungszahlungen übernahm Cossmann.

Damit wurde Cossmann zur Schlüsselfigur jener Bewegung, die mit „Los von Versailles“ die Propagandamaschinerie der NSDAP in Gang hielt und der Weimarer Republik schließlich den Todesstoß versetzte. Als Cossmann die Gefahr Hitler erkannte, war es bereits zu spät. Er konnte den Schulterschluß zwischen den rechten nationalen Kreisen und den Nazis nicht verhindern. Das letzte Themenheft der „Süddeutschen Monatshefte“ erschien im Januar 1933, im März 1933 ließen die Nazis Redaktionsmitglieder verhaften, Cossmann selbst wurde während einer Kur in Wörishofen am 5. April festgenommen und im Sanatorium Neuwittelsbach in Haft genommen. Im Sommer desselben Jahres wurde Cossmann nach Stadelheim überstellt. Hier teilte der inzwischen 64jährige seine Zelle mit weiteren seiner Mitarbeiter. Am 19. April 1934 wurde Cossmann freigelassen, ohne daß es auch nur zu einer Anklageschrift gekommen wäre. Cossmann lebte fortan zurückgezogen in der Nähe von Ebenhausen im Isartal.

Dort besuchte ihn wenige Tage nach der Pogromnacht 1938 (9. 11.) sein Nachbar in Ebenhausen, der ehemalige Botschafter Ulrich von Hassel. „Er liest keine Zeitung, hört keine Nachrichten, vergräbt sich in seinen Wissenschaften“, notiert Hassel. Bereits während seiner Haft hatte Pfitzner in einem Brief an Reichspräsident Hindenburg Cossmanns Freilassung erbeten, ohne Erfolg. Pfitzner hatte ebenfalls keinen Erfolg bei Reinhard Heydrich, der ihn mit einer Warnung abblitzen ließ.

Im Kriegsjahr 1941 wurde ein Teil der Münchener Vorstadt Berg am Laim zum Ghetto umfunktioniert und auch Cossmann wurde hierher gebracht. Im Sommer 1942 kam er auf die Deportationslisten für Theresienstadt. Rechtsanwalt Josef Müller informierte Canaris, der Cossmann von früher kannte. Es gelang Müller nicht, Cossmanns Namen von den Listen streichen zu lassen. Müller schreibt rückblickend: „Ausgerechnet der Mann, der Hitler mit der Propagierung der Dolchstoßlegende mit an die Macht geholfen hatte, wurde eben jetzt von diesem Hitler vertrieben....“

Alois Weiner, ein Mithäftling, berichtet über die Situation in Theresienstadt: „ Ich fand ihn ohne ein Wort der Klage, wir sprachen über unser Schicksal, er, leise sprechend, setzte die ganze Hoffnung auf die Hilfe der Gottesmutter, deren Fürsprache das größte Übel abwenden würde. Auch er hatte nur einen Teil der dreiteiligen Matratze, ein Kissen mit Hobelspänen und eine Reisedecke. Er wurde von einer alten Frau betreut und gab trotz der unzureichenden Nahrung noch an den seltenen Tagen, an denen es Pferdegulasch gab, diese Kost der Frau und aß nur ein paar Kartoffeln, und dabei musste er „Dienst“ machen. Dieser bestand in der Klowache, er musste hinter jedem Besucher nachschauen, ob er den Ort sauber verließ, und wenn das nicht der Fall war, und derselbe nicht mehr erreichbar war, musste er den Ort selber reinigen“.

Am 19. Oktober 1942, auf den Tag genau siebzehn Jahre nach dem Dolchstoßprozeß, starb Paul Nikolaus Cossmann in Theresienstadt.

Quellen

  • 101
    101. Helmut Pigge , Die Zeit 15, , 7 , 1994.

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