Schimmerling, Honza
Honza Schimmerling wurde 1921 in Brno geboren und war in seiner Jugend Mitglied des Hashomer Hatzair (sozialistische-zionistische Jugendbewegung). Er wurde am 18. Januar 1942 ins Ghetto Theresienstadt =>deportiert, wo er in der Landwirtschaft arbeitete und Jugendliche betreute. Am 18. Oktober 1944 wurde er nach Auschwitz-Birkenau =>deportiert, nach der Selektion im Januar 1945 nach Fürstengrube, wo er Zwangsarbeit leisten mußte. Nach der Befreiung lebte er in Prag, wurde Dozent an der Landwirtschaftlichen Hochschule. Nach der Wende wurde er Mitglied der =>„Theresienstädter Initiative“.
Honza Schimmerling war ein guter Freund der Sühnezeichenfreiwilligen, ihr Lehrer und Gesprächspartner. 1995 war er zusammen mit Veronika Geyer Iwand mehrfach bei den Jugendlichen des Putenhofes in Belitz, die ihn auch während ihrer =>Work Camps in Theresienstadt trafen.
Honza Schimmerling starb 1999. Quelle: 741)
In einem Gespräch mit Hans Joachim Wolter berichtet Honza
Schimmerling im Herbst 1999:
„ Ich wurde 1921 in Brünn
geboren und wuchs dann in Iglau in Zweisprachigkeit
auf. Ich erlebte die demokratische Tschechoslowakei
noch voll und, obwohl ich der jüdischen Religion angehörte,
wirkte sich dies nicht auf den Umgang mit meinen
Mitmenschen und deren Verhalten mir gegenüber aus. Erst nach
Hitlers Machtergreifung im Deutschen Reich veränderte sich
das Klima unter den böhmischen
und mährischen Deutschen. Von der Sudetendeutschen Partei beeinflusst,
wesentlich.
Ich besuchte deutsche Schulen, in denen vorwiegend
deutschnationale Lehrer unterrichten durften,
erlebte aber doch noch längere
Zeit ein demokratisches Zusammenleben in einem
Staat, der von totalitären
Staaten umgeben war. Erste Konflikte wurden uns
während der
Weltwirtschaftskrise bewusst, als die tschechische
Bevölkerung
die tschechisch geführten Betriebe und die Deutschen ihre Betriebe
unterstützten.
In diese Zeit fiel auch die Pensionierung
meines Vaters, der Bankbeamter war, und der damit
zusammenhängende
Umzug nach Brünn.
Wir Juden standen häufig zwischen
Tschechen und Deutschen. Im Randgebiet und in
manchen Städten
waren viele der deutschen Kultur näher und fühlten deutsch,
was noch aus dem früheren Österreich-Ungarn
stammte, aber die Mehrzahl der Juden, besonders
in Böhmen und
auf dem Lande, fühlte tschechisch.
Nach der Machtübernahme
durch Adolf Hitler in Deutschland, kamen die ersten
Antifaschisten und jüdischen Emigranten in
die Tschechoslowakei. In den vorwiegend von Deutschen
bewohnten Gebieten wuchs als Vorstufe der nationalsozialistischen
Herrschaft der Einfluss der Sudetendeutschen Heimatfront,
die später
zur Sudetendeutschen Partei wurde.
Nachdem das überwiegend
deutsch besiedelte Gebiet aufgrund des Münchener Abkommens
zum Reichsgau Sudetenland geworden war, wurden
Tschechen und Juden aus dieser Region vertrieben.
Die Slowakei machte sich als klerofaschistischer
Vasallenstaat selbstständig.
In der Resttschechoslowakei wurden tschechischnationale,
antidemokratische und antisemitische Tendenzen
immer deutlicher, die aus dem Reich unterstützt wurden.
Während in den nun von Deutschland besetzten Randgebieten – wie
im Altreich und in der Ostmark (Österreich) – während
der Reichskristallnacht die Synagogen brannten,
konnte ich nach Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren
1939 auf dem Lande – ich arbeitete damals in einem großen
landwirtschaftlichen Betrieb – mit der Solidarität und
Hilfe der Bauern und Landarbeiter rechnen. Allen
war bewusst, daß Deutschland
auch das Münchener Abkommen brechen würde. Damals kam
ich auch mit Mitgliedern des tschechischen Widerstands
in Berührung.
Es gab klare Richtlinien zur Germanisierung
des „böhmisch-mährischen
Raumes“ und zur „Lösung der Judenfrage“.
Unter der Ausgrenzung und Verfolgung hatten vor
allem jüdische
Menschen in den Städten zu leiden. Als ich auf dem Lande den
Davidsstern tragen musste, betitelte der Besitzer
des Gutes, auf dem ich arbeitete, diesen Stern
als Orden. Auch jetzt sympathisierte die Mehrzahl
der Tschechen noch mit ihren jüdischen
Mitbürgern.
Dagegen lehnten aber frühere deutsche Bekannte uns Juden ab
oder fürchteten den Kontakt mit uns Juden....Ich folgte aber
mit meiner Familie den Befehl der Geheimen Staatspolizei
und wurde Ende 1942 nach Theresienstadt verschleppt.
Dort arbeitete ich zunächst
als Jugendbetreuer in einem Knabenheim, dann als
Instrukteur für
Jugendliche in der Landwirtschaft. Auch im Ghetto
gehörte ich
illegalen Vereinigungen an, die nach Möglichkeit versuchten,
junge Menschen vor der Vernichtung zu bewahren.
Im Herbst
1944, als der Untergang des Dritten Reiches schon
gegeben war, wurden nach dem Aufstand im Warschauer
Ghetto auch junge Arbeiter aus Theresienstadt
nach Auschwitz gebracht. Ein Teil der noch Arbeitsfähigen
kam in Außenlager. Ich musste für die IG Farben in Fürstengrube
wie ein Sklave schuften.
Völlig erschöpft und
abgemagert wurde ich Ende Januar 1945 – im letzten Moment – mit
wenigen Überlebenden
von der Roten Armee befreit. Von meiner Familie überlebte
nur noch meine Schwester. Sechzehn der nächsten Angehörigen
wurden ermordet.
Quelle: 944)
Am 3. Mai 1945, gleich nach der Befreiung, schrieb Honza Schimmerling in Budapest einen Bericht über die Tätigkeit der zionistischen Jugendbewegungen im =>Protektorat und im Ghetto Theresienstadt. Im Gegensatz zur Stellung =>Jakob Edelsteins, der versuchte, mit der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ der SS zu verhandeln – in der ersten Zeit erfolgreich - lobt H. Schimmerling den „Hashomer Hatzair“, der nicht mit dem Strom schwamm und deswegen beschuldigt wurde, nicht solidarisch mit der Allgemeinheit zu handeln. Laut Schimmerling sind die Anfänge der Theresienstädter Siedlung bald über die kameradschaftliche Gleichheit der Aufbaukommandos hinausgewachsen. Sie wurde zu dem typischen Beispiel eines Klassengebildes, mit allen Auswüchsen eines solchen Klassenstaates, von Korruption bis Prostitution. Die zionistische Bewegung war nicht imstande, den Bedürfnissen der Zeit nachzukommen. Im Ghetto entstand eine umfangreiche und starke Hechalutzbewegung, die mit dem Herannahen der Roten Armee mehr und mehr linksgerichtet war. Es entstand die „Vereinigung jüdischer revolutionärer Sozialisten“, zu denen außer dem „Hashomer Hatzair“ auch viele Mitglieder des „Makkabi Hatzair“ beitraten. Doch alle Pläne dieser Vereinigung wurden durch die Transporte im Herbst 1944 zunichte gemacht. Quelle: 945)