Jüdische Soldaten in der Wehrmacht

Bei der Durchsicht des „Theresienstadt-Konvoluts“, in dem biographische Daten der Personen genannt werden, die nach der Liste der Kommandantur „Prominente A“ waren, fällt auf, daß eine Reihe von Söhnen der Betroffenen im Regierungsauftrag standen bzw. im Reichsarbeitsdienst bzw. in der Wehrmacht Dienst versahen. Es handelte sich in der Regel um die Söhne aus ‚Mischehen’, die nach den Nürnberger Gesetzen ‚Mischlinge 1. Grades’ waren.

Der US-amerikanische Historiker Bryan Mark Rigg glaubt herausgefunden zu haben, daß mindestens 150.000 Soldaten der Wehrmacht, Mannschaften, Offiziere bis hinauf zum General, jüdischer Abstammung gewesen seien. Die als ‚Viertel-’ oder ‚Halbjuden’ klassifizierten Personen sahen sich einer differenzierten Diskriminierung ausgesetzt. Sie gehörten in der Regel nicht der jüdischen Gemeinde an noch waren sie deren Mitgliedern rechtlich gleichgestellt. Einen Bezug zur Religion hatten die wenigsten der von Rigg interviewten 220 ‚Mischlinge’. Viele von ihnen distanzierten sich vom Glauben ihrer Vorväter, um dem sozialem Stigma zu entgehen: „Ich bin kein Jude. Ich sehe nicht so aus. Ich bin adelig.“ Den Wehrdienst, den die Mischlinge im Gegensatz zu den ‚Volljuden’ unterlagen, begriffen sie als Chance zur Bewährung und Reintegration in die Volksgemeinschaft. Der im Frühjahr 1940 vom Oberkommando der Wehrmacht verfügte Ausschluss aller ‚Halbjuden’ aus den Wehrmachtsteilen wurde nur halbherzig und nicht konsequent eingehalten. Zahlreiche Vorgesetzte sahen keinen Anlass, sich von den erfahrenen und einsatzbereiten Männern zu trennen, außerdem war es bei 18 Millionen Wehrmachtsoldaten schwierig, diese Verfügung wirklich lückenlos umzusetzen. Die Entscheidung über Anträge auf Ausnahmeregelungen, die ‚Mischlinge’ stellen konnten, behielt sich Hitler persönlich vor. So ‚arisierte’ Hitler auf Betreiben Görings bereits 1935 den späteren Luftwaffengeneral Erhard Milch, der 1947 von den Amerikanern als Kriegsverbrecher verurteilt wurde.

Die Politik des NS-Staates gegenüber den ‚Mischlingen’ war widersprüchlich. Zahllose Verordnungen und Durchführungsbestimmungen regelten immer neue Sonderfälle und Ausnahmen. Die antisemitischen Rassengesetze leiteten sich nicht unmittelbar aus dem ´unabänderlichen Parteiprogramm´ der NSDAP ab, sondern ergaben sich aus dem Widerstreit konkurrierender Instanzen in Staat und Partei.

Riggs Arbeit wird von den meisten Historikern als unseriös eingestuft. Teilweise sind es spekulative Behauptungen, denn die Zahl der ‚Mischlinge’ im NS-Staat ist deswegen nicht klar festzulegen, weil umstritten war, wer überhaupt unter den Begriff ‚Mischling’ fiel. Als wahrscheinlich gilt, daß etwas mehr als 200.000 Mischlinge im Deutschen Reich vor Kriegsbeginn lebten. Unter dem Begriff ´jüdische Soldaten´ fasst Rigg aber nicht nur ‚Vierteljuden’ wie den Oberleutnant Helmut Schmidt, sondern auch den ‚Achteljuden’ Admiral Hans Georg von Friedeburg, der in keiner Weise den Rassegesetzen unterlag.

Quellen

  • 350
    350. Berliner Zeitung 1 , 3 2004,

zurück zur Übersicht