Flucht aus dem Ghetto
Die Flucht aus dem Ghetto galt bei der SS als das größte Verbrechen, das sie mit allen Mitteln verhindern wollte. Allein auf den Versuch stand die Todesstrafe. Nur wenige Menschen sind aus Theresienstadt glücklich entkommen.
Von 1941–44 entkamen 37 Gefangene, von denen zwölf eingefangen und wieder zurück ins Ghetto gebracht wurden. Im April 1945 flüchteten vier Personen, im Mai liefen bis zur endgültigen Befreiung 723 davon, viele in den letzten Kriegstagen, als die tschechischen Gendarmen beide Augen zudrückten. Die meisten Fluchtversuche wurden von jungen tschechischen Juden unternommen. Insgesamt wenig Fluchtversuche gab es auch, weil die Angehörigen im Lager oder auch draußen mit schweren Repressalien rechnen mußten (Sippenhaftprinzip). Die Gebäudeleitungen mußten sogenannte Fluchtverdachtsmeldungen an den Ältestenrat und dieser diese an die Kommandantur geben.
Ein Fluchtversuch galt in allen Lagern als größtes Verbrechen und wurde in der Regel mit der Todesstrafe gesühnt. Da die SS in Theresienstadt nach den Hinrichtungen zu Beginn des Jahres 1942 weitere Todesurteile vermeiden wollte, reagierte sie mit einer Abschiebung in die Kleine Festung, die Einweisung in einen Transport oder mit Kollektivstrafen. So wurden im Tagesbefehl vom 9. April 1943 neben einer Ausgehsperre und Lichtsperre auch die Einstellung aller Freizeitveranstaltungen angeordnet. Immer wieder, so im Tagesbefehl vom 15. Februar 1944, wurden schärfste Konsequenzen bei Fluchtversuchen angedroht.
Zwischen 1940 und 1945 kam es zu einer Reihe von Fluchtversuchen, von denen allerdings nur wenige gelangen. Die isolierte Lage der Kleinen Festung, die hohen, zum Teil mit Stacheldraht bewehrten Mauern, boten schlechte Bedingungen für eine Flucht. Bekannt geworden sind vor allen Fluchtversuche aus den Jahren 1944 und 1945.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Juli 1944 flüchteten die beiden Häftlinge Adolf Szinay-Szabo und Ladislav Malý. Adolf Szinay-Szabo wurde zuerst gefasst und von den Aufsehern brutal zu Tode geprügelt. L. Malý wurde am 20. Dezember 1944 in der Kleinen Festung zur Abschreckung hingerichtet.
Am 6. Dezember 1944 gelang die Flucht von Miloš Ešner, Josef Mattas und Frantisek Maršik. Sie nutzten eine Bresche in den Mauern neben der Gärtnerei und ließen sich an Seilen die Festungsmauer hinunter.
Erfolgreich war auch Zdeněk Vlasta, der aus dem Kommando Elbschloss in Litoměřice flüchtete und sich bis Kriegsende verstecken konnte.
Tragisch Folgen hingegen hatte die Massenflucht aus der Zelle 38 des IV. Hofes.
Erwin Schmidt wurde angeschossen und später als Abschreckung für die anderen auf dem IV. Hof hingerichtet. Ladislav Šimek und Rudolf Vondrášek wurden von den Aufsehern neben den Einzelzellen bestialisch erschlagen.
Aus dem Kommando Lovosice floh am 19. April 1945 das Mitglied einer Kommunistischen Widerstandsgruppe Václav Steka. Er konnte sich bis zur Befreiung durch die Rote Armee versteckt halten.