Šupiková, Marie

Marie Šupiková ist eines der Kinder von Lidice. Marie war zehn Jahre alt, als sie nachts aus dem Bett gerissen wurde. Die SS hatte das Dorf umstellt und holte die Bewohner aus den Häusern. 203 Frauen und 91 Kinder wurden in die Turnhalle des Gymnasiums gebracht und dort drei Tage lang festgehalten. Sie mussten auf dem Fußboden schlafen ohne Stroh. Als erstes wurde Josef, der Bruder Maries, herausgeholt. Er war 15 Jahre und zwei Monate alt und diese 2 Monate kosteten ihn das Leben, denn alle männlichen Einwohner über 15 Jahre wurden in der Nacht erschossen. Am Nachmittag des dritten Tages wurden die Kinder in einen Zug verladen und nach Łódź (Litzmannstadt) gebracht, wo sie im Ghetto untergebracht wurden. Die Frauen wurden in das KZ Ravensbrück deportiert. Hier wurden die Kinder von SS-Ärzten untersucht und begutachtet. Wer einen länglichen Kopf, blondes Haar und keine hervorstehenden Wangenknochen aufwies, hatte Glück. „Eindeutschungsfähig“ lautete dann das Urteil.

Marie Šupiková und acht andere Kinder gehörten zu dieser Gruppe. Bei 82 anderen Kindern hieß es „nicht eindeutschungsfähig“. Das war ihr Todesurteil. Die SS-Einrichtung „Lebensborn“ nahm sich nun der Zehnjährigen an und vermittelte sie in eine deutsche Familie nach Posen. Der Mann, Alfred Schiller, war Papiergroßhändler und hatte eine Polin zur Frau. Ingeborg Schiller stand nun in Maries Ausweis, Geburtsort: unbekannt. Die Eindeutschung war auf dem Papier vollzogen. Marie berichtete, wie sehr sie von ihrer Familie träumte, sich nach Lidice sehnte. Über ihre Vergangenheit wurde bei den Schillers nie gesprochen. Marie lernte schnell deutsch und besuchte eine deutsche Schule. Das Verhältnis zu ihren Eltern war korrekt, aber da war keine Liebe, wie Frau Šupiková berichtet, nur gegenseitiger Respekt. Ende 1944 rückte die Rote Armee auf Posen vor, am 20. Januar schloß sich Familie Schiller einem Treck an. Im April 1945 endete die lange Flucht in Boizenburg an der Elbe. Inge und ihre Eltern kamen in der Bahnhofsstraße 20 unter.

„Ich wollte zurück nach Lidice, als Anfang 1947 durch Presse und Rundfunk nach den Lidice-Kindern gesucht wurde, brachte mich Herr Schiller nach Berlin zur Suchstelle. Es war keine Trauer da beim Abschied.“ Am gleichen Tag erfuhr Marie vom Tod ihres Vaters und ihres Bruders. Aber die Mutter lebte noch. Von den einst 503 Menschen lebten noch 147, davon 17 Kinder. Außer den neun eingedeutschten gab es noch einige Kinder, die zur Zeit des Überfalls Säuglinge gewesen waren. Sie waren auf Kinderheime im Protektorat verteilt worden. Marie traf ihre Mutter im Prager Krankenhaus. Sie war, aus Ravensbrück zurückgekehrt, an schwerer TBC erkrankt und starb wenig später. Marie musste im gleichen Jahr nach Nürnberg. Hier sagte sie vor dem Internationalen Gerichtshof aus. Marie erlebte den Aufbau des neuen Lidice mit, nur etwa 100 Meter entfernt vom Standort des alten Lidice. Heute noch (2002) arbeitet sie in der Gedenkstätte und spricht auch mit deutschen Besuchergruppen.

Quellen

  • 936
    936. Elbe Jeetzel Zeitung vom 6 , Juni 2002

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