www.ghetto-theresienstadt.info - Ein Nachschlagewerk

Im Juli 2006 fand in der Gedenkstätte Terezin (genauer im ehemaligen Gestapogefängnis ‚Kleine Festung’) ein work-camp mit Jugendlichen aus Lüchow-Dannenberg und Lüneburg statt.
Die organisatorische Leitung und Betreuung lag in den Händen eines Mitglieds des Kulturvereins Schwarzer Hahn, das bereits in den Vorjahren ähnliche work-camps in der Gedenkstätte durchführte.
Die Jugendlichen im Alter von 14 – 18 Jahren waren Schülerinnen und Schüler aus dem Wendland, die meisten leben in dem Kinder- und Jugendheim ‚Putenhof Belitz’.

Das work-camp wurde unter der besonderen Betreuung eines Sozialarbeiters durchgeführt, ihm oblag auch die Gestaltung des pädagogischen Programms sowie der inhaltlichen Vor- und Nachbereitung.
Als teamer fungierte ein junger Erwachsener aus Lüneburg, der auch bereits Teilnehmer eines früheren work-camps war.

Aufgrund der guten Kontakte zur Leitung der Gedenkstätte konnten die TeilnehmerInnen direkt auf dem Gelände der ‚Kleinen Festung’ untergebracht werden. Diese Unterbringung ist selten möglich, da nach der Schließung der ‚Kleinen Festung’ für den Publikumsverkehr die work-camp TeilnehmerInnen neben dem Hausmeister-Ehepaar die Einzigen waren, die sich hier über Nacht aufhielten. Für die Beteiligten hinterließen so besonders die Abendstunden einen nachhaltigen Eindruck.

Der Reise nach Terezin gingen zuhause einige Vorbereitungsnachmittage voraus. Hier wurde bereits geplant, wie der Tagesablauf während des Aufenthalts in Terezin gestaltet werden sollte (die Arbeitsaufgaben wurden vorab mit der Gedenkstättenleitung abgesprochen), welche Arbeitsgeräte und persönliche Ausrüstung mitzunehmen war und welche Interessen und Vorstellungen die Einzelnen für ein Freizeitprogramm hatten.

Schwerpunkt der Vorbereitung waren natürlich Informationen und Gespräche über die Situation in Theresienstadt wärend der Nazi-Herrschaft, über die Unterbringung der Menschen im Ghetto, über die schrecklichen Lebensumstände im Ghetto und über die unmenschlichen Bedingungen im Gestapogefängnis. Den unterschiedlichen Kenntnisstand und die Altersspanne der Teilnehmerinnen galt es zu berücksichtigen und auszugleichen.

Die Anreise mit Bahn und Auto war unkompliziert und dank der guten Vorbereitung eines Vorauskommandos gab es bereits einen herzlichen Empfang. Die Unterkunft war schnell bezogen und alle mitgebrachten Geräte und die Verpflegung verstaut. Alle waren neugierig, gespannt und aufgeregt, die Gedenkstätte ‚Kleine Festung’ zu erkunden. Also gab es einen ersten Rundgang, dem in der nächsten Zeit weitere gezielte Besichtigungen folgten.

Das Wochenende sollte der Eingewöhnung und Entspannung dienen, ab Montag stand ein körperlich anstrengendes Arbeitsprogramm auf dem Stundenplan. Ein Rundgang durch die Stadt, dem Gebiet des ehemaligen Ghettos, war allerdings ebenso wie ein Besuch des Ghetto-Museums obligatorisch.
Aber auch die Badestelle an der Eger war bald entdeckt und bei dem drückend heißen Wetter wurde ein Sprung ins kühle Naß schon fast zum Pflichtprogramm.

Montag morgen um 7 Uhr sollten alle zum ersten Arbeitstag bereit sein. Hier gab es bereits die erste Überraschung. Ist man doch gewohnt, daß Jugendliche durchaus in der Lage sind, bis mittags tief und fest zu schlafen, so wurden die Betreuer hier eines besseren belehrt. Alle TeilnehmerInnen waren pünktlich aus den Betten gekommen und standen abmarschbereit mit Werkzeug und Ausrüstung bereit. Dies sollte sich auch während des restlichen work-camps nicht ändern.

Die tägliche Arbeitszeit ging von 7-13 Uhr mit einer Frühstückspause gegen 9 Uhr.
Das Mittagessen konnte in der Kantine für die Mitarbeiter der Gedenkstätte eingenommen werde, so daß nur das Frühstück und Abendessen selbst organisiert werden mußte. Nach einer dringend nötigen Mittagspause folgten jeweils feste Programmpunkte, nach dem Abendessen gegen 19 Uhr folgte die Auswertung des Tages und die Vorbesprechung für den nächsten Tag. Anschließend gab es häufig Gespräche, die mehr und mehr zeigten, daß mit den Jugendlichen etwas passierte; der Aufenthalt an einem Ort an dem Tausende eingekerkert und gequält, hingerichtet wurden und viele starben, mußte verarbeitet werden und so gab es immer wieder Fragen nach den Lebensbedingungen der Menschen und nach der Ursache von Verfolgung und Vernichtung. Hier zeigte sich, daß diese persönlichen Erfahrungen an solch einem historischen Ort einmalig sind und nachhaltige Eindrücke hinterlassen sollten.

Zurück zur Arbeit: am ersten Tag mußten schwere Gesteinsbrocken, die im Lauf der Jahre aus den Mauern der Wehranlage gefallen sind und hinter dem Quergebäude am 4. Hof lagerten, sortiert und umgestapelt werden. Die Steine sollen zur Sanierung der Gebäudefundamente verwendet werden, da diese durch die große Flut im November 2002 zum Teil schwer geschädigt sind und nach und nach instandgesetzt werden.

Am zweiten Tag wurde die Arbeit in den Gräben außerhalb der Festung fortgesetzt. Die äußeren Gräben der Befestigungsanlage müssen regelmäßig freigeschnitten werden, um zu verhindern, daß die Wurzeln der Bäume die Mauern beschädigen. An einer Stelle in Höhe des 4. Hofes wurde dies vor einigen Jahren bereits gemacht. Die abgesägten Bäume sind neu ausgetrieben und bereits wieder zu stattlicher Größe herangewachsen. Die folgenden Tage verbrachten die Jugendlichen damit, unter fachlicher Anleitung die nachgewachsenen Stämme abzusägen, zu zerteilen und zusammenzutragen, um sie später abzutransportieren oder zu verbrennen.
Die Arbeit war bei Temperaturen um 30 Grad im Schatten sehr schwer; dazu kamen das sumpfige Gelände und die steilen Wände der Gräben, die das Schleppen der Äste und Stämme zusätzlich erschwerten. Erstaunlicherweise gab es kaum Murren und Meckern, die Jugendlichen schufteten und betrachteten nach jedem Arbeitstag stolz ‚ihr Werk’.

Nach einer Mittagspause, die in den kühlen Wohnräumen auch gern zu einem Mittagsschläfchen genutzt wurde, wurde das Programm mit Rundgängen und Besichtigungen der Einrichtungen und Ausstellungen genutzt. Hervorzuheben sind hier der Besuch in der Magdeburger Kaserne in der Stadt, die eine umfassende Ausstellung zum künstlerischen Schaffen während der Ghetto-Zeit beherbergt.
Auch ein Besuch des Columbariums, wo in langen Regalen die Asche der Toten in Pappschachteln aufbewahrt wurden, ließ erahnen, welches Leid die Menschen des Ghettos ertragen mußten.

Das Ende der Woche wurde mit ein wenig Landeskunde abgerundete. Bei einem Ausflug in die nähere Umgebung wurde die Burg Schreckenstein besichtigt und der Radobyl erklommen.