In den letzten Kriegsmonaten stieg die
Zahl der in den Zellen untergebrachten Häftlinge weiter an.
Die miserablen hygienischen Bedingungen, schlechte
Ernährung,
die unerträgliche Enge und das Ungeziefer förderten die
Entstehung von Seuchen. Mitte April 1945 stellten
die Ärzte
im Krankenrevier fest, daß viele Häftlinge an Fieber
und Mattigkeit litten und begannen, diese erst
mal in den Zellen der „Grube Richard-Arbeiter“ festgestellte
Krankheit als Grippe zu behandeln. Als die Zahl
der Kranken vor allem auf dem IV. Hof immer stärker anstieg,
forderten die Ärzte
eine Blutuntersuchung, um eine genaue Diagnose
stellen zu können.
Dies jedoch lehnte Kommandant Jöckl ab, die Erkrankten blieben
weiter in ihren Zellen liegen. Als der deutsche
Polizeiarzt Dr. Krönert dann heimlich Blutproben nahm und
sie über das
deutsche Gesundheitsamt in Ustí nad Laben an
das bakteriologische Institut der deutschen Universität in
Prag schickte und untersuchen ließ, stellte sich heraus,
daß es sich um Bauch- oder Flecktyphus handelte.
Zu dieser Zeit hatte sich die Krankheit im Lager
ausgebreitet. Am 29. April 1945 wurden allein
auf dem IV. Hof 500 Typhus-Erkrankungen festgestellt.
Dr. Krönert
informierte den Leiter des Sicherheitsdienste
und des SD in Prag Dr. Weinmann und bat um sofortige
Maßnahmen.
Hilfe kam jedoch nicht. Der nach Theresienstadt
entsandte SS-Arzt Dr. Ratek ordnete lediglich
die Aushebung von zwei Latrinen und die Isolierung
des IV. Hofes an. Am 2. Mai kam eine Delegation
der Sanitätshilfeaktion
aus Roudnice nach Theresienstadt. Ihr wurde der
Besuch des IV. Hofes verboten. Im Krankenrevier
sahen sie Hunderte von Erkrankten und sterbenden
Häftlingen
in ihrem Schmutz liegen. Nach Angaben des Universitätsprofessors
Dr. Karel Raška, der mit der Roudnicer Delegation
in Theresienstadt war, wurde der sich im Ghetto
aufhaltende Vertreter des Internationalen Roten
Kreuzes, Paul Dunant, über
die Zustände
in der Kleinen Festung informiert und um Hilfe
gebeten, aber nichts passierte. Erst am 4. Mai
1945 erhielt die tschechische Sanitätsaktion
die Erlaubnis zum Betreten der Kleinen Festung. Ärzte und
Sanitäter, beauftragt vom Tschechischen Nationalrat, kamen
nach Theresienstadt. Sie stießen auf eine grauenvolle Situation
mit Hunderten von erkrankten, sterbenden und
toten Häftlingen.
Am 5. Mai 1945, als der Aufstand gegen die Okkupanten
in Prag losbrach, flüchteten Aufseher und Wachmannschaften
und Hilfe aus den Nachbardörfern traf ein. Am Abend des 8.
Mai 1945 passierten
Truppen der 1. Ukrainischen Front auf dem Weg
nach Prag Theresienstadt. Wirksame Hilfe kam
jedoch erst am 11. Mai durch die Rote Armee,
die schnell reagierte und Ärzte
und Pflegepersonal zur Verfügung
stellte. Am 14. Mai wurde über ganz Theresienstadt die Quarantäne
verhängt. Die Typhusepidemie forderte allein in der Kleinen
Festung mehr als 1.000 Tote. Es gelang den Hilfskräften, die
Epidemie einzudämmen, aber auch nach der Befreiung starben
noch Hunderte von Menschen in Theresienstadt
an Typhus. Viele von ihnen sind auf dem Nationalfriedhof begraben,
der zwischen der Kleinen Festung und dem ehemaligen
Ghetto nach dem Krieg angelegt wurde. |